Lieber Dr Posth,
sie hatten mir in der letzten Woche geraten, auf das Daumen lutschen mit wenn...dann zu reagieren. Er lutscht hauptsaechlich in ruhigen Momenten, wenn wir lesen oder er ausruht und aus dem Fenster schaut oder wenn er sich konzentriert. In diesen Situationen finde ich die wenn....dann Geschichte schwer. Haben Sie eine Idee?
Frage zu Sozialverhalten: Mein Sohn (4.6 Jahre) lebt getreu der Divise Auge um Auge...Sprich wenn ihn jemand haut (vorallem, wenn er die Kinder nicht kennt), ueberlegt er lange, wie er es heimzahlen kann und ist erbost. Beim Sport hatte ihn vor drei! Wochen jemand getreten und gesagt er sei dumm. Gestern hat er ihn gekniffen und hatte endlich seine Rache...Der andere Junge hatte den Vorfall (natuerlich) laengst vergessen.
Mein Sohn hat von sich aus lange andere Kinder ohne (fuer mich offensichtlichen) Grund gehauen. Das ist nun seit Monaten vorbei, aber wenn ihn jemand aergert...Spass versteht er auch eher schlecht.
Danke und Gruss
Christiane
Mitglied inaktiv - 16.06.2008, 03:01
Antwort auf:
Daumen und Vergeltung
Stichwort: Gewissensentwicklung
Liebe Christiane, rechnen Sie ienmal die Zeiten am Tage zusammen, in denen Ihr Sohn tatsächlich noch am Daumen lutscht. Wenn es also nur Zeiten der Ruhe und Entspannung sind, dann wird man vorläufig auf erzieherische Einschränkungen verzichten müssen. Wenn Ihr Sohn noch etwas älter ist, kann man ihn dann auf Folgen des Daumenlutschens festlegen und ihn mahnen. Aber dafür muss erst ein Zeitverständnis entwickelt haben und die Fähigkeit, in die Zukunft zu denken. Das kommt erst mit 5-6 Jahren.
Das Prinzip "wie du mir so ich dir" ist das Grundprinzip des Konfliktausgleichs im Kleinkindalter. Nicht jedes Kind ist dabei auch gleich nachtragend, aber jedes Kleinkind fühlt sich im Recht, wenn es so zurückgibt, wie es bekommen hat. Erst mit der Fähigkeit, sich in die Gefühlslage eines anderen Menschen hinein zu denken (ab etwa 4 jahre), beginnt eine andere geistige Strategie. Das Kind lernt es jetzt, den verursachten Leidenzustand beim Anderen nachzuempfinden und sich mit körperliche Attacken zurückzuhalten.
Dazu braucht es die Kraft der Empathie, die es in den Jahren davor durch Induktion verstärkt erfahren hat (s. gezielter Suchlauf, Induktion, Empahtie etc.). Ihr Sohn steht in dieser Entwicklung offenbar erst am Anfang. Sie können jetzt ihm Empathie durch Ermahnen näher bringen und Reue und Gewissen damit anstacheln. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 16.06.2008