Frage: Hysterie und Nervenzusammenbruch :-)

Hallo Dr. Posth, unsere 15 Monat alte Tochter hat seit 4 Wochen eine Phase, die uns an den Rande unsere Beherrschung bringt. Jede Form von Anweisung (heiß, nein, Finger weg) wird mit einem nur als absolut hysterisch zu bezeichnenden Geschreie quittiert. Wir "gängeln" unser Kind sehr selten und benutzen die o.a. Anweisungen nur dann, wenn wirklich Gefahr für ihre Gesundheit droht. Diese hysterischen Anfälle dauern auch mal locker 30 Minuten. Unterhalten wir uns während dieser Anfälle mit unserer Tochter normal, zeigt sie deutlich, dass es nur geschauspielert war und lacht. Glücklicherweise zeigt sie dieses Trotzverhalten nicht im Supermarkt oder sonstwo. Ist es denn ein Vorbote der Trotzphase? Sollen wir diese Schreiorgien weiterhin einfach ignorieren und damit klar zu verstehen geben, dass wir nicht "erpressbar" sind? Fragen, Fragen, Fragen Vielen Dank für die Antworten Sandra B.

Mitglied inaktiv - 03.07.2002, 10:09



Antwort auf: Hysterie und Nervenzusammenbruch :-)

Liebe Sandra, über Trotz habe ich schon einiges geschrieben. Das wichtigste ist zu erkennen, daß Trotz aus einem noch nicht sicheren Umgang mit den eigenen Willensimpulsen entsteht. D.h. das Kleinkind spürt seinen eigenen Willen und sucht ihn auf Grund seiner zeitgemäßen Ich-findung überall durchzusetzen, egal, ob es sinnvoll ist und paßt, oder völlig fehl am Platze ist. Das ergibt jene kuriosen Erscheinungen, wie Sie sie schildern. Es geht hier also nicht um Gehorsam und Widerstand, wie die meisten Menschen meinen, sondern um Erfahrung mit dem eigenen Ich und der Macht, die von ihm ausgeht. Fremde Mächte, wie elterliche Autorität oder natürlicher Zwang werden "angetrotzt" um der Ichstabilisation willen. Natürlich kann man nicht jeden Temperamentsausbruch hinnehmen, oder gar das Kind sich schädigen lassen, denn es merkt ja gar nicht, daß es sich bei diesem existenznotwendigen Vorgang "dummerweise" in Gefahr begeben kann. (So etwas gibt es übrigens bei Erwachsenen auch noch). Da es hier eigentlich noch gar nicht um Erziehung geht, kann man auch einfach einschreiten und Kind und Gefahr auseinanderbringen. Zu diesem Schutz sind Sie verpflichtet und wenn sich das Kind widersetzt, muß es das aushalten, was es auch tut, denn es fängt dabei langsam an zu verstehen. Erklären Sie ihm auf ganz einfache Weise, warum Sie so gehandelt haben, der Tonfall machts manchmal meht, als der Inhalt. Sie erziehen zwar nicht im eigentlichen Sinn, aber sie legen die Wurzeln für das, was einmal günstige Erziehung werden soll. Willenstarke Kinder können übrigens früh anfangen zu trotzen.

von Dr. med. Rüdiger Posth am 03.07.2002