Elternforum Rund um die Erziehung

Was tun, wenn das Kind oft wütend ist?

Was tun, wenn das Kind oft wütend ist?

Amy36

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Hallo an Alle. Mein Sohn ist 4 Jahre alt und momentan sehr anstrengend. Mein Mann und ich sind eher von der ruhigen Fraktion und genießen auch gerne mal die Ruhe. Doch mit unserem Wirbelwind ist dies nicht mehr möglich. Er ist das komplette Gegenteil von uns. Was wir überhaupt nicht schlimm finden, denn so kommt auch Schwung in unser Leben und wir lieben es, wie er sich an kleinen Dingen überschwänglich freuen kann (da wird auch schon mal getanzt vor Freude). Doch seit ca. 4 Monaten scheint er mit nichts mehr zu Frieden zu sein. Er wacht gefühlt schon meckernd auf. Alles stört und nervt ihn nur noch. Die dicken Socken stören... es gibt Geschrei. Die Hose stört (die er vor drei Tagen noch problemlos angezogen hat)... es gibt Geschrei. Die Schuhe die gestern noch gut waren, sind heute unerträglich für ihn.... es gibt Geschrei. Das Essen ist nicht gut, das Spiel was wir spielen, alles ist schlecht. Er kann sich allerdings auch gut alleine beschäftigen. Manchmal eine Stunde morgens in seinem Zimmer, was uns wirklich beeindruckt. Danach geht es jedoch los. Und wenn wir nicht so reagieren wie er es sich vorstellt, schreit und haut er auch sehr gerne. Diese Lautstärke, aber viel schlimmer noch das permanente hauen und agressive Verhalten, sind wir nicht gewohnt und möchten es auch nicht haben. Außer es ihm zu erklären und die Hände beim hauen festzuhalten, wissen wir uns keinen Rat. Er ist ziemlich oft schlecht drauf in letzter Zeit und schreit nur noch was das Zeug hält. Dazu muss ich sagen, dass er in den letzten zwei Monaten viel krank war und wir kaum Unternehmungen machen konnten. Vielleicht liegt es auch daran. Obwohl das ja eigentlich schon vor den Krankheiten los ging. Kennt das jemand von euch und kann uns einen Rat geben, wie wir mit dieser Lautstärke und den wütenden Phasen umgehen können. Manchmal erwischen wir uns schon dabei, dass wir mit schreien, nur damit er uns auch hört vor lauter kreischen. Aber das ist eigentlich so gar nicht unser Ding und danach bin zumindest ich ziemlich niedergeschlagen. Wie kann ich seine Wutattacken und vor allem sein Gefühl, dass alle anziehsachen stören in Grenzen halten. Wir kennen es von ihm eigentlich nicht. Er war schon immer sehr lebhaft und hat einen sehr ausgeprägten Bewegungsdrang. Aber so laut und wüterich war er nie. Es hat sich bei uns nichts verändert, worauf wir das zurückführen könnten. Ist es vielleicht auch nur eine Phase? Für Tipps bin ich dankbar. Grüße Amy


Mutti69

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Antwort auf Beitrag von Amy36

Du beschreibst es doch ganz anschaulich. wenn er für sich, nach seinen Regeln, in seinem Tempo, nach seinen Spielregeln spielt, dann ist er ruhig und zufrieden. Muss er das tun, was von euch vorgegeben wird, wird er unleidlich. Dein Kind ist in einer ausgeprägten Autonomiephase und das ist wichtig und gut für seine Entwicklung. Meist trifft diese Wucht eher Kinder die in ihren sprachlichen Fähigkeiten hinter ihrer sonstigen Entwicklung hinterherhinken. Hat er sprachlich Probleme? Versuch ihn zu unterstützen und lass ihn soviel wie möglich selber entscheiden. Leg nicht die Hose zum Anziehen hin, sondern lass IHN die Hose aus dem Schrank auswählen. Lasst ihn helfen, mitentscheiden... Bedenke auch, dass Wachsen nicht einfach ist. Es ist eigentlich ein Wunder und irgendwie ist es doch verständlich, dass es dabei auch zu komischen Gefühlen kommt. Das erklärt die Schuhe, die Gestern noch ohne anzustellen getragen wurden und Heute vielleicht wirklich komisch am Fuß wahrgenommen werden, weil die Hautnerven mit dem Kochen- und Gewebswachstum eben auch mithalten müssen und neu sprossen. Das Hauen ist ein Ventil für seine kindliche Frustration. Frustration darüber, dass er machen m möchte, aber nicht kann, nicht darf...meist wird das deutlich besser, wenn die sprachlichen Fähigkeiten sich verbessern. Also immer fleißig vorlesen, das stärkt die sprachliche Kompetenz. Geht vorüber ;-)


Amy36

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Antwort auf Beitrag von Mutti69

Danke für deine schnelle Antwort, die mir ein wenig seine Welt erklärt. Sprachlich ist er nicht zurück, laut Kindergarten sogar ein kleines bisschen weiter als andere. Das einzige was er nicht kann, ist uns zu erklären, warum was stört oder warum er gerade schreit. Aber das ist glaube ich auch etwas zu viel verlangt. Er ist ja gerade erst vier geworden. Wenn er seine Hose, Schuhe oder anderes nicht anziehen möchte und dies lautstark mitteilt, dann lassen wir ihn auch gerne eine andere holen. Oder aber wir sagen ihm direkt, dass er sich eine Hose aus dem Schrank holen darf, aber auch da gibt es häufiger die gleiche Situation. Er nimmt sich eine Hose, zieht sie an und merkt dann, dass sie stört. Ebenso verhält es sich mit den anderen Klamotten. Sobald auch die Anziehsachen dicker werden (Winter) ist es ganz vorbei. Aber wir werden es weiterhin versuchen, dass er sich selbst seine Sachen aussuchen darf, vielleicht merkt er dann irgendwann für welche er sich begeistern kann :-)


Mutti69

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Antwort auf Beitrag von Amy36

Wenn du es verstärkt auf die Kleidung beziehst, dann könnte das eine taktile Übersensibilität sein. Auch das gibt es nicht so selten und war in diversen Unterforen schon Thema. Vielleicht googelst du mal oder gehst hier im RUB über die Suchfunktion.


Jorinde17

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Antwort auf Beitrag von Amy36

Hallo kurz vorab: Ich habe als Kind auch recht sensibel auf manche Kleidungsstücke reagiert. Als Eltern kann man sich einfach darauf einstellen und etwas weitere, weiche Sachen aus reiner Baumwolle kaufen - oft mögen Kinder keine Mischgewebe, in denen Polyester und Co enthalten sind. Überinterpretieren würde ich das nicht. Denn das Hauptthema bei Deinem Sohn ist im Moment sicher seine große Impulsivität und Aktivität. Die ist - gerade bei Jungen - in diesem Alter ja sehr verbreitet und oft ein Problem für die Eltern, wenn sie selbst eher von der ruhigeren Fraktion sind. Und dass er noch Schwierigkeiten hat, seine Impulse zu kontrollieren, ist auch typisch für dieses Alter. Ich berate oft die Eltern solcher Kinder, daher ein paar Tipps dazu. Sein Verhalten ist eine Typfrage, es hat wenig mit Deinen Krankheitsphasen zu tun. Kinder bringen eigene Gene mit, sie sind viel, viel mehr als nur ein Produkt unserer Erziehung, obwohl viele Eltern das immer noch glauben. Studien haben gezeigt, dass vor allem impulsive Kinder oft ein negatives Verhalten der Eltern erst auslösen (Schreien, Schimpfen), während ruhigere Kinder auch gelassenere Eltern haben. Die Ursache-Wirkung-Hypothese hat sich also teilweise umgekehrt: Nicht die Eltern machen durch ihr Verhalten die Kinder unruhig oder schwer steuerbar, wie man früher glaubte. Sondern impulsivere Kinder sind definitiv anstrengender für Eltern und locken bei ihnen eher ein negatives Erziehungsverhalten hervor, das sie eigentlich selbst gar nicht wollen (so beschreibst Du es ja auch von Dir und Deinem Partner). Der Umgang mit einem Kind, das noch wenig Impulskontrolle besitzt, ist natürlich ziemlich herausfordernd für Eltern. Die jungen Wüteriche machen es sich selbst und den Eltern schwer. Was also tun? Wichtig ist zuerst einmal, dass man das Verhalten nicht persönlich nimmt. Man hat es nicht verursacht, und das Kind möchte einen umgekehrt auch nicht absichtlich ärgern oder provozieren. Sein Verhalten passiert ihm einfach. Wenn man das weiß, hilft es oft schon, etwas gelassener zu bleiben. Wir Eltern dürfen es außerdem aushalten, dass ihr Kind auch starke negative Gefühle hat. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Schlechte Gefühle werden Kindern nur sehr ungern zugestanden. Man glaubt als Mutter schnell, man sei Schuld an diesen Gefühlen. Und man will, dass das Kind möglichst 24/7 total glücklich ist. Deshalb versucht man, die schlechten Gefühle möglichst schnell wegzumachen - und wenn es mit Schimpfen ist. Heißt: Lass Deinen Sohn manchmal einfach toben und wüten, bis er fertig ist. Steige nicht zu sehr darauf ein, frage nicht nach Ursachen, tröste nicht zu reflexhaft und zu eifrig, rede nicht zuviel auf ihn ein. All das hilft ihm in der Situation nicht. Was hilft, ist Gelassenheit, Abwarten, Souveränität. Kinder spüren es, wenn Mama innerlich souverän bleibt und sich von ihnen nicht verunsichern lässt. Hier gilt die Devise: Weniger (Reaktion) ist mehr. Gleichzeitig braucht Dein Sohn auch Halt. Du musst nicht auf jede Empfindlichkeit oder jeden Wunsch willfährig eingehen, Du kannst berechtigte Dinge zwar berücksichtigen, andere darfst Du auch mal ignorieren. Viele Eltern betreiben aber etwas, das man „Mikro-Management“ nennt: Sie reagieren fleißig auf jeden Pieps und Pups ihres Kindes, und verlieren darüber das Große und Ganze aus dem Blick. Kinder brauchen es aber, dass wenigstens einer überlegen und souverän bleibt und das Vertrauen vermittelt, dass alles wieder gut wird - auch ohne Aktionismus. Schenke ihm dagegen sehr viel und betont positive Aufmerksamkeit, wenn Dein Sohn sich gut verhält: Verstärke ihn, wenn er fröhlich wirkt, lobe ihn, wenn er eine gute Idee hat, wenn er Dir (ruhig dazu auffordern!) etwas im Haushalt zur Hand geht, den Tisch mit abräumt etc. Lass ihn möglichst viel selbst tun: sich anziehen, sich duschen, beim Kochen helfen, beim Einkaufen Dinge aussuchen und anreichen usw. Kleine Kinder wollen hilfreich und nützlich sein, dass macht sie zufrieden. Leider nehmen wir Eltern ihnen oft alles ab, weil uns das alles zu lange dauert oder uns das Ergebnis nicht perfekt genug ist, und das frustriert sie unendlich. Und Eltern wundern sich, wenn das Kind irgendwann nicht mehr helfen will, wenn es älter ist. Kinder wie Dein Sohn brauchen es besonders, sich für die Familie wichtig und gebraucht zu fühlen, gib ihm das möglichst jeden Tag. LG


Amy36

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Antwort auf Beitrag von Jorinde17

Hallo Jorinde17, vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht. Er war sehr aufschlussreich und ich werde in jedem Fall versuchen deine Tipps umzusetzen. Es stimmt, dass man sich als Eltern fragt, was man bloß falsch gemacht hat, oder ob das eigene Kind gerade schlecht auf einen selbst zu sprechen ist. Dazu muss ich sagen, dass er sich sehr vorbildlich im Kindergarten oder woanders verhält. Wir hören immer wieder von den Erziehern, wie problemlos und super er sich im Kiga-Alltag benimmt. Kaum zu Hause (oder auch schon im Auto) geht es los. Daher macht man sich natürlich Gedanken, ob man selbst daran Schuld ist, bzw. ob es an einem selbst liegt. Aber wenn ich zwischen deinen Zeilen richtig verstanden habe, braucht er dann mal ein Ventil um alles raus zu lassen und um auch mal wütend sein zu dürfen, was er vermutlich im Kindergarten nicht sein kann, will, darf. Das werden wir wohl als "ruhige" Personen und Eltern noch lernen müssen. Ich hoffe, wir werden es gut hinbekommen, um auch für ihn die Tage angenehmer gestalten zu können. Gruß Amy


Jorinde17

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Antwort auf Beitrag von Amy36

Genau, es ist normal und ein Vertrauensbeweis, wenn Dein Sohn überwiegend zu Hause so „anstrengend“ ist. Kinder sind gegenüber Außenstehenden instinktiv meist viel vorsichtiger als gegenüber den engsten Bezugspersonen. Das ist von der Evolution so eingerichtet, damit sie sich nicht mit körperlich überlegenen Fremden anlegen, was in Urzeiten für sie gefährlich gewesen wäre. Ich würde aber nicht unbedingt sagen, dass Ihr ein Ventil seid, wo er seine Wut mal so richtig „rauslassen“ darf. Er hat durchaus ein Problem mit der fehlenden Impulskontrolle, sie fühlt sich für ihn nicht gut und auch nicht unbedingt entlastend an. Sie passiert ihm einfach noch, obwohl er selbst darunter leidet. Es ist deshalb schon wichtig, dass Ihr ihm im Laufe der Jahre vermittelt, dass man Wut und Frust auch anders äußern kann, als durch Toben und Schreien. Deshalb könntest Du ihm z. B. helfen, für seine Gefühle Wörter zu finden. „Ich sehe, du bist wütend. Was könnten wir da tun?“ Das hilft nicht inh. von Tagen oder Wochen, aber in Monaten und Jahren verändert es sehr viel. Kinder, die sagen können, was sie bewegt, müssen dies nicht mehr körperlich ausagieren. LG


Kati242003

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Antwort auf Beitrag von Amy36

Hi, Ja das Problem haben wir auch extrem. Unserer ist 3,5 Jahre und wir wissen auch nicht weiter. Und er will sich partout nicht selbst beschäftigen. Ich dachte schon an verhaltensauffällig. Aber wenn das bei euch auch so ist.