Elternforum Rund um die Erziehung

@"Oma": Ich hätte da eine Frage ... :-)

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Hallo „Oma“! Hm … ich nehme an, man duzt Dich hier, oder? Für mich ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber sei’s drum, Internetforenzeitalter halt ;-) … ich schüttel jetzt einfach jedwede Etikette ab und frage einfach: Du schriebst etwas darüber … genauer: Du hast angedeutet, welche Ideen bei Dir „damals“ und bei Deinem Sohn und Deiner Schwiegertochter „heute“ im Umgang mit Kindern zum Tragen kamen/kommen. Du machst mich neugierig. Ich würde so gerne wissen - wirklich: es ist die blanke Neugier! - wie sich „damals“ (hm, ich weiß noch nicht einmal, welchen Zeitraum das umfaßt: die 60er Jahre, 70er Jahre …?) der Alltag für Dich als Mutter gestaltete. Inwieweit Du Deine Kinder „wirklich“ im ganz konkreten alltäglichen Lebensvollzug „brauchtest“, ob Erziehungsratgeber en vogue waren, welche es waren (in der Bibliothek meiner Schwiegermutter sah ich mal zwei Bände eines „Dr. Spock“ stehen und lieh sie mir aus … :-), welchen und vor allem: wieviel Raum die Reflexion über Dein Erziehungsverhalten in Deinem konkreten Leben einnehmen konnte, ob es einen Austausch über Erziehungsideale unter Müttern gab … usw. Damit wir uns nicht falsch verstehen: ich erwarte keine Rechtfertigung und schon gar keine Verklärung. Vielleicht einfach einen ... naja Zustandsbericht (hm … geht das überhaupt?). Und sicher: mir ist wohl bewußt, daß jede Antwort (so überhaupt eine kommen möchte ;-) nicht mehr als ein Schlaglicht auf Deine (!) individuelle Situation von damals werfen kann … und trotzdem: ich würd’s soo gerne wissen … Magst Du’s erzählen? Liebe Grüße, Feelix :-)


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Hmm, ich kann dir zwar gern erzählen, wie es „damals“ war, tauge allerdings so gar nicht als Stellvertreter meiner Generation, weil ich in fast allen Bereichen gegen den Strom geschwommen bin. Also, das „damals“ war ab 1977, dem Geburtsjahr meines Sohnes und einzigen Kindes. Ich selbst bin Baujahr 1956. Vorbilder, an denen ich mich orientieren konnte, hatte ich leider keine. Meine Eltern waren Alkoholiker und taugten allenfalls als negatives Beispiel. In unserem Freundeskreis war ich die erste, die ein Baby bekam. So konnte ich mich also nur an Literatur halten. Das einzige Buch über Erziehung, das ich je gelesen habe, war „Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung – das Beispiel Summerhill“ von A.S. Neill. (Ich sehe es vor mir – sie wandte sich ab mit Grausen *ggg*). Es wird wohl kaum noch jemandem hier bekannt sein. Und der Titel ist zudem noch völlig irreführend, weil Neill selbst sein Prinzip „selbstregulative Erziehung“ nannte, niemals antiautoritäre. Es wurde nicht meine Bibel, aber ich habe doch viele Anregungen daraus mitgenommen. Andererseits habe ich schon im zarten Alter von 17 Jahren die ELTERN abonniert (ich höre gerade den kollektiven Aufschrei *grins*). Und das Abo erst gekündigt, als ich vor 4 Jahren arbeitslos wurde und fürchtete, ich könne es mir nicht mehr erlauben. Allerdings kaufe ich sie mir jetzt immer noch fast jeden Monat ;o). Tja, es begann schon mit der Geburt. Damals war man glücklich über die Möglichkeiten der PDA oder des damals noch oft angewandten Pudendusblocks. In der ELTERN hatte ich viel über die gerade aufkommende natürliche Geburt gelesen und wollte genau DAS. Entbinden ohne Schmerzmittel. Es gab allerdings im erreichbaren Umfeld nur eine einzige – anthroposophische – Klinik, 45 Min. Fahrzeit entfernt, wo dies überhaupt angeboten wurde. Also wurde mein Sohn dort geboren. Zum Entsetzen von Familie und Freunden… (Und es war toll! Etwa 1,5 Std. nach Eintreffen in der Klink war er da. Traumhaft!) Heftigste Kritik bekam ich, als ich meinen Sohn, der bis zum Alter von 18 Monaten jede Nacht bis zu 20 mal geschrien hat – und er hat nicht ein einziges Mal umsonst geschrien, ich brauch niemandem erzählen, dass ich nach 18 Monaten auf dem Zahnfleisch ging – endlich mit ins Ehebett nahm, wo er fortan störungsfrei geschlafen hat, und zwar bis etwa zur Einschulung ;o). Dann zog er auf eigenen Wunsch wieder ins Kinderzimmer um. Da mein Mann mit Kind im Bett nicht schlafen konnte, hat er sich ein Hochbett im Kinderzimmer gebaut, was eine zusätzliche Erleichterung für mich war, denn mein Mann ist Extremschnarcher und auch durch die Wand noch zu hören. Als übrigens im Alter von 9 Jahren ein Mittelohrtumor bei meinem Sohn diagnostiziert wurde, hat der HNO-Arzt auch erklären können, warum er als Säugling so extrem geschrien hat. Er hatte wohl schon sehr, sehr früh eine erste Mittelohrentzündung erlitten, die sich natürlich durch die Bettwärme immer verschlimmerte. Zwar hat die Kinderärztin bei unseren ständigen Besuchen auch immer in die Ohren geschaut und nichts erkannt, aber lt. HNO ist das bei Säuglingen nur sehr schwer zu erkennen. Na ja, jedenfalls war dann wohl irgendwann die MOE chronisch geworden – und damit die Basis für den sich daraus entwickelnden Tumor – und verlief dann nur noch schmerzlos, aber bei ihm hatte sich bis dahin die Assoziation MEIN BETT=SCHMERZEN manifestiert. Und da er Mamas Bett nicht mit Schmerzen verband, schlief er dort immer selig durch. Ich hatte übrigens auch immer schon einen organischen Grund vermutet, denn tagsüber war er das angenehmste Kind der Welt, und nachts dann diese Hölle,,, Aber was ich mir von meinem Umfeld alles anhören musste, kann sich heute glaub ich keiner mehr vorstellen. In düstersten Farben wurde mir geschildert, dass der wohl mit 30 noch in meinem Bett liegen würde, und was für Auswirkungen das auf seine Psyche hätte, und wie schnell meine Ehe daran zerbrechen würde… Wir hatten übrigens kürzlich den 32. Hochzeitstag ;o). Und erst die Sauberkeitserziehung! Weia!!! Ich habe nämlich gar keine betrieben in der festen Überzeugung, mein Sohn würde ganz von allein sauber, ohne jeden Stress. Was auch so war. Mit 3,5 Jahren hat er beschlossen, dass er jetzt keine Windel mehr braucht und war von Stund an Tag und Nacht trocken und sauber. Darüber ist sogar die jahrelange Freundschaft mit einem Ehepaar zerbrochen. Wir hatten gemeinsamen Urlaub in einem Ferienhaus auf Texel gemacht. Die damals 1,5-Jährige Tochter des Paares saß immer während des Frühstücks (!) auf einem Töpfchen, das auf einem Stuhl stand. Und dort musste sie so lange sitzen bleiben, bis sie ihr großes Geschäft erledigt hatte. Während mein Mann und ich das nicht nur unappetitlich, sondern auch eine Quälerei für die Kleine fanden, regte das andere Paar sich darüber auf, dass wir für unseren fast 3-Jährigen Sohn immer den, wie sie ihn nannten, „Pisskoffer“, also die Windeltasche dabei hatten… Die Freundschaft war leider nach dem Urlaub vorbei. Die Kleine wurde aber witzigerweise in exakt demselben Alter wie unser Sohn sauber. Aber wie viel Stress und Tränen hat sie bis dahin erleben müssen :o(. Kannst du dir vorstellen, wie entsetzt ich bin, 30 Jahre später immer noch lesen zu müssen, dass Mütter ihre kaum 2-Jährigen Kinder auf Sauberkeit drillen wollen? Und wenn ich lese, was die sich teilweise antun, indem sie dann lieber monatelang nasse und beschissene Wäsche säubern als ganz entspannt Windeln zu wechseln, solange das Kind das mag, versteh ich die Welt nicht mehr… Das Allerwichtigste in der Beziehung zu meinem Kind war aber immer der gegenseitige Respekt. Und genau das ist es, was ich heute bei so furchtbar vielen Familien vermisse. Ich sehe voller Entsetzen Eltern, die ihre heulenden Kinder gewaltsam hinter sich her zerren, vielleicht dabei noch anschreien, und im schlimmsten Fall auch noch schlagen. Und weiß dabei, dass es genau diese Eltern sind, die sich in ein paar Jahren über den mangelnden Respekt ihrer Kinder beschweren… Ja, woher und von wem in Gottes Namen sollen diese armen Geschöpfe denn Respekt lernen? Natürlich hat auch mein wirklich pflegeleichtes Kind mich fuchsteufelswild machen können, wenn das Kinderzimmer mal wieder aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Dann konnte es auch passieren, dass ich Türen geschlagen oder ihn angeschrien habe. Aber sobald ich mich abgeregt habe, bin ich zu ihm gegangen und habe mich dafür entschuldigt, dass ich mich nicht beherrscht habe. Mein Sohn ist tatsächlich ohne Schläge aufgewachsen. Vor zwei Monaten war das mal Thema im Aktuellen Forum. Da habe ich geschrieben, dass weder mein Sohn noch meine Enkel je geschlagen wurden und dass ich Trotzanfälle und Ausraster, wie die Mütter es dort beschrieben, überhaupt nie kennen gelernt habe. Tja, ich wurde als Lügnerin bezeichnet. Das gäbe es nicht, dass Kinder nie ausflippten, und ich würde mir die Vergangenheit schönreden. Was mich aber am allermeisten geschockt hat war diese Reaktion (von einer ansonsten von mir sehr geschätzten Userin): ………………………………………………………… „Betreff: Es gibt wirklich Kinder, die nie ausflippen.. ...allerdings sind diese lethargischen Langweiler für mich potentielle Massenmörder. Mir sind schon Erwachsene suspekt, die nichts aus der Ruhe bringen kann, aber bei Kindern??? Hätte ich so ein Kind würde ich es vermutlich auf Authismus untersuchen lassen.“ ………………………………………… Was soll ich dazu noch sagen? Mein lethargischer Langeweiler und potentieller Massenmörder ist heute ein erfolgreicher Ingenieur, glücklich verheiratet, ein unglaublich liebevoller und zärtlicher Vater, der sich weder vor Windelwechseln noch vor dem Insbettbringen je gedrückt hätte. Er gehört zu den Menschen, die mit ihrer Präsenz auch den größten Raum füllen, sobald sie ihn betreten. Und das liegt nicht an seiner Körpergröße von 2 m ;o). Obwohl er leise spricht, hört ihm jeder zu. Er war immer sowohl bei Mitschülern als auch bei Lehrern sehr beliebt und hat einen großen Freundeskreis. Ich kenne niemanden mit mehr Zivilcourage und sozialer Kompetenz als meinen Sohn. Ist es nicht das, was sich jede Mutter wünscht, was aus ihrem Kind werden soll? Ja, wir haben sicherlich Glück, dass mein Sohn und seine Kinder so pflegeleicht sind (war ich übrigens den Erzählungen nach ebenso, während meine Schwester ein schwer zu bändigender Wildfang war). Aber ich glaube, dass auch die Erziehung eine Rolle dabei spielt, ob ein pflegeleicht geborenes Kind auch pflegeleicht bleibt. Wie ich geschrieben hatte: Ich glaube, dass meine Enkelkinder sich zuhause nicht behaupten müssen. Sie werden von ihren Eltern absolut ernst genommen. Sie haben nie Gewalt erlebt, und nicht eine Sekunde ihres Lebens wurde ihnen das Gefühl gegeben, dass sie nerven. Wenn meine Schwiegertochter kocht oder putzt, sind die Kinder, wann immer sie wollen, eingebunden. Sie durften schon sehr, sehr früh allein essen, egal, wie groß die Schweinerei dabei war. Sobald sie laufen konnten, haben sie geholfen, beim Tischdecken, beim Spülmaschineausräumen, beim Putzen, sie haben nie gestört. Ich finde das sooo wichtig! Sie haben nie erlebt, dass sie von einem von uns nicht beachtet werden. Und genau deshalb haben sie keine Probleme, mal ein paar Minuten zu warten, wenn wir uns gerade in einem Gespräch befinden, weil sie die Gewissheit haben, dass wir uns danach voll und ganz ihnen zuwenden. Die Kinder werden im Februar 5 und im April 4. Sie sind an einem Nachmittag in der Woche bei uns. Kannst du dir vorstellen, dass die beiden sich hier noch nie gestritten haben? (Und nach Aussage der Eltern auch zuhause nur sehr selten). Ich kenne sie nur weinend, wenn sie sich weh getan haben. Wenn einer ein Spielzeug will, mit dem gerade der andere spielt, verhandeln sie darüber ;o). Sie bieten z.B. einen Tausch an. Aber es gibt noch nicht mal dann Krach, wenn der eine das Spielzeug gerade nicht abgeben will. Dann trollt sich der andere, und Minuten später kommt der erste, reicht dem zweiten das Spielzeug und sagt: „Bitte, jetzt kannst du es haben.“ Wobei ich ehrlich gesagt glaube, auf Geschwisterliebe haben wir keinen Einfluss. Die beiden lieben sich von Anfang an ohne Ende und stapfen Hand in Hand wie Hänsel und Gretel durchs Leben ;o). Und dann gibt es Geschwister wie meine Schwester und mich, die ihr Leben lang nichts miteinander anzufangen wissen. Reine Glücksache, glaube ich. Es passt oder es passt nicht. Ich habe manchmal das Gefühl, Kinder heute haben nur noch zu „funktionieren“. Sie haben Leistung zu bringen. Schon im Kindergartenalter mehrere „Termine“ pro Woche, natürlich alle zum Wohle des Kindes, Förderung eben in allen Bereichen. Die Kinder kommen kaum mal zur Ruhe. Und ist die Familie mal zu Hause, laufen Radio, Stereoanlage oder Fernseher. Für mich ist diese ständige Beschäftigung und Berieselung einer der größten Fehler in der heutigen Erziehung. Kinder dürfen sich nicht mehr langweilen. Und so wundert es mich nicht, wenn eine Menge Kinder anscheinend nur zu sehr lautstarker Kommunikation fähig zu sein scheinen. Mein Sohn hatte fast gar keine Kontakte zu anderen Kindern, bis er mit 2,5 Jahren in den Kindergarten kam. (Da habe ich wieder zu arbeiten angefangen. Halbtags. Und der Kindergarten war gegenüber des Büros.) Es gab halt im Familien- und Freundeskreis keine kleinen Kindern, mit denen er hätte spielen können. Und Krabbelgruppen sind absolut nichts für mich, ich bin ein Einzelgänger und nicht gern mit Fremden zusammen. Dementsprechend gab es natürlich auch kaum Mütter, mit denen ich mich hätte austauschen können. Rückblickend kann ich aber sagen, dass ihm diese fehlenden Kontakte anscheinend auch nicht geschadet haben. Er hatte nie Probleme, sich im Kindergarten oder in der Schule zu integrieren. Vielleicht sehe ich deshalb das Rundumprogramm der jungen Mütter heute etwas skeptisch. Was fällt mir sonst noch ein? Ja, ein Schwerpunkt war bei uns immer das Vorlesen/Lesen. Ich bin selbst ein Bücherwurm und hab immer gern Kindern vorgelesen. Für meine Enkelmäuse habe ich schon mehr als 100 Bücher, und sie lieben es genauso wie früher mein Sohn, wenn ich ihnen stundenlang vorlese. Natürlich gibt es auch Dinge, die ich heute anders machen würde. Ich habe z.B. meinen Sohn vom 2. Schuljahr an die alleinige Verantwortung für seine Hausaufgaben übertragen. Wir haben uns ständig gezankt, wenn ich dabei saß. Und deshalb sagte ich der Lehrerin am Ende des 1. Schuljahres, dass ich mich da künftig ausklinke, weil mir das gute Verhältnis zu meinem Kind wichtiger ist als gute Zensuren. (Ich hatte da allerdings gut reden, er war immer gut in der Schule…). Na ja, und die Lehrerein meinte, das sei ja auch Sinn des Ganzen, dass die Kinder ihre HA allein erledigen, weil nur so die Lehrer überblicken könnten, ob die Kinder den Lehrstoff begriffen haben. Und JAHRE später im Gymnasium habe ich bei einem Elternabend erfahren, dass mein Sohn der EINZIGE war, der seine Hausaufgaben allein machte. Und das seit Jahren! Im Grunde bin ich auch heute noch der Überzeugung, mir ist ein glücklicher Müllmann lieber als ein unglücklicher Akademiker. (Und habe ja zum Glück einen glücklichen Akadamiker *ggg*), denke aber, dass mein Sohn schon einen Nachteil hatte und ich es mir da wohl zu leicht gemacht habe. Oh, da fällt mir noch was ganz Wichtiges ein: Ich bin ein sehr konsequenter Mensch. Mein Sohn hatte nur sehr wenige Geb- und Verbote, an die er sich halten musste. Aber auf deren Einhaltung habe ich tatsächlich bestanden, und es hat ganz hervorragend funktioniert. Ich bin der Meinung, je weniger ich verbiete, desto einfacher ist es für das Kind, die Verbote zu befolgen. Man macht sich ja auch selbst das Leben leichter, wenn man z.B. von vornherein die Wohnung so kindersicher macht, dass vielleicht nur noch die Blumen und die Stereoanlage geschützt werden müssen. Das akzeptieren die Kinder dann auch sehr gut, wenn sie ansonsten größtenteils „freie Bahn“ haben. Auch z.B. „ihre“ Schubladen an jedem Schrank, den sie nach Lust und Laune ein- und ausräumen dürfen. Oder ich habe z.B. sehr früh damit angefangen, meinem Sohn morgens 2 Hosen und 3 Pullis zur Auswahl vorzulegen. Das macht keine Arbeit, und Sohnemann kam nie in die Verlegenheit, sich das Recht auf freie Auswahl erst lautstark erkämpfen zu müssen. „Ich-will-das-haben“-Attacken habe ich eine einzige beim Einkaufen erlebt, war durch ELTERN gut darauf vorbereitet, hab es straight durchgezogen und nie wieder Probleme damit gehabt. Mein Mann hat das Prinzip nie begriffen. Er wird sehr schnell laut (und ungerecht) und hat auch immer irgendwelche unsinnigen Strafmaßnahmen verkündet, die er dann natürlich nie durchgezogen hat. Dementsprechend hat unser Sohn ihn auch nicht wirklich ernst genommen. Ich dagegen habe nur selten Strafen angedroht. Wenn, dann waren sie aber überlegt und er wusste, das ich es definitiv durchziehen werden. Beispiel: „Alles, was um 15.00Uhr noch auf dem Boden rumfliegt, wandert in den Müll.“ Er hat es nie drauf ankommen lassen ;o). Ich erinnere mich an eine Situation, als er 16 Jahre alt war. Er hatte einen Treckerführerschein gemacht und mein Mann hat ihm einen Unimog gekauft. (Eine echte Gesetzeslücke, dass 16-Jährige mit einem solchen Ungetüm am Straßenverkehr teilnehmen dürfen *grmpf*). Irgendwann wollte er sich einen riesigen Tieflader dranhängen und mehr als 50km damit fahren, um irgendein Baugerät damit abzuholen. Mein Mann hat den ganzen Tag auf ihn eingeredet wie auf ein krankes Pferd, um ihn davon abzubringen, und sogar damit gedroht, ihm den Unimog wegzunehmen. Vergeblich, Sohn blieb stur. Am späten Nachmittag kam ich dazu und fragte, worum es ging. Als ich aufgeklärt war, habe ich nur gesagt: „Das kommt überhaupt nicht in Frage, weil es für dich und alle anderen Verkehrsteilnehmer zu gefährlich ist. Und ich werde mit dir nicht darüber diskutieren.“ Und er akzeptierte das. Grummelnd, aber immerhin. Ich sehe immer noch das fassungslose Gesicht meines Mannes ;o). Die Pubertät sowieso - *seufz*. War auch bei uns nicht einfach. Aber im Endeffekt haben wir uns wunderbar gegenseitig abnabeln können. Mit 18 ist er ausgezogen – ein Stockwerk tiefer. Aber tatsächlich bis auf die Wäsche voll allein verantwortlich. Er hat mit 22 geheiratet und mit 25 das erste Kind bekommen, 14 Monate später das zweite. Alles während des Studiums. War tagsüber an der Uni, nachts Geschäftsführer in einer Disco und hat sich in jeder freien Minute um seine Kinder gekümmert. Ich bin soooo stolz auf ihn! So, ich glaube, das reicht. Nun hab ich mich ausreichend gerächt für deine ellenlange Postings, die ich gern lese, aber nur teilweise verstehe ;o). LG Marion, die übrigens ein großer Fan von Dr. Posth ist PS: Und hier noch, weil es so gut paßt, die wunderschöne Rede von Astrid Lindgren, die sie 1978 anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels gehalten hat. Ich habe einen Teil davon vorgestern im Oma.Forum zitiert, und witzigerweise hatte eine andere Userin fast gleichzeitig den Link zur kompletten Rede im Aktuell eingestellt. http://www.zeit.de/reden/die_historische_rede/friedenspreis_lindgren?page=all


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Liebe "Oma"! Vielen lieben Dank für Deine ausführliche Rückschau mit zahlreichen Bezügen zu "heute". Ich werde mir die Zeit nehmen (die ich im Moment leider nicht habe), sie (mindestens ;-) noch einmal auf Zusammenhänge zu all den Dingen, die mich zur Zeit bewegen, hin zu lesen. Mal sehen, vielleicht (wenn Du magst) bleiben wir ja noch ein wenig im Gespräch ... ;-) Liebe Grüße, Feelix


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Dein Username passt so gut finde ich. Du klingst wie eine richtige Oma und jedes Enkelkind ist sicherlich stolz auf dich! Ich klinke mich mal bei euch ein. Auch ich lese meist so lange Mails nicht ganz, aber deines war ein Genuss!!! Viel erinnerte mich an meine Ma (BJ 42). Ich bin so Stolz auf sie, auch sie schwamm meist gegen den Strom. Klasse deine Art, bleibe so wie du bist!!!!


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Klar kenne ich A.S. Neill. steht bei meinen Eltern und habe ich sehr genau gelesen :-)


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Und hat es deine Eltern oder dich beeinflusst?


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ich bin doch noch deutlich älter als dein Sohn und auch nicht das erste Kind meiner Eltern, aber wir wurden völlig ohne Schläge oder Gewalt erzogen. Gebrüllt hat meine Mutter mal, aber das war irgendwie anders, da merkten wir einfach, jetzt sind wir zu weit gegangen, jetzt kann sie nicht mehr. Kam aber ganz selten vor. In der Großfamilie mussten wir uns allerdings immer auch nach anderen richten, mit "jeder macht sein Ding" wären wir ein Tollhaus geworden. Insofern waren meine Eltern sehr autoritär, aber nicht ungerecht undl niemals respektlos. Woran ich mich heute am liebsten erinnere, sind die Situationen, in denen wir verbal verteidigt wruden. Bei mir war das z.B. "meine Tochter muss nicht mehr essen, sie lebt von Luft und Liebe und es ist alleine ihre Sache wie viel sie isst" (ich war ein spirredünner Suppenkasper und es fand sich immer jemand, der fand, jetzt müsse ich aber wirklich mal "richtig" essen). Oder wenn jemand sagte "ach stell Dich nicht so an", so war sie es die sagte "das Kind stellt sich nicth an, das Kind hat Kummer, merken Sie das gar nicht" und sie war dann so präsent, dass niemand was dagegen zu sagen traute. Wunderbar so starke Eltern :-) In der Pubertät verschiebt sich das Bild dann doch ein bisschen und heute sehe ich vieles anders, aber uns gings ganz gut. Übrigens weitgehend OHNE Fernsehen oder gar anderem Unsinn, ohne den man angeblich heute überhaupt nicht mehr auskommt, weil die armen Kinderlein völlig weltfremd erzogen werden. Aktuell-Forum: Ich kann mir gut denken, von wem der beitrag des Massenmörders kam. Grauenvoll! Und wer mit der Einstellung "ich hau mein Kind nicht, wir gucken kein Fern, wir haben kein fern" postet, ist sowieso völlig unglaubwürdig. Grüßle Tina


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Bestimmt hat es uns beeinflusst, oh ja. Ich habe es so in der Spätpubertät gelesen und es hat mich sehr beeindruckt. Ich habe mit meiner Mutter auch darüber diskutiert, viel diskutiert. So etwas beeinflusst immre, frag mich nicht nach dem "Wie" :-)


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Oh ja, ich erkenne mich in deinen Eltern! Dieses bedingungslose hinter-dem-Kind-Stehen war die Basis für das Vertrauen zwischen meinem Sohn und mir. Ich habe ihm schon sehr früh klar gemacht: Solange du ehrlich zu mir bist, werde ich immer neben und hinter die stehen, egal was du tust. Ich bin eigentlich ziemlich schüchtern und krieg den Mund nicht auf, wenn es um eigene Belange geht. Wenn es aber um mein Kind ging, kannte ich mich selbst nicht wieder. Ich weiß noch, wie wir einmal bei einem HNO-Arzt im Behandlungszimmer eine Auseinandersetzung mit dem Arzt hatten. Erst wollte der nicht, dass ich neben dem Behandlungsstuhl stehe, was ich aber ignoriert habe. Dann wollte er mit einem Riesengerät ohne jede Erklärung meinem Sohn in die Nase. Der hielt (mit 6!) mit eisernem Griff die Hand des Arztes fest und erklärte, dass dieses Ding nicht eher in seine Nase käme, bis er wüsste, was das ist und was er damit machen will. Als der Arzt sich dazu nicht herablassen konnte, nahm ich meinen Sohn und ging. Kurz darauf sollte er zum ersten Mal operiert werden. Für mich stand fest, dass ich mich mit aufnehmen lasse im KH. Das war damals ein absolutes Novum, das gab es einfach nicht. Teilweise konnte man damals die Kinder nur zu festgelegten Zeiten besuchen. Also war es sehr schwierig, überhaupt eine Klinik zu finden, die uns das ermöglichte. Als ich den Arzt um die Einweisung bat und meinen Wunsch schilderte, schaute er mich ungläubig an und fragte, wozu das gut sein solle. Er würde seit 30 Jahren Kinder operieren und hätte noch nie gehört, dass Kinder einen Schaden nehmen, wenn sie allein im KH bleiben. Da hab ich ihm gesagt: „Traurig, dass Sie in 30Jahren Arbeit mit ihnen noch nichts über Kinder gelernt haben. Und wenn sie mal wissen wollen, was mit der kindlichen Psyche passiert, nachdem sie allein im KH waren, dann sollten sie die Mütter mal ein halbes Jahr nach dem KH-Aufenthalt zu sich bestellen und nachfragen, wie das Kind sich verändert hat. Ich kann einem Arzt nur die Verantwortung für die physische Gesundheit meines Kindes übertragen. Die Verantwortung für seine psychische Gesundheit ist und bleibt bei mir.“ Er hat sich dann zum Schein darauf eingelassen und so getan, als gäbe es in der Klinik, wo er Belegbetten hatte, die Möglichkeit, mich auch aufzunehmen. War natürlich nicht so. Da hab ich ihm wutentbrannt seine Einweisung auf den Tisch geknallt und gefragt, was das soll. Er könne seinen Schein behalten, ich würde mir einen anderen Arzt suchen. Er grinste nur, die Krankenkasse würde nicht bewilligen, dass ich eine zweite Einweisung bekomme. Aber da hat er sich geirrt. Der KK bleib nichts anderes übrig, nachdem ich persönlich dort vorsprach ;o). Vor seiner 2. OP sollte er, da bei der 1. Der Beruhigungssaft nicht gewirkt hatte, eine Spritze zum Einschlafen bekommen. Es kamen mehrere Schwestern gleichzeitig in unser Zimmer, und als ich fragte, was der Auflauf soll, sagte man mir, eine Schwester würde die sehr schmerzhafte Spritze setzen, und die anderen würden ihn FESTHALTEN! Da bin ich fast ausgerastet. Ich hab gesagt, niemand hält mein Kind gegen seinen Willen fest! Dann hab ich ganz ruhig mit meinem Sohn gesprochen, ihm erklärt, dass die Spritze sehr weh tun wird, aber nötig ist, und dass es weniger weh tut, wenn er ganz stille hält und möglichst entspannt bleibt. Und dass er meine Hand ganz fest drücken darf. Genau so haben wir es gemacht. Er hat das Gesicht verzogen und meine Hand fast zerquetscht, aber er hat absolut still gehalten! Ach ja – er ist trotzdem hellwach in den OP gekommen. Bei dem wirkt einfach nichts *muff*. Und 3 Jahre später hat er sich das Schlüsselbein gebrochen. Es gab 2 Möglichkeiten: OP oder 3 Monate Rucksackverband. Ich wollte keine weitere OP, wusste aber, dass 3 Monate Rucksackverband im Sommer auch kein Honigschlecken war. Nach kurzem Nachdenken habe ich meinem damals 12-Jährigen Sohn die Entscheidung überlassen, die dann OP hieß. Die anwesenden Ärzte haben mich ziemlich beschimpft, es wäre unverantwortlich, diese Entscheidung einem Kind zu überlassen. Ich hab nur gesagt, Sie kennen mein Kind nicht. Ich schon… Diese Gewissheit, dass ich meinem Kind so viel zutrauen konnte, habe ich ganz sicher Neill zu verdanken. Worüber ich mir aber nicht im Klaren bin ist, ob man eigentlich in der Erziehung überhaupt irgendwas verallgemeinern kann. Die Art und Weise, wie ich meinen Sohn erzogen habe, war die richtige für ihn und mich. Aber jede Familie ist anders, jedes Kind ist anders. Wäre ein anderes Kind nicht vielleicht heillos überfordert gewesen? Wäre ich bei einem temperamentvolleren Kind vielleicht kläglich gescheitert? Deshalb interessiere ich mich auch so lange Zeit nach meiner aktiven Erziehungszeit immer noch für dieses Thema. Wenn übrigens mein Mann in meiner Erzählung praktisch keine Erwähnung findet liegt das daran, dass er ein miserabler Vater war, der sich eigentlich völlig aus der Verantwortung geschlichen hat. Die wenigen Erziehungsversuche seinerseits waren eher kontraproduktiv. Im Prinzip war ich allein erziehend. Für unsere beiden Enkelkinder ist er allerdings ein zauberhafter Opa, der sich sogar an den Tagen, wo ich die Kinder mittags vom Kindergarten abhole, ab 1.00 Uhr frei nimmt, um mit uns essen zu können und dann den Nachmittag mit uns zu verbringen. Und endlich ist ihm auch klar geworden, um was er sich und unseren Sohn gebracht hat. Er hat sich für sein Versagen aufrichtig bei unserem Sohn entschuldigt.