Mitglied inaktiv
Ich kopiere hier mal einen Text ein, den ich heute Morgen zum Thema gelesen habe und der einen ganz guten Überblick über verschiedene Demokratien und Diktaturen im Umgang mit der Pandemie gibt. So viel sei schon mal verraten: Die funktionierenden Demokratien kommen dabei ziemlich gut weg, und sogar Brasilien taucht in der Aufzählung auf.
"Demokratie gewinnt?!
Ich muss mal etwas loswerden, was mir persönlich sehr wichtig ist. Im Zuge der Coronakrise beginnt immer mehr das Narrativ an Zulauf, dass Demokratien irgendwie zu "behäbig", "korrupt" und "gestrig" seien, um eine Bedrohung wie Corona abzuwehren.
Ich glaube viele merken gar nicht wie sehr die Zange aus Querdenkern auf der einen (die noch jede sinnvolle Maßnahme abschaffen wollen) und Team ultraharter Lockdown auf der anderen (die noch jede Freiheit abschaffen wollen) letztlich gefährliche Narrative fördert.
Auch ich hab häufig und hart gerade deutsche Bequemlichkeit, Verschnarchtheit und Überheblichkeit kritisiert - daher ist es mir umso wichtiger das hier mal zu schreiben.
Eine Demokratie ist IMMER eine Aushandlung. Das ist per se zwangsläufig langsamer und wirkt erst einmal chaotischer. Aber die Frage ist: Führt es auch zu schlechteren Ergebnissen?
Es gibt ein Land, das wurde von der ersten Welle völlig überrollt. Hat dann aber eine Welle der Solidarität erfahren und ab da die Coronakrise und Impfkampagne so professionell und abgeklärt und erstaunlich ruhig gemanaged, dass der Norden neidisch wurde. Italien. Demokratie.
Es gibt ein Land, das den Anfang fast perfekt hinbekommen hat, dann einmal zu langsam war, völlig überrollt wurde - das aber in einem eindrucksvollen Akt der Gemeinsamkeit und der (europäischen) Solidarität überstanden hat. Danach perfekt durchorganisierte Impfkampagne und geplante Lockdowns. Portugal. Demokratie.
Es gibt ein Land, das den Arzt, der Corona entdeckt hat, erst einmal eingesperrt hat. Der Arzt ist später gestorben, man hat dann einen von der Welt bewunderten Lockdown hingelegt. Der aber zu spät kam, weil man ja erstmal den Arzt einsperren musste, um nicht das Gesicht zu verlieren. Dann hat man das Land in ein Freiluftgefängnis verwandelt und aus Nationalismus weitgehend wirkungslose Impfstoffe verimpft, obwohl viel bessere zur Verfügung standen. Jetzt ist man gefangen im immer härterer Überwachung, weil man ohne ordentliche Impfung nie mehr rauskommt. China. Diktatur.
Es gibt ein Land, das sofort dichtgemacht hat, in kollektiver Anstrengung jedes Aufflackern von Corona besiegt hat, Impfstoffe erst einmal an andere Länder gespendet hat aber schließlich noch rechtzeitig eine gründliche Impfkampagne hinbekommen hat. Ein Land, das übrigens trotzdem gezweifelt hat, obwohl vom Rest der Welt bewundert. Neuseeland. Demokratie.
Es gibt ein Land, in dem gab es erst kein Corona, nur sehr viele Lungenentzündungen. Dann gab es irgendwann Corona und einen eigenen Impfstoff. Dem aber die eigene Bevölkerung nicht vertraut, weil sie ihrer Regierung und ihren Fehlinformationen nicht vertraut. Deshalb ist die Impfquote bis heute zu niedrig, Corona rast immer wieder durchs Land, aber die Zahlen sind niedrig, weil frei erfunden. Und der Diktator? Lenkt mit Säbelrasseln ab und wenn man zu ihm will muss man durch Quarantäne und diverse Desinfektionsduschen. Rußland. Diktatur.
Es gibt ein Land, da ist Corona das geringste Problem der leidenden Bevölkerung. Nordkorea. Diktatur.
Es gibt ein Land, da hat der wahnsinnige Nazi-Präsident Corona zum Grippchen erklärt, obwohl er selber schwer erkrankte (siehe "Schimmel in der Lunge") aber kluge Gouverneure und Lokalpolitikerinnen konnten das Schlimmste verhindern und eine hohe Impfquote erreichen. Brasilien. Erodierte Demokratie.
Es gibt ein Land, das hat die Ausbreitung von Corona ohne Gefährdung der Demokratie bis auf einen kleinen Moment jederzeit fast perfekt verhindert. War dann bei den Impfstoffen zu spät dran, hat inzwischen aber auch eine gute Impfquote. Taiwan. Demokratie.
Es gibt ein Land, da gab es nie Corona. Belarus. Diktatur.
Es gibt ein Land, das die Wellen durch vorausschauenden Impfen zuverlässig gebrochen hat. Israel. Demokratie.
Und es gibt ein Land, das als erstes einen gut wirksamen Impfstoff entwickelt hat und den ersten Lockdown fast mustergültig hinbekommen hat. Das dann aber immer mehr mit sich und dem Föderalismus gerungen hat. Vieles verpennt hat, aber doch hunderttausenden Menschen das Leben gerettet hat. Erst zu langsam mit dem Impfen war, aber doch jetzt beim Boostern ganz vorne ist. Deutschland. Demokratie.
Schaut ruhig weiter um die Welt. Ihr werdet merken: Diktaturen lösen Probleme selten zum Besten Aller. Oder sie "lösen" Probleme zu Kosten z.B. bei der Freiheit, die viel zu hoch sind.
Demokratische Aushandlungsprozesse sind manchmal nervig, langsam und zäh und am Ende kriegt niemand so ganz was er oder sie will. Wir müssen dringen Fake-News und Verschwörungsschwurbelei besser bekämpfen (die nicht zuletzt auch von Rußland gezielt gefördert werden) und es ist für alle unbefriedigend wenn der eine nicht seine Freiheit bekommt und die andere nicht ihren völligen Lockdown.
Aber in der Gesamtschau bleibt Demokratie eine verdammt gute Idee. Bitte denkt daran, wenn der Ärger mal wieder hochkocht. Denn dass ihr diesen Ärger äußern könnt, dass ihr gehört werdet und euch organisieren KÖNNT. Das alles ist Demokratie."
Quelle: https://www.facebook.com/captainfutura/
Gar nicht mal so übel. So sehe ich es auch. Aber: ich sehe es so, weil es meine Auffassung bestätigt. Für mich sind das weitestgehend auch Fakten. Da wir aber leider in einer postfaktischen Welt leben, wird das einige nicht interessieren, da sie sich ihre eigenen Fakten zurechtgelegt haben.
Gut geschrieben! Was ist mit Schweden? Und leider wird immer nur corona gesehen! Existenzen die zerstört wurden, Menschen die einsam gestorben sind, psychische Belastungen, Bildungslücken,.... viel auf Rücken der Akten und Kinder. Ein zerreißen der Sandwichgeneration (Pflege der Eltern, Kinder betreuen/ beschulen, Job).. Da wird mit viel zu wenig hin geguckt. Bez. Scheint egal.
Dana, allein in den USA haben 140000 Kinder ein Elternteil verloren. Das ist das eigentliche Drama an der Geschichte.
Ich glaube in Schweden ist eine ganze Generation Großeltern weggestorben. Ja, es wird immer nur Corona gesehen, weil die fortgesetzte Pandemie dafür verantwortlich ist. Inklusive der Ignoranz mancher.
Schweden zieht gerade auch die Maßnahmen an und hat jetzt Querdenker-Demos. Zu dem, was Du sonst schreibst: Ja, das sehe ich ähnlich. Aber was die Alternative ist, kann man in einigen Ländern beobachten. Da sterben die Leute zu Hause im Bett und auf der Straße an Corona, weil das Gesundheitssystem zusammen gebrochen ist. In England standen vor einer Weile Krankenwagen stundenlang in Schlangen vor Krankenhäusern und die Patienten starben, bevor sie das rettende Krankenhaus erreichten. In Schweden hat man Menschen aus Alten- und Pflegeheimen nicht ins Krankenhaus gebracht, sondern einfach sterben lassen. Unter anderem deswegen haben die viele höhere Todeszahlen als Finnland und Norwegen. Wollen wir das auch? Das würde viel mehr Tote bedeutet, darunter auch Eltern und Großeltern. Belastet das Kinder weniger als Schulschließungen? Weiß jemand, ob Kinder durch Corona nicht doch Organschäden erleiden, die erst in 10, 20 Jahren sichtbar werden? Man dachte auch lange, die Masern oder andere Virusinfekte seien harmlos, wenn man damit durch ist. Man muss außerdem ganz klar sagen, dass die Bildungsverlierer durch Corona, zumindest an weiterführenden Schulen, mit wenigen Ausnahmen, schon vorher Bildungsverlierer waren. Das hat nur vorher keinen interessiert. In den Klassen unserer Kinder (Gymnasium) beobachte ich kein ausgeprägtes Defizit durch Corona. Das ist nur in manchen Fächern überhaupt sichtbar und da ist es nicht schlimmer, als bei den schlechten Lehrern, die zu normalen Zeiten ihr Pensum nicht schaffen. Die Generation "Popokarte" sind wir mit und ohne Corona, weil nicht anerkannt wird, dass Kinder nicht am besten möglichst viel fremdbetreut aufwachsen, sondern dass Eltern, die Zeit haben und sich kümmern können, wichtig für die psychische Gesundheit und auch für die Bildung von Kindern sind . Unser Sohn wäre mit zwei Vollzeit arbeitenden Eltern Bildungsverlierer, weil er leichtes ADS hat. Aber nicht einmal in der Form kann das eine Fremdbetreuung abfangen. Dass die Pflege von alten Angehörigen keine Kleinigkeit nebenbei ist, wird genauso wenig anerkannt. Der Staat meint, dass satt und sauber reicht. Mehr tun viele Heime ja auch nicht, die Otto-Normalverbraucher sich leisten kann. Wenn die Politiker da später ebenfalls landen würden, würden die das anders sehen.
Schweden hat nur eine etwas höhere Sterberate an Corona als wir. Was ist mit den Schäden, die der Lockdown bei uns angerichtet hat, dazu gehören auch die Selbstmorde, die natürlich bei den coronabedingten Sterbefällen bei uns nicht mitgerechnet werden. Wenn ich da nur an die frühere Schule meiner Tochter denke! Die massiven psychischen Probleme, die noch lange fortwirken werden, wenn wir sie überhaupt noch einmal beheben können. Von den wirtschaftlichen Problemen will ich erst gar nicht schreiben. Ist das alles nichts? Anders Tegnell hat einmal gesagt: "Abgerechnet wird zum Schluss!" Vielleicht steht Schweden dann sogar besser da als wir.
Danke für den Text. Er beschreibt die Lage bis zu einem bestimmen Punkt der Pandemie ganz gut. Seitdem Mitte des letzten Jahres und spätestens im Oktober/November ist aber meiner Meinung nach die Lage gekippt, was meine Einschätzung der demokratischen Prinzipien und ihres Beitrags zur Pandemiebekämpfung verändert. Demokratien funktionieren eben nicht nur über Aushandlungsprozesse in einem Prozess der politischen Entscheidungsfindung. Das klappt zwar bei politisch etablierten Themen wie Einkommensgerechtigkeit, Umweltschutz o.ä, ganz gut, wo man den Parteien ein gewisses politisches Profil zuschreiben kann und zumindest in den ganz groben Zügen weiß, was man zu diesen Themen erwarten kann, wenn man sie wählt. Beim Thema "Pandemiebekämpfung" gehen aber die Fronten quer durch viele Parteien und z.B. in der Union, bei der SPD und den Grünen finden sich gleichzeitig sehr konträre Meinungen. Während für einen lockeren Corona-Kurs gleich zwei Parteien zur Auswahl standen und stehen, gibt es keine Partei, die man wählen konnte und kann, wenn man sich ein strikteres C-Regime wünscht. Diese Querlage der C-Meinungen zu den Grenzen der klassischen Parteienlandschaft führt m.E. dazu, dass in Bezug auf Entscheidungen zu diesem Thema der Populismus überhand gewinnt und die Politiker versuchen abzuschätzen, womit sie wohl am meisten Wähler auf ihre Seite ziehen. Söder z.B. hat in in Bayern die Wahl gewonnen bevor es C. gab. Gewählt wurde er wegen der CSU-Positionen zu andern Themen. Um halbwegs demokratisch zu agieren, müsste die Regierung also bezüglich C. die Meinungsverteilung so abfragen bzw. eruieren, dass nicht nur die in den Medien präsentesten bemerkt werden. Sonst werden leicht Positionen übersehen, die keine gezielte Medienpropaganda betreiben (können), z.B. diejenigen, die sich stärkere Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung wünschen. Sie werden übersehen, weil sie nicht so laut sind und - anders als die Querdenker - keine finanziell reichlich unterstützte Lobbyarbeits-Zusammenrottung mit Produktion medienwirksamer Bilder betreiben. Das wird z.B. deutlich, wenn Politiker wie Söder (vor ein paar Tagen geschehen) verkünden, man müsse jetzt Lockerungsperspektiven bieten, weil die Politik ja ein Auge drauf haben müsse, die ganze Gesellschaft mitzunehmen. Mit solchen Aussagen übersieht Söder aber beim Thema Pandemiebekämpfung einen nach meiner Einschätzung inzwischen mindestens ebenso großen Teil der Gesellschaft wie die Querdenker-Bewegung schlicht und einfach komplett bzw. erklärt ihn als nicht-existent. Auch die Medien berichten wenig über diese Meinungsfacette, obwohl ja in den wenigen (schlechten) Umfragen zu einschlägigen Themen nicht so wenige einen solchen Standpunkt vertreten haben. Ich kenne inzwischen einige, die z.B. wegen der Präsenzpflicht in der Schule (die hier in Bayern pikanterweise nach Ausheben zweier esoterischer Ersatzschulen wieder strikt eingeführt wurde), mit diesem Staat abgeschlossen haben. Nicht weil ihre Meinung in einem Prozess der politischen Entscheidungsfindung zugunsten einer Mehrheit nicht zum Tragen kam, sondern weil ihre Meinung schlichtweg nicht als existente und erlaubte Meinung zur Kenntnis genommen wird. Das soll jetzt keine Kritik an Demokratien und ihren Grundprinzipien oder ein Hoch auf die Pandemiebekämpfung der Diktaturen sein. Aber ich glaube nach allem, was in den letzten zwei Jahren passiert ist, dass unsere auf einem Parteiensystem fußende Demokratie bezüglich neuerer Themen, die sich noch nicht in der Parteienlandschaft niedergeschlagen haben, nicht in allen Aspekten besonders demokratisch funktioniert.
Auch oder vielleicjt gerade die Demokratie ist kein Wunschkonzert.
Darum geht es doch nicht. Aber wenn man bei verschiedenen Meinungen zu einem Thema, das im Wahlprogramm (noch) keine Rolle gespielt hat, eine demokratisch fundierte Entscheidung treffen will, dann muss man sich ja erst mal die vorhandenen Meinungen anschauen, sie zur Kenntnis nehmen und nicht nur ein vages Gefühl der vorherrschenden Meinungen als Grundlage nehmen.
Leider nimmt die Pandemie da wenig Rücksicht. Die Forschungslage verändert sich, die Pandemie verändert sich. Wie soll man da einen breiten Konsens schaffen oder das ggf in ein Wahlprogramm aufnehmen? Mir wäre weniger Rumgeiere, sondern klare Ansage an der Stelle wichtig. Und ich glaube, die Leute müssen endlich mal verstehen (wollen), dass die Lage eine dynamische ist und keine feste unveränderlich Situation.
Abgesehen davon, dass wir eine repräsentative Demokratie haben ... Wie soll denn das von Dir Geforderte praktisch funktionieren? Dann kämen wir ja nie auf einen grünen Zweig ... Das gehört auch zur Demokratie dazu, dass man sich halt selbst Gehör verschafft, seine Wahlkreisabgeordneten anschreibt, Demos organisiert und was es da sonst noch so Möglichkeiten gibt, wenn einem etwas wichtig ist und ja, wer da laut und schrill auftritt, ist im Vorteil, wobei eigentlich IMMER auch zumindest eine einflussreiche Partei dahinterstehen muss, um wirklich etwas zu bewegen. Das sieht man ja nicht nur bei der Coronapolitik.
Und vielleicht noch einmal zum besseren Verständnis des Punktes, auf den ich hinaus will: Schon unter normalen Umständen hat man ja als Wähler ja das Problem, dass man mit den gängigen Parteien gewissermaßen ein "Paket" wählt, weil jede Partei zu bestimmten vorherrschenden Themen eine Haltung vertritt. Unter Umständen hat man ein Problem, weil man zwei Themen für gleich wichtig betrachtet und Partei A zum Thema 1 (nicht aber zu Thema 2) die eigene Linie vertritt und zu Thema 2 (nicht aber zu Thema 1) die Partei B, Dann muss man abwägen und sich entscheiden, ob man jetzt eher in Bezug auf Thema 1 oder Thema 2 abstimmt. Da das Thema C. für viele von uns das Thema ist, bei dem ihr Leben aktuell am stärksten von politischen Entscheidungen beeinflusst wurden, könnte man aber ja erwarten, dass die Menschen in einer Demokratie die Chance haben, die Politik diesbezüglich zu beeinflussen. Wenn einem jetzt aber als Wähler bzw. als demokratischer Staatsbürger das wichtigste Thema ein bestimmter Umgang mit C. ist (und sich diese Meinung nicht bei der AFD oder FDP wiederfindet), hat man ja aktuell (und hatte in der Vergangenheit) gar keine Möglichkeit, sich in demokratischer Wahl für einen solchen Weg auszusprechen. Bei Corona, das unser aller Leben doch sehr bestimmt, ist es doch so, dass seit 2 Jahren Politiker Entscheidungen treffen, 1.) die sich vor ihrer Wahl nicht zu den C-Themen positioniert haben, weil sie zum größten Teil zu einer Zeit gewählt wurden, als das Thema noch keines war, 2.) oder (im Fall der Bundestagswahl) in deren Wahlkampf das Thema mit all seinen Facetten und möglichen Haltungen nicht annähernd die Rolle gespielt hat, die ihm jetzt im Leben aller wieder zukommt, weil man mit der Impfung das Problem für weitgehend gelöst hielt. Es gab bezüglich der C-Politik eigentlich nur die Wahl zwischen AFD mit einer extremen Haltung, FPD mit einer gemäßigteren und einem nicht durchschaubaren Wust von (Pseudo-)Mitte-Meinungen bei SPD, Grünen und Union (siehe auch: Impfpflicht-Debatte) Bei einem Thema, das so stark in das Leben des einzelnen eingreift, halte ich diese Nicht-Repräsentation von gesellschaftlichen Meinungen (ob sie nun von 5%, 15% oder 50% geteilt werden) in einer Demokratie für problematisch, weil so der politische Entscheidungsprozess tendenziell zum Ratespiel wird à la: "Was könnte die Mehrheit wollen und bringt meiner Partei die meisten Stimmungspunkte". Das kommt zwar in der Politik immer wieder vor und geht in unserer Form der Demokratie insgesamt nicht anders, weil man nicht jedes Thema mit der Gesellschaft ausdiskutieren kann. Aber bei einem der großen politischen Kernthemen der Zeit halte ich es für nicht angemessen.
Es geht ja nicht darum, vor der Wahl zu sagen, wann konkret welche Maßnahmen kommen oder wegfallen (das ist in einer Pandemie nicht planbar), sondern: M.E. wäre es der Wichtigkeit des Themas angemessen, wenn die Parteien vor der Wahl eine Gesamthaltung zu dem Thema benennen, um nachher nicht je nach gefühlter Stimmungslage einmal "Team Vorsicht" und einmal "Team Augenmaß" als die demokratisch gebotene Linie zu verkaufen. Wenn das Thema bei der Wahl keine oder keine große Rolle spielte, dann wäre es m.E. die Pflicht eines demokratischen Politikers ein angemessenes Stimmungsbild einzuholen und nicht wie z.B. Laumann nach 5 E-Mails von Masken-Gegnern in der Schule zu folgern: Die Mehrheit ist gegen Masken in der Schule, also müssen sie weg. o.ä. So kriegen immer die ihre Meinung durch, die am lautesten schreien oder sich am besten organisiert haben. Das ist undemokratisch.
Der ist jetzt nicht mehr mein Freund!
Ganz ehrlich, das sind vielleicht etwas gesetztere Worte als die, die die Querdenker daher bringen, aber letztlich ist es das gleiche Geschwurbel!
Ich finde nicht, die Querdenker werden übersehen - im Gegenteil! Hier in DK schaut man etwas erstaunt und verständnislos auf sowas, denn wenn ich dann sage, daß es letztendlich doch noch eine Minderheit ist und die meisten in Dtld. die Maßnahmen der Regierung ja mitttragen, so ist das eben schlecht erkennbar in der Wahrnehmung. Und ich glaube auch, daß man eben nur ernstgenommen wird, wenn man sein Anliegen auch ernsthaft hervorbringt udn nicht wurschtig drüber hinwegsieht, wer mit einem mitschreit und mitmasrschiert oder wer da mit Fackelzügen vor Politikerhäuser zieht oder wer da Morddrohungen ausstößt. Da hört eben in einer Demokrtaie die Meinungsfreiheit auf, und das finde ich richtig so. Auch Politiker müssen nicht jeden Schreihals ernstnehmen - ich weiß ja nicht, wie Ihr das macht, aber selbst meine Kinder mußten lernen, ihr Anliegen ordentlich und in Zimmerlautstärke vorzubringen und mich nicht dabei an- und niederzubrüllen - umgekehrt erwarteten sie das ja auch von mir. Wären sie zur Durchsetzung ihrer Anliegen mit irgendwelchen gewaltbereiten Freunden hier aufgezogen, hätten sie die schlechtesten Karten von allen gehabt. Und es läuft eben nun mal in einer Demokratie darauf hinaus, daß Minderheiten schlechtere Karten haben und sich mehr anpassen müssen als die Mehrheit. Das mag einem, wenn man nur Minderheit gehört, nicht passen, ist aber so - es gelten Mehrheitsbeschlüsse. Wer sich darauf nicht einigen kann, muß eben die Meinung zu ändern versuchen oder dorthin auswandern, wo ees eine Minderheitenregierung/-diktatur gibt. Minderheitenregierungen müssen allerdings auch Kompromisse eingehen - also, Demokratie ist niemals so einfach, wie Lieschen Müller sich das vorstellt. Sie erfordert aktiven Einsatz und dieBereitschaft, die andere -Meniung, die oft eben auch mal die Mehrheitsmeinung ist, zu hören und zu respektieren --- und ggf.- auch zum Maßstab des Handelns zumachen. Gruß Ursel, DK
Weil die Ärmeren, Schwächeren, die ganz Jungen oder die ganz Alten, die Kranken ... viel weniger Ressourcen haben als andere, sich selbst Gehör zu verschaffen, kann das immer nur eine Ergänzung in der Demokratie sein. Und: Ich habe eigentlich nichts gefordert, ich habe nur gegen den Satzes aufgegriffen: "Eine Demokratie ist IMMER eine Aushandlung." Ich glaube, dass zum Aushandeln erst einmal ein Feststellen und Eingrenzen der verschiedenen Positionen. Und genau das könnte im Moment verkürzt gesprochen "demokratischer" und weniger populistisch ablaufen. Dass sich die Themen zu politischen C-Entscheidungen vielfach erst nach den Wahlen herauskristallisiert haben, führt m.E. durchaus zu Problemen auch in einer repräsentativen Demokratie, die bei anderen politischen Kernthemen noch nie so sehr zum Tragen kamen, weil die sich langsamer zu Kernthemen entwickelt haben.
Der Text bezog sich nach meinem Verständnis weniger auf die konkrete Situation in Deutschland als darauf, einen allgemeinen (und natürlich groben!) Überblick zu geben. Abgesehen davon hat Deutschland den Spezialfall gehabt, dass mitten in der Pandemie eine wichtige Wahl anstand, die nicht nur in der Pandemie, sondern auch für viele andere Themen richtungsweisend war. Was man in Deutschland leider in Bezug auf Corona beobachten kann, ist dass, wie du richtig schreibst, Populismus (neben der AfD) vor allem die FDP, aber auch die CDU/CSU vor sich hergetrieben hat. Man kann das gerade an Söders Beispiel sehr gut verfolgen: So lange die Union in der Regierung war, hat er den Hardliner gegeben, inzwischen ist er wieder zu seiner üblichen Klientelpolitik zurückgekehrt. Ansonsten ist meine Beobachtung durchaus, dass die regierenden Parteien auf Bundesebene abgesehen von der FDP (und die folgt auch weitgehend dem Koalitionszwang) "Team Wissenschaft" sind. In den jeweiligen Bundesländern ist es allerdings, da gebe ich dir Recht, gerade im Bereich der Schulen stark von den jeweiligen MPs und Kultusministern abhängig. In puncto Strenge, so scheint mir, hat BW da Bayern mittlerweile überholt, was aber eher daran liegt, dass Söder sich nicht mehr als oberster Pandemiemanager inszeniert und deshalb die Zügel eher schleifen lässt...
Danke für diese Ausführungen, so habe ich das noch nicht gesehen, du hast aber Recht.
Und außerdem: es ist ja nicht so, dass politische Entscheidungen (egal, ob bzgl. Corona oder etwas anderem) "nur" auf irgendwelchen Meinungen des Volkes fußen würden. Da spielen ja auch noch ganz andere Faktoren eine Rolle, wirtschaftliche, Fragen der rechlichen und praktischen Umsetzbarkeit von Vorstellungen etc. pp.
Abgesehen davon, dass die sog. "Schwächeren" der Gesellschaft durchaus gute, engagierte Interessenvertretungen haben, Demokratie fußt in erster Linie auf dem Mehrheitsprinzip. Natürlich sollten, vielleicht sogar müssen Entscheidungen so getroffen werden, dass die Gesellschaft möglichst nicht gespalten wird, kein ernsthafter (nachvollziehbarer) Unfrieden in die Gesellschaft getragen wird. Und ja, das ist manchmal oder sogar ein Aushandeln, Austarieren der Positionen. Es kann aber NIE jede Befindlichkeit berücksichtigt werden. Aber dass dies erwartet wird, so kommt es mir zur Zeit vor, nicht nur bei Corona.
Was heißt hier, Söder lässt die Zügel schleifen? Wir haben hier in Bayern oft noch strengere Vorschriften als andere Bundesländer. Wenn er jetzt lockert, dann kommen wir erst einmal da hin, wo andere Bundesländer längst sind.
Es ist anscheinend immer noch nicht angekommen, worum es mir geht: Genau das Aushandeln und Austarieren der Positionen würde ich mir wünschen. Aber um etwas auszuhandeln und auszutarieren, muss man erst einmal alle wesentlichen Meinungen jenseits persönlicher Befindlichkeiten ZUR KENNTNIS nehmen. Dass bestimmte Haltungen aktuell von der Politik nicht einmal dann zur Kenntnis genommen werden, wenn sie der Expertenrat einnimmt (Stichwort Schulpolitik, die ich ziemlich genau verfolgt habe: Obwohl der von der gewählten Regierung, multidisziplinär besetzte Expertenrat eine Umsetzung der S3-Leitlinien an den Schulen empfohlen hat, wird das von keinem der amtierenden Politiker überhaupt zur Kenntnis genommen. Stattdessen hört man des öfteren, wie Kultusminister auf die Forderungen querdenkernahen "Initiative Familien" Bezug nehmen), halte ich für ein Problem, weil so keine Austarieren und Aushandeln im Sinne einer Mehrheitsentscheidung stattfinden kann. Woher meint die Politik denn im Moment z.B. zu wissen, dass die Mehrheit gegen das Aussetzen der Präsenzpflicht oder gegen Masken an Schulen ist? Bei solchen Themen ist es im Moment durchaus oft so, dass die am ehesten ihre Meinung - auch entgegen vieler Expertenmeinungen - durchsetzen, die am lautesten schreien und am besten organisiert sind. Das hat dann aber mit Demokratie im Sinne von Mehrheitsentscheidung bei diesen Themen nicht mehr viel zu tun. Das Problem besteht natürlich bei allen politischen Themen. Ich denke aber, dass es bei Corona-Themen besonders deutlich wird, weil die Grenzlinien zwischen konträren Meinungen quer durch viele etablierte Parteien verläuft, so dass die üblichen Prozesse der politischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung hier nicht so richtig zum Tragen kommen können.
Im Vergleich zu vorher, meinte ich!
Söder ist eines der besten Beispiele für Populismus, ja. Zu der Länder-Übersicht, die sehr interessant ist, noch zwei Punkte, die mir seitdem durch den Kopf gehen: 1.) Ja, viele demokratische Länder schneiden recht gut ab. Aber sie schneiden wohl z.T. auch deshalb gut ab, weil - wie auch in Deutschland geschehen und auch oft kritisiert - zu Beginn durch demokratischen Mehrheitsbeschluss ein Krisenmodus beim Regieren in Kraft gesetzt wurde und zugunsten schneller Entscheidungen das demokratisch gewählte Gremium "Bundestag" bei vielen Entscheidungen außen vor blieb. 2.) Jetzt ist wahrscheinlich überall wie in Deutschland der anfängliche Krisenmodus wieder aufgehoben und viele Entscheidungen könnten wieder nach bewährten demokratischen Prinzipien getroffen werden. Aber in vielen Ländern gibt es - anders als z.B. in den USA, wo die C-Politik ein wesentliches polarisierendes Wahlkampfthema war, keine demokratische "Quelle", aus der man die Mehrheitsmeinung zum Thema Lockerung/Verschärfung der C-Maßnahmen ablesen könnte. Bezüglich dieses Themas waren die Wahlkampf-Aussagen von Union, SPD und Grünen zu ähnlich, um aus dem Wahlergebnis auf eine Mehrheitsmeinung schließen zu können. In anderen Ländern gab es seitdem noch gar keine Wahl. Und irgendwie klafft da für mich eine Lücke bei der genaueren Bestimmung dessen auf, wie man demokratisch regiert (bei der ich selbst nicht weiß, wie man sie füllen könnte). Woher bekommen denn die Regierenden zu einem wichtigen Thema, das kein Wahlkampthema war, die Mehrheitsmeinung - ohne Volksabstimmung wie in der Schweiz? Das funktioniert doch letztlich nur über Beobachtung aller medialen Kanäle, was wiederum dazu führt, dass viele meinen, noch lauter schreien zu müssen, damit ihre Meinung gesehen und gehört wird. Durch eine Wahl kundtun, konnte man die Meinung ja nicht.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Meinung teile, dass eine Pandemie und der Umgang damit Thema von Parteipolitik sein sollte, sodass man die passende Partei wählen können sollte, die die eigene Pandemiepolitik vertritt. Dass weite Teile der AfD für "Nicht-Impfen und keine Coronamaßnahmen mehr" stehen, zeichnet meines Erachtens weniger die Parteipolitik der AfD aus, als sie dieses Thema gekapert haben, um weiter in ihrem üblichen "Stimmungsmache gegen die bestehende Regierung"-Modus bleiben zu können. Ansonsten ist ja der Grundkonsens tatsächlich parteiübergreifend derselbe, weil die Zielvorgabe des Infektionsschutzes oder des Flachhaltens der Kurve, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, im Grunde nicht diskutabel ist. Das ist kein Thema, das man zur Disposition stellen und den Wähler darüber entscheiden lassen kann. Dass die Interessenvertretung in puncto Corona-Pandemie in kleinteiligeren Fragen für manche gesellschaftlichen Gruppen wesentlich schlechter ist als für andere und teilweise essenziell bedrohlich (Bildungssystem, Kunst und Kultur oder generell Freiberuflichkeit, Situation der Pflegekräfte), ist aber natürlich Thema von Parteipolitik, und da macht sich hierzuland besonders schmerzhaft bemerkbar, dass durch schwarze Null und Aussitzpolitik und angebliches "Vertrauen in die Selbstregulation der Märkte und der Gesellschaft" (was aber letzten Endes vor allem Bequemlichkeit ist, weil man sich darauf ausgeruht hat, dass es ja noch viel schlimmer sein könnte und es Deutschland so gesehen ja angeblich gut geht). Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob es die "medialen Kanäle" sind, die da so viel Beachtung finden - wenn, dann vor allem die Presselandschaft und die ÖR-Medien, in den letzten Jahren vielleicht etwas vermehrt auch Twitter. Aber letztendlich erreicht man in der Politik als Interessensgruppe natürlich mehr, wenn man laut fordert, als nur bescheiden nachzufragen. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit mal irgendwo einen kleinen Schnipsel eines Interviews über zwei Jungpolitiker im Bundestag gesehen, die erzählt haben, dass sie bereits kurz nach ihrer Wahl in das Mandat mit Korrespondenz von Lobbyisten förmlich zugeschüttet wurden. Wer keine Lobby hat oder sich nicht laut zu Wort meldet, für den wird auch keine Politik gemacht, das ist leider so. Auch der immer wieder erwähnte "Brief an den eigenen Abgeordneten" bringt, je nachdem, mit wem man es da zu tun hat, auf lokaler Ebene vielleicht viel, auf Landtags- oder Bundestagsebene ist es aber eben einer von vielen, und es ist Glückssache, ob man erhört wird.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob Coronapolitik zu einem Teil der Parteipolitik werden sollte. Auf jeden Fall bin ich aber gegen reine Mehrheitsmeinungen-Politik, wenn sie zu Lasten bestimmter kleinerer Gruppen geht (z.B. wenn es darum geht, Vorerkrankte, Alte oder auch ganz Junge während der Pandemie zu schützen). Es darf gerade nicht so sein, dass in jedem Fall die Mehrheit sich durchsetzt, wenn das bedeutet, dass eine Gruppe aus der Gesellschaft massiv geschädigt wird. Aber ich frage mich auch, ob sich dann beim Thema gute und schlechte Entscheidungsfindung in der Pandemie-Politik die Frage "Demokratie" oder "Nicht-Demokratie" überhaupt noch eine große Rolle spielt, wenn viele der wesentlichen Pandemie-Entscheidungen in Demokratien sowieso nicht in der üblichen Form klassischer demokratische Mehrheitsentscheidungen vollzogen werden. Wenn man Israel mit seiner vorausschauender Impfplanung nimmt: Die Impfplanung erfolgte ja eben nicht als Folge eines demokratischen nervigen, langsamen und zähen Aushandlungsprozesses verschiedener Meinungen, sondern ist wohl eher bestimmten Zufälligkeiten wie personeller Besetzung bestimmter Posten in Israel und der jeweiligen persönlichen Einschätzung dieser Personen geschuldet.
Ich habe mir nochmal alles durchgelesen. Ich habe vielleicht nicht klar genug geschrieben, welcher Punkt mir aufgestoßen ist. Aber meinen Sermon zu verkürzen auf "Bääääh, der Staat macht nicht, was ich will ..... buuuuh" geht mir doch zu weit. Es geht mir darum, dass ich es nicht legitim finde, C-Entscheidungen (die selbstverständlich nie reine Mehrheitsentscheidungen sein dürfen, sondern auch die Grundrechte aller Bevölkerungsgruppen oder die sich aus Kontroversen von wissenschaftlichen Fakten verschiedener Bereiche ergebenden Abwägungen etc. berücksichtigen müssen) von der Politik als Mehrheitsentscheidungen verkauft werden, obwohl sie das nicht sind. Die Politik hat ja bei der C-Politik - anders als bei fast allen anderen wichtigen aktuellen Themen, bei denen z.B. das Ergebnis der Bundestagswahl relativ klare Rückschlüsse auf den Prozentsatz derer zulässt, die eine bestimmte Linie favorisieren - außer der Beobachtung der öffentlichen Meinungsäußerung durch Demonstrationen, auf Twitter, durch Briefe an Abgeordnete kein Mittel, um die Meinungsverhältnisse, in der Bevölkerung festzustellen. Die Meinungsäußerungen über solche Kanäle können aber ein sehr verzogenes Abbild der realen Meinungsverhältnisse widerspiegeln.
https://youtu.be/g91-qxYjv7I (Sorry, Hase, ich finde das von Dir gestartete Thema interessant und durchaus ernst...)
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