Allergie oder Unverträglichkeit:
Was ist der Unterschied?

blonder Junge auf dem Arm einer Aerztin

© Adobe Stock, DoraZett

Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten sind heute ein wichtiges Thema für Eltern. Doch woran erkennt man eine Nahrungsmittelallergie bei seinem Kind und worin liegt der Unterschied zur Unverträglichkeit?

"Mein Kind hat eine Nahrungsmittelallergie", immer öfter hören Ärzte von Eltern diesen Verdacht. Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien sind unter medizinischen Gesichtspunkten betrachtet jedoch viel seltener, als von der Bevölkerung angenommen wird. Nur etwa 4 Prozent aller Kinder leiden wirklich unter einer Nahrungsmittelallergie.

Gerade im Kindesalter ist es deshalb wichtig, dass man ganz genau untersucht, welche Ursachen die Beschwerden haben, um keine falschen Diagnosen zu stellen. Denn steht erstmal die Diagnose Nahrungsmittelallergie oder Nahrungsmittelunverträglichkeit fest, hat sie meist eine Diät zur Folge. Für Kinder, die sich im Wachstum befinden, kann dies zu schweren Komplikationen führen, bis hin zur Mangelernährung. "Auslassdiäten sollten deshalb nur in Absprache mit dem behandelnden Kinderarzt erfolgen", rät Dr. Ivonne Koch, Kinderärztin und Fachärztin für Gastroenterologie bei Kindern und Jugendlichen.

Unterschied Allergie und Unverträglichkeit

Grundsätzlich muss man zwischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Nahrungsmittelallergien unterscheiden.

Bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten ist die Stärke der Beschwerden auch abhängig von der Menge des Nahrungsmittels, das gegessen wird. Hat ein Kind eine Nahrungsmittel­unverträglichkeit gegenüber Erdbeeren, so kann es durchaus eine kleine Menge Erdbeeren essen, ohne sofort starke Beschwerden zu bekommen. Erst wenn er mehr davon isst, treten Symptome wie Hautausschlag, Juckreiz oder ein Kribbeln auf der Zunge auf.

Bei Allergien ist das anders: Die klassische Nahrungsmittelallergie erkennt man an einer typischen, allergischen Sofortreaktion wie Hautausschlag und Juckreiz - manchmal auch im Mund und Rachen. Außerdem können Erbrechen, Durchfall, Fließschnupfen und Atemnot auftreten. Die Beschwerden treten innerhalb weniger Minuten bis maximal 2 Stunden nach Verzehr der Nahrung auf. Bereits sehr kleine Mengen eines Nahrungsmittelallergens können bei einer Allergie ausreichen, um Beschwerden auszulösen. In manchen Fällen kommt es auch zu allergischen Spätreaktionen, die erst 24 bis 48 Stunden nach dem Verzehr auftreten.

Bei Kindern sind folgende Allergene besonders häufig: Fruchtzucker, Kuhmilch Hühnereiweiß, Soja, Nüsse, Fisch und Weizen. Bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie sollten Eltern ein Ernährungsprotokoll für ihr Kind führen. Um dem Auslöser auf die Spur zu kommen, muss man dabei mindestens zwei Wochen lang genau dokumentieren, was das Kind um welche Uhrzeit und in welchen Mengen verzehrt hat. Auch die auftretenden Beschwerden und den zeitlichen Abstand zum Essen muss man in dieser Zeit aufschreiben. So lässt sich besser nachvollziehen, welche Nahrungsmittel oder Nahrungsmittelbestandteile Probleme bereiten.

Pseudoallergien

Ähnliche Beschwerden wie bei einer Nahrungsmittelallergie können auch bei Menschen auftreten, die einen Mangel an einem speziellen Verdauungsenzym haben oder die bestimmte Toxine (Gifte) mit der Nahrung aufgenommen haben. Wenn allgemeine Unverträglichkeitsreaktionen auf bestimmte Stoffe hin auftreten, die keine Antikörperbildung im menschlichen Organismus bewirken, nennt man dies "Pseudoallergien". Sie können beispielsweise durch Schokolade, Schalentiere, Fisch, Bananen, Käse und Kontrastmittel (wie sie bei bestimmten Röntgenuntersuchungen verwendet werden) ausgelöst werden.

IgG-Testung umstritten

Besteht der Verdacht einer Allergie, raten manche Praxen zu einem IgG-Test. Bei diesem Bluttests werden gezielt nach bestimmten Antikörpern gesucht, die bei einer Allergie im Blut auftreten. Bei sehr hohen Werten kann auf eine Allergie geschlossen werden. Diese Testungen sind bei Allergologen, Kinderärzten und Ernährungsmedizinern jedoch sehr umstritten. "Die IgG-Tests sind nicht seriös", sagt auch Kinderärztin und Gastroenterologin Dr. Ivonne Koch, "sie kosten Eltern viel Geld und führen zu unnötigen Diäten."

Denn häufig wird eine ganze Reihe von "Übeltätern" an Lebensmitteln ausgemacht, die das Kind von nun an am besten nicht mehr essen sollte. Eltern versuchen dann eine ganze Liste von "verbotenen" Lebensmitteln bei ihrem Kind zu vermeiden und riskieren damit unbewusst in manchen Fällen sogar eine Mangelernährung des Kindes ohne genau zu wissen, welcher Auslöser genau hinter den Beschwerden steckt.

Ein anderer jedoch sehr anerkannter Test ist der Wasserstoff-Atemtest (H2-Atmentest) der bei Verdacht auf Fructose- oder Lactosemalabsorbtion gemacht wird. Auf nüchternen Magen trinkt der Patient eine bestimmte Menge einer Testlösung, die entweder Fructose oder Lactose enthält - je nachdem welche Unverträglichkeit getestet werden soll. Anschließend pustet der Patient in definierten Abständen in ein Messgerät, das den Wasserstoff (H2) Gehalt seiner Atemluft misst.

Wenn das Testgetränk nicht richtig verdaut wird, produzieren Bakterien im Darm unter anderem Wasserstoff. Der Wasserstoff gelangt ins Blut und wird dann über die Lunge ausgeatmet. Mit Hilfe dieses Wasserstoffs (der übrigens keine Symptome macht) ist es möglich, die Intoleranz über den Atemtest zu diagnostizieren.

Ebenfalls auf die Spur kommt man einer Nahrungsmittelallergie oder Nahrungsmittelunverträglichkeit über eine genaue Beobachtung (Ernährungstagebuch) und einer genauen Analyse der Essgewohnheiten und der damit auftretenden Beschwerden.

Bei unklarer Nahrungsmittelallergie

Wenn ein spezieller Verdacht auf eine Allergie gegen ein bestimmtes Nahrungsmittel fehlt, wird der Arzt für das Kind zunächst eine Basisdiät vorschlagen, die möglichst wenig Allergene enthält. Sie besteht bei Säuglingen aus einer speziellen allergenarmen Nahrung. Bei älteren Kindern wird die Diät individuell festgelegt. Sie könnte prinzipiell folgende, allergenarme Bestandteile beinhalten: Reis, Kalbfleisch, Lamm, Pute, Blumenkohl, Brokkoli, Gurke, Birne, Banane, Sonnenblumenöl, milchfreie Margarine, Mineralwasser, Tee (wenig) Salz/Zucker.

Bessern sich die Beschwerden unter dieser Basisdiät nicht, so kann davon ausgegangen werden, dass Nahrungsmittelallergien kaum eine Rolle spielen. Weitere diätetische Einschränkungen sind dann überflüssig. Bessert sich die Symptomatik, so wird man einen Provokationstest durchführen. Diätische Maßnahmen und das Austesten müssen aber immer in enger Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. Eltern, die eigenmächtig ihr Kind auf Diät setzen, können ihrem Kind damit massiv schaden.

Behandlung

Kann man ein Allergen ausmachen, sollte es möglichst vermieden werden. Allerdings gibt es versteckte Allergene wie z.B. Milcheiweiß und Hühnerei in Zwieback, bei denen man besonders aufpassen muss und eine sorgfältige Ernährungsberatung nötig ist. Bei Nahrungmittelallergenen, denen man nicht aus dem Weg gehen kann, ist häufig eine Langzeitbehandlung mit einem geeigneten Präparat hilfreich. Auch moderne Antihistaminika können zur Linderung der Beschwerden beitragen.

In Einzelfällen kann man die Empfindlichkeit gegen ein bestimmtes Nahrungsmittel, z.B. Kartoffeln, dadurch herabsetzen, dass man dieses Nahrungsmittel möglichst täglich verabreicht. Man beginnt mit winzigen Mengen und steigert allmählich auf die im Alltag akzeptable Menge. Man sollte sich aber immer auch auf Notfallsituationen einrichten, die eine sofortige Behandlung erfordern.

Weiterer Verlauf

Generell ist die Prognose für Kinder mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Nahrungsmittelallergie günstig: In der Regel entwickelt sich innerhalb weniger Jahre eine Toleranz, das heißt, die durch Nahrungsmittel bedingten Beschwerden klingen ab. Rund 80 % der betroffenen Kinder sind bis zum Schulalter symptomfrei.

Quelle u. a.: Zentrum für Kinderheilkunde, Universitätsklinik Gießen, Dr. med. Ivonne Koch

Zuletzt überarbeitet: April 2019

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