Liebe Biggi,
mein kleiner Wonneproppen ist nun 13 Wochen alt. Er kam vier Wochen zu früh per Kaiserschnitt mit einem Geburtsgewicht von 3300g zur Welt und musste wegen Anpassungsschwierigkeiten bzgl. Atmung, Temperatur und Nahrungsaufnahme für 10 Tage in der Kinderklinik verweilen. Die Schwangerschaft war geprägt von Übelkeit, Erbrechen und Sodbrennen bis zum Schluss. Wir verließen die Klinik kerngesund und voll stillend (4 Tage HA pre-Milchnahrung in der Klinik, dann ersetzt durch Mumi). Ich habe meine Tochter (jetzt 7 Jahre) ebenfalls voll gestillt für 5 Monate und wir wurden dann zu Langzeitstillenden bis sie ca. 5 Jahre alt war. Eine wunderbare Zeit für alle Beteiligten. Nun bin ich mittlerweile 41 Jahre alt, habe vielfältige Verpflichtungen insbesondere familiär und merke nach drei Monaten, dass mich mein Kleiner regelrecht "aussaugt". Ich habe bereits 5 kg weniger Körpergewicht als vor der Schwangerschaft, sehe recht schmal aus, drei Backenzähne wurden im Laufe der Schwangerschaft höchst reparaturbedürftig und ich merke, dass ich so langsam an meine Grenzen komme. Ich ernähre mich ausgewogen, nehme täglich Jodid 200 ein. Mein Sohn gedeiht wirklich prächtig und liegt in allen Bereichen im Durchschnitt. Seit etwa 3 Wochen sind die sog. Dreimonatskoliken deutlich besser geworden, sodass er nicht mehr so häufig weint bzw. vor Schmerzen schreit. Seit zwei Tagen beobachte ich eine gewisse Unruhe in ihm, er nimmt oft sein Fäustchen in den Mund, kaut darauf herum und verteilt viel Spucke um sein Mündchen.
Ratschläge aus meinem familiären Umfeld gehen dahin, dass ich meinem Sohn HA pre-Milch mit der Flasche zufüttern und nach und nach eine Stillmahlzeit ersetzen sollte.
Ist dies der einzig mögliche Weg? Zufüttern ist doch schließlich der sichere Weg zum Abstillen?!
Ich suchen einen Weg, der meinem Sohn und mir eine ausgeglichene harmonische Stillbeziehung ermöglicht, wohl wissend, dass ich um meiner Gesundheit willen etwas ändern muss.
Schon jetzt bedanke ich mich über Ihren wertschätzenden ehrlichen Rat.
Mit den besten Grüßen und herzlichen Dank für dieses wunderbare Forum
flo05
von
flo05
am 27.12.2012, 16:18
Antwort auf:
Erschöpfung - Zufüttern statt voll stillen?
Liebe flo05,
es wird zwar immer wieder behauptet, dass das Stillen die Frauen auslauge und „zehrt", doch in aller Regel liegt die Gewichtsabnahme nach der Geburt nur zum Teil am Stillen.
Es kommt nur selten vor, dass eine Frau tatsächlich durch das Stillen so extrem abnimmt und ein Abstillen in Betracht gezogen werden sollte. Oft hat die Gewichtsabnahme ihren Grund zum Beispiel in einer Fehlfunktion der Schilddrüse, wie sie nach einer Schwangerschaft häufiger zu finden ist. Deshalb solltest Du deine Schilddrüse kontrollieren lassen. Auch deine Zähne kannst Du im Bedarfsfall auch in der Stillzeit richten lassen.
Allerdings kann es auch eine noch viel einfachere Erklärung geben: bei einem Baby, das mehr Aufmerksamkeit braucht als viele andere Babys, kann es dazu kommen, dass der Alltag insgesamt sehr hektisch verläuft und die Frau zwar zwischendurch mal eine Hand voll Chips in sich hineinfuttert, unter dem Strich aber doch zu wenig isst.
Gönnen dir und deinen Nerven ruhig Kalorienbomben. Sahnequark statt Magerquark, einen schönen Eisbecher mit Sahne und lass dir vielleicht von deinem Partner kleine Zwischenmahlzeiten fertig machen, die Du mit einer Hand essen kannst. Wenn ein Teller mit Häppchen (Käsewürfel, Obst, Brot, Kräcker ...) fertig im Kühlschrank steht, kannst Du zum Beispiel die Zeit während des Stillens nutzen, um etwas zu essen und zu trinken.
Schon rein vom Biologischen her gesehen ist Stillen keine zusätzliche nervliche Belastung, sondern durch den erhöhten Prolaktinspiegel ist die Mutter gelassener, denn Prolaktin wirkt wie ein natürliches Beruhigungsmittel. Das merken viele Frauen nach dem Abstillen, dass sie plötzlich durch die sprichwörtliche „Mücke an der Wand" genervt sind und viel schneller die Geduld verlieren, was sich wiederum mit dem abgesunkenen Prolaktinspiegel erklären lässt.
Ich denke auch nicht, dass es wirklich das Stillen ist, was dich stresst, sondern vielmehr die Tatsache, dass Du als Mutter von zwei Kindern Schwerstarbeit leistest, die noch dazu kaum jemand als solche anerkennt.
Du fühlst dich erschöpft und müde und erhoffst dir vom Abstillen eine Erleichterung. Dieser Gedanke liegt bei einer stillenden Frau oft nahe, wird ihr doch von der Gesellschaft ohnehin meist eingeredet, dass das Stillen und vor allem das längere Stillen, eine Frau auslaugt. Doch in Wirklichkeit ist es nicht das Stillen, das die Frau erschöpft, es ist schlicht und ergreifend die Tatsache, dass Du einen der härtesten Berufe der Welt gewählt hast. Mutter sein ist ein 24 Stunden Job, sieben Tage die Woche und 52 Wochen im Jahr, ohne Urlaubsanspruch. Diese Arbeit ist anstrengend, auch wenn nicht gestillt wird. Im Gegenteil, durch das Stillen bekommt die Frau oft die Gelegenheit, sich auch am Tage einmal hinzulegen oder zumindest sich hinzusetzen, die Füße hoch zu legen und ein paar ruhige Minuten mit dem Kind zu verbringen.
Wenn Du für dich davon überzeugt bist, dass Abstillen dein Leben erleichtern wird, dann steh zu dieser Entscheidung und stille ab, doch sei nicht enttäuscht, wenn Du anschließend feststellen musst, dass dein Leben keinen Deut stressfreier geworden ist.
Statt nun das Stillen einzuschränken oder gar abzustillen, kannst Du es ja vielleicht mit einem anderen Ansatz versuchen:
• nimm ALLE Hilfe an, die Du bekommen kannst. Erkundige dich mal, ob Du nicht eine Haushaltshilfe bekommen kannst (wegen absoluter und chronischer Erschöpfung). Möglicherweise kann dir auch deine Mutter, Schwiegermutter, Schwester oder eine Freundin (selbstverständlich auch das männliche Pendant dazu) etwas unter die Arme greifen. Das können ganz simple Dinge sein z.B. einmal alle Fenster putzen, deinen Bügelkorb leerbügeln, einige vorgekochte Mahlzeiten für deine Tiefkühltruhe, ein Nachmittag Babysitten während Du in die Sauna gehst oder sonst etwas für dich tust ...
• Vielleicht findest einen verantwortungsbewussten Teenager, der gegen geringes Entgelt bereit ist, mit deinen Kinder zu spielen oder spazieren zu gehen. In dieser Zeit solltest Du dann aber wirklich entweder schlafen (bzw. ruhen) oder DIR etwas Gutes tun.
• Lass den Haushalt auf Sparflamme laufen. Nicht alles muss gebügelt werden. Wenn Handtücher nach dem Baden und Duschen wieder aufgehängt werden, statt auf dem Fußboden zu landen, können sie mehrmals benutzt werden, das spart Wäsche. Es ist nicht wesentlich mehr Arbeit die doppelte Menge Spaghettisoße zu kochen, aber Du hast dann eine fast fertige Mahlzeit für die Tiefkühltruhe. Es schadet nicht der Gesundheit der Familie, wenn Du die Fenster erst wieder im nächsten Jahr putzt. Du wirst sicher einiges finden, was im Haushalt nicht so perfekt gemacht werden muss.
• Achte darauf, dass Du genügend isst und trinkst. Du musst keine perfekten Menus kochen und essen, einigermaßen ausgewogen reicht und es darf auch Tiefkühlgemüse statt frischem Gemüse sein (dann sparst Du dir auch das Schälen und Putzen). Eine hungrige Mutter ist nicht so belastbar.
• Eine Möglichkeit für die Nacht ist es, dass statt dir dein Partner die Nachtschicht bzw. das zu Bett bringen zum Teil übernimmt. Also nicht Du wendest dich jedes Mal dem Kind zu, sondern ihr wechselt euch ab und da ein Mann keine Brust zum Stillen hat, wird er euer Kind auf andere Weise beruhigen müssen. Das Verändern von Ritualen kann helfen.
• Schau nach vorne. Die anstrengende Zeit wird vorübergehen. Auch dein Kind wird älter und reifer werden und nicht mehr soooo viel Aufmerksamkeit brauchen.
Kurz: beschränke viel Dinge auf das absolut Notwendige, so dass Du auf diese Weise mehr Zeit für dich bekommst. Diese „gewonnene" Zeit kannst Du dann dazu nutzen, dich wieder zu erholen, neue Energie zu tanken und auch zu einem ruhigen Gespräch und Nähe mit deinem Mann.
Vergiss dich selbst nicht: Gönne dir etwas Gutes, dann lassen sich so anstrengende Phasen leichter überstehen.
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 27.12.2012