Schlafen, einschlafen, durchschlafen

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Ein hoffentlich aufschlussreicher Auszug aus einem Buch!

Thema: Ein hoffentlich aufschlussreicher Auszug aus einem Buch!

Hallo ihr Lieben! Ich lese gerade das Buch von Eva Kessler "Von der Kunst liebevoll zu erziehen", welches ich noch während der Schwangerschaft von einer Bekannten geschenkt bekam. Ich nahm es erst jetzt zur Hand, als unsere Tochter es aus dem Bücherregal zog und mir hinlegte und muss sagen, dass ich es doch sehr lesenswert und bereichernd finde. Da unsere Kleine noch immer schläft, möchte ich folgenden Auszug hier einstellen, den ich soeben gelesen habe und hoffe, dass er vielen unsicheren Müttern ein wenig Aufschluss gibt oder Erklärung. (verzeiht mir eventuelle Tippfehler): "Einer der bedeutendsten Gründe für Grenzüberschreitungen von Kindern jeden Alters ist der Verlust des Kontakts zum Erwachsenen. Kontakt ist ein existenzielles Bedürfnis von Kindern, so existentiell, wie Atmen, Essen, Trinken und Schlafen. Kleine Kinder brauchen, um zu überleben, ständig Kontakt. Durch Kontakt erst fühlen sie ihr Dasein. Haben sie keinen Kontakt, so fühlen sie sich schnell verloren. Dies kann für kleine Kinder ein extrem bedrohliches Gefühl sein. Sie bekommen Angst. Deshalb versuchen Kinder, die zu wenig Kontakt haben, mithilfe von Grenzüberschreitungen die Erwachsenen zu Reaktionen zu bewegen. Sie tun dies unbewusst, aber zielstrebig. Je jeftiger die Gernzüberschreitungen ausfallen, desto heftiger sind auch die zuerwartenden Reaktionen der Erwaschenen. So ziehen Kinder den klugne Schluss, dass starke Provokationen ein sihceres Mittel zur Kontaktgewinnung sind. Um diese komplizierten Zusammenhänge zu verstehen und daraus gute Schlussfolgerungen frü die Erziehngsarbeit zu ziehen, will ich hier einen Exkurs in die jüngsten Erkenntnisse der Forschung unternehmen. Für uns Erwachsene ist unser Dasein eine Tatsache. Dieses Wissen ist in uns langsam und unbewusst entstanden, so dass wir uns nicht mehr daran erinnern, dass wir uns unseres Daseins einmal nicht so sicher waren wie heute. Deshalb können wir Erwachsenen uns nicht mehr voerstellen, dass Kinder sich nicht sicher sind, ob sie wirklich da sind. Diese Unsicherheit wirkt in ihnen unbewusst, deshalb kommen sie auch nicht auf die Idee, uns danach zu fragen. Die Strategie der Erwachsenen Obwohl wir Erwachsenen uns über unser Dasein ständig im Klaren sind, wissen wir nicht, wie wir das bewerkstelligen. Wir haben dafür kluge, sehr gut eingeübte, unbewusste Strategien ausgebildet, welche Kidner noch nicht beherrschen, weil sie erst in der Pubertät entwickelt werden: Wir schlagen etwa die Beine übereinder. Durch den Kontakt des rechten Beins mit dem linken vermittelt uns der Tastsinn das Daseinsgefühl. Oder wir kratzen uns am Kopf, streichen unsere Haare alle paar Minuten aus der Stirn, verschränken unsere Arme oder stützen unseren Kopf in unsere Hand. In einem Konzert oder bei einem Vortrag lässt sich das gut beobachten: In einem großen Saal sitzen Hunderte erwachsene Menschen und es gibt keinen Einzigen, der sich nicht selbst berührt. Wir berühren uns ständig, zu dem Zweck, den Kontakt zu uns selbst nicht zu verlieren. Und wir wissen nocht nicht einmal, warum wir es tun, so routinemäßig sind diese Vorgänge. Würden wir unbeweglich und ohne uns zu berühren eine Zeitlang ausharren, so würden wir bemerken, dass wir ein untertägliches Bedürfnis nach Bewegung und Berührung hätten. Kinder beherrschen die Eigenstimulierung noch nicht in geügender Weise Wenn sie beim Sitzen die Beinde übereinanderschlagen, lachen wir, weil wir sehen, dass sie einen Erwachsenen nachahmen und Erwachsensein spielen. Kinder brauchen, dass wir Erwachsenen ihnen Kontkat geben. Durch den Kontakt zum Erwachsenen fühlt sich das Kind "daseiend". Aber dieses Gefühl ist kein beständiges Wissen, wie bei uns Erwachsenen, sondern nur ein flüchtiges Geüfhl. Wenn kleine Kinder im wachen Zustand über einen längeren Zeitraum ohne Kontakt sind, fühlen sie sich von einem bängstigenden Verlustgefühl bedroht. Es ist das Gefühl, sich selbst zu verlieren. Die Strategie der Kinder Kleine Babys schreien ganze Nähte hindurch und sind nur zu beruhigen, wenn ihre Eltern direkten Körperkontakt zu ihnen aufnehmen. Manchmal brauchen sie es sogar, auf dem Arm der Eltern hin und her getragen zu werden, das heißt, sie brauchen zu dem Kontakt auch noch die Bewegung, um sich anwesend zu fühlen. Und es gibt viele Kinder zwischen null und neun Jahren, die so wenig Daseinsempfinden haben, dass sie immer wieder im Laufe eines Tages das Gefühl bekommen, verloren zu gehen. In solchen Momenten provozieren Kinder. Sie tun dies nicht, um ihre Eltern zu ärgern, sonder nur, weil sie diese Bedrohung nicht aushalten können. Sie müssen sofort Kontakt haben, um sich lebend zu fühlen. Dafür brauchen sie eine hundertprozentig sichere Strategie. Wenn beispielsweise ein zwei- bis dreijähriges Kind seine Mutter fragen würde: "Mama, kannst du mich bitte sofort in den Arm nehmen?" dann hat das Kind vielleicht eine fünfzigprozentige Chance, dass die Mutter Ja sagt und zu dem Kind Kontakt herstellt. Zu fünfzig Prozent ist es aber auch wahrscheinlich, dass die Mutter sagt: "Nein, das geht jetzt nicht, stör mich nicht!" Dann wäre das Kind vom Gefühl des Selbstverlustes bedroht. Die Hundertprotzent-Stragegie ist eine unbewusste, gesund erhaltende Strategie der Kinder. Sie besteht darin, dass Kinder ihre Eltern oder Erzieher häufig "provozieren", um an deren heftigen Reaktionen eindeutig ablesen zu können, dass sie das sind. Zum besseren Verständnis dieses Gefühls des Kindes vergleiche ich es mit dem Phänomen der Unterzuckerung: Hat ein kleines Kind genug Daseinsgefühl, dann geht es ihm gut. Fällt der Wert unter null, so geht des dem Kind so schlecht, dass es den Impuls verspürt, sofort und schnell etwas zu unternehmen, dass es über den Nullpunkt kommt. Das Kind hat das Gefühl, sonst zu sterben Deshalb kann es sich in dieser Not nicht leisten zu riskieren, dass es unter Null bleibt, nur weil ein Erwachsener gerade keine Lust hat, es in den Arm zu nehmen." An dieser Stelle folgt im Buch eine kurze Ausführung über den Kindergartenalltag, den ich aber eben überspringe. Und hier geht´s weiter: "Noch im Alter von neun Jahren kommt es vor, dass sich Kinder etwa abends im Bett keinfen, wenn es still und dunkel ist, um sich Gewissheit zu verschaffen, dass sie das sind. Erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zustande gekommenen Forschungsergebnissen von René A. Spitz und seinen Kollegen wissen wir, dass Kontakt für Kinder so wichtig ist wie Atmen, Essen und Schlaf. Er und seine Kollegen wiesen nach, dass Säuglinge trotz bester Hygiene und Ernährung starben, weil sie zu wenig Körperkontakt hatten. Seine Ergebnisse waren aufsehenerregend. Sie haben in Kliniken und Kinderheimen bewirkt, dass die Säuglingssterblichkeit um ein Vielfaches verringert werden konnte, indem das Personal dazu aufgefordert wurde, die Kinder auf den Arm zu nehmen. Diese Erkenntnisse sind aber leider noch nicht genügend in die pädagogische und familiäre Praxis eingeflossen. Grob betrachtet gibt es drei Arten von Kontakt: 1. Körperkontakt 2. Blickkontakt 3. sprachlichen Kontakt Körperkontakt Fehlt einem Kind der Körperkontakt und damit das Existenzgefühl, so wird dies vom Kind als schlimme Bedrohung erlebt. Das Kind verliert sich selbst. Wer aber in ein Nichts zu fallen droht, hat unvorstellbare Angst! So ist auch die Vehemenz zu erkären, mit der die Kinder unbewusste Strategien entwickeln, um sich gegen diese Bedrohung zu wehren. So ergeht es kleinen Kindern oft, wenn sie eine Zeitlang ruhig alleine spielen und dann plötzlich anfangen zu jammern. Wenn der Erwachsene erkennt, dass das Kind seinem Kontaktbedürfnis Ausdruck verleiht, reicht es oft aus, dass der Erwachsene mit dem Kind kurz Kontakt aufnimmt. Mütter beschreiben mir häufig Szenen wie diese: Ihr Kind (im Kindergartenalter) kommt zum Mittagessen mit unzufriedener Miene und jammert, dass es nichts von dem, was auf dem Tisc steht essen wolle. Sie Szene eskaliert dann stets, bis die Mutter das schreiende Kind in sein Zimmer verweist. Als seine Mutter einmal ganz anders reagierte, löste sich die Situaiton in Harmonie auf. Die betreffende Mutter nahm das Kind auf den Schoß, murmelt in das kindliche Ohr ein paar Koseworte und füllte sich selbst etwas zu essen auf den Teller. Daraufhin kuschelte sich das Kind einige Minuten auf den Schoß der Mutter, rutschte dann hinunter, setzte sich auf seinen Platz und aß eine normale Portion des Mittagessens......." Ich hoffe, dass dies viele Mütter in ihrem Handeln bestätigt und dies - auch wissenschaftlich betrachtet - die Wichtigkeit aufzeigt, warum Kinder in den Arm genommen gehören, wenn sie nachts nach Nähe schreien! Keine Mutter muss es aushalten nur z.B. leise redend neben dem Bettchen zu sitzen oder gar selbst weinend vor der Türe zu stehen. Viele Grüße Andrea

von aspira am 22.11.2010, 11:26



Antwort auf Beitrag von aspira

Danke, das du die Zeilen mit uns teilst!

von MaSchie26 am 22.11.2010, 13:09



Antwort auf Beitrag von MaSchie26

Ich schließe mich an und danke dir das du dir die Zeit genommen hast das alles zu schreiben.

von Ami80 am 22.11.2010, 13:24



Antwort auf Beitrag von Ami80

Wow. 2faches Lob: 1. dafür, dass du diese tollen Zeilen gefunden und mit uns geteilt hast 2. für die Blasen an den Fingern ... Fleisskärtchen verteilt :) Sehr interessant und aufschlussreich. Vieles weiß der Bauch eigentlich schon, aber der Kopf ist von den ständigen Ratgebern (Bücher sowie Mitmenschen) oft genug so verwirrt, dass er den Bauch überhört.

von Püminsky am 22.11.2010, 14:12



Antwort auf Beitrag von Püminsky

Hallo und erst einmal danke für euer Lob und das Hinwegsehen über die zahlreichen Tippfehler, die ich erst eben las. Ich hatte mir wohl doch noch nicht den ganzen Schlaf aus den Augen gewaschen. *lach* Mensch, was einem in der Eile doch trotz 10-Finger-Schreibsystem so an Drehern unterläuft. Ich muss zugeben, dass ich den Text nach dem Tippen nur einmal kurz überflogen habe, weil meine Kleine am Wachwerden war. Also hier nochmals die Entschuldigung für die Fehler, die ich reingehauen habe. Ist ja heftiger, als ich dachte. Die Zeit dafür musste ich mir einfach nehmen, weil ich denke, dass dieser kurze Auszug doch sehr wertvoll sein kann für viele, die Erklärungen (für sich oder auch das Umfeld) suchen oder sich in ihrem instinktiven Handeln bestätigt fühlen möchten. Weiterhin liefert er, wie ich finde, einen weiteren Aspekt fernab der Tatsache, dass es seit Urzeiten äußerste Gefahr bedeutete, das Kind abzulegen usw. und erklärt auch zusätzlich, weshalb das Pucken so prima funktioniert - wobei ich immer mich selbst als Begrenzung für meine Kleine bevorzugt habe. Naja, sie zeigte mir auch super, wo sie hin gehörte, indem sie sich gar nicht erst ablegen ließ. ;-) Ich bin auch der Meinung, dass es streng genommen gar keine Ratgeber oder Lektüre zu den Themen Erziehung und Schlaf geben müsste, da unser Instinkt und die Intuirion uns in aller Regel den richtigen Weg zeigen, aber wie Püminsky schon schrieb, werden wir eben einfach stark von außen verunsichert. Ob man möchte oder nicht, man wird einfach gebrainwashed und bekommt so viele "gute Ratschläge", die man gar nicht hören will, die dann doch irgendwann nachhallen und einen mal eben unsicher werden lassen.Dafür ist dann ein gutes Buch doch hilfreich und kann eine kleine Stütze sein. Liebe Grüße und noch mal danke für euer Lob! Andrea

von aspira am 22.11.2010, 19:38



Antwort auf Beitrag von aspira

Vielen, vielen Dank für die fleißige Schreibarbeit. Wir Mütter wissen es doch eigentlich ganz gut, aber die Leute.... LG

von dennethw am 22.11.2010, 21:39



Antwort auf Beitrag von aspira

Hallo auch mal vielen, vielen Dank für die Mühe. Mein Sohn hatte am Samstag ein kleine Vollnarkose und hat danach ne dreiviertel Stunde nur geschrien und wollte, dass ich mit ihm auf dem Arm rumlaufe- nur nicht hinsetzten. Ich denke, jetzt weiß ich warum das so war. Ansonsten kann ich auch nur sagen, mein Bauchgefühl der letzten 5 Jahre Kindererziehung funktioniert doch ganz gut. LG

von Himbaer am 23.11.2010, 12:50



Antwort auf Beitrag von aspira

Liebe Andrea, vielen Dank (verspäteter Weise ;-) für deine Mühe, diesen Text mit uns zu teilen! Ich bin leider erst heute dazu gekommen, ihn ganz zu lesen! Ist wirklich sehr aufschlussreich!! Vielleicht wäre es noch interessant, hinzuzufügen, dass der Lernprozess, der es den meisten Erwachsenen letztendlich ermöglicht, auch ohne Kontakt zu anderen Menschen ihr Dasein zu fühlen, auch ausbleiben oder unvollständig bleiben kann (meist durch Erfahrungen in der Kindheit). Diese Erwachsenen fühlen sich dann ebenfalls sozusagen "nicht existent", wenn sie (zu lang) allein bzw, auf sich allein gestellt sind. Ist garnicht so selten.... Habe leider keine passenden Links parat, ist auch nur eine Anmerkung am Rande; falls sich aber jemand für das Thema interessiert, kann er mir gern eine PN schreiben! LG

von rabarbera am 24.11.2010, 23:23