Hüftdysplasie bei 12jährigem

Dr. med. Jan Matussek Frage an Dr. med. Jan Matussek Chefarzt für Kinderorthopädie und Kindertraumatologie am Klinikum Emil van Behring, Berlin

Frage: Hüftdysplasie bei 12jährigem

Guten Tag, bei meinem Sohn, geb 2007, wurde im Oktober 2018 eine leichte Hüftdysplasie rechts mit kurzem Pfannendach festgestellt, AC Winkel rechts 20 Grad, links 19 Grad, Pfannendach rechts deutlich kürzer als das linke, Reimers Index rechts 30%, links 15%. Wir hatten einen Orthopäden aufgesucht, da mein Sohn häufig Schmerzen in der rechten Leiste hatte, insbesondere nach Belastung. In der Kinderklinik wurde dann die o. g. Diagnose gestellt. Eine operative Korrektur wurde erstmal nicht empfohlen, da durch eine Pfannendachplastik die Hüftpfanne nicht verlängert werden könnte. Der Pfannendachwinkel, den man durch eine OP hätte verbessern können, wäre physiologisch. Daher wäre eine OP nicht sinnvoll. Aussage der Ärztin war, wir sollen wiederkommen, wenn er weiterhin Schmerzen hat, sonst Vorstellung in 2021 mit 14 Jahren. Die Schmerzen waren eine Zeitlang verschwunden, nun sind sie wieder da. In der rechten Leiste, ziehende Schmerzen nach Belastung, aber nicht jedes Mal nach dem Sport. Er kann auch keinen Schneidersitz machen, weil er dadurch Schmerzen in der Leiste hat. Mein Sohn ist aber auch extrem gewachsen, deutlich mehr als 10 cm in wenigen Monaten, weshalb wir im April auch zum Endokrinologen müssen. Er ist jetzt mit 12,5 Jahren mehr als 1,70 m groß. Die Hüfte wurde kurz nach der Geburt noch im Krankenhaus geschallt. Typ 2 a mit Kontrolle nach 5 Wochen. Die Kontrolle erfolgte mit der U3, Diagnose Typ 1 a, Alpha 62 Grad. Ich verstehe nicht, dass er jetzt eine Dysplasie hat?! Könnte die Diagnose falsch sein, weil die Knochen aufgrund des Wachstums "komisch" waren? Kann es mit Hormonen zusammen hängen? Oder hat er die Dysplasie durch falsches Tragen, einen Sturz o. ä. bekommen? Ich bin wirklich voller Sorge, weil er beruflich was mit Sport machen möchte, evtl. auch zur Polizei, was so nicht möglich wäre. Ich bitte Sie um eine fachliche Einschätzung und bedanke mich vielmals im Voraus.

von Nachtengel am 10.03.2020, 14:56



Antwort auf: Hüftdysplasie bei 12jährigem

Sehr geehrte Familie, liebe Eltern, die Frage wird durch Chef Arzt Dr.med.Jan Matussek beantwortet: Anhand der beschriebenen Situation und anhand der im Röntgenbild gemessenen Werte teile ich die Einschätzung der Kollegen in keiner Weise: Offensichtlich liegt eine Spätdysplasie, also eine Hüftunreife, die sich vor allem später ausgebildet hat, vor. Trotz der Säuglingsuntersuchung gibt es diese Fälle, die im Laufe des Wachstums keine ausreichende Verknöcherung des früher knorpeligen Pfannendaches liefern. Viel wichtiger aber ist die klinische Situation, also die Schmerzsituation! In der Altersgruppe, in der ihr Sohn ist, sollten keine HüftSchmerzen, keine Leistenschmerzen vorliegen. Schmerzen im Hüftgelenk projizieren sich immer auf die LeistenRegion. Der belastungsabhängige HüftSchmerz also zeigt sich genau dort, wo ihr Sohn ist an gibt. Dies ist ein Alarmsignal, dass dort etwas mechanisch nicht korrekt ist. Natürlich muss man auch an Andere Schmerzen in der Region, zum Beispiel einen Leistenbruch, ausschließen. Das macht der Kinderchirurg im Ultraschall. Aber letztlich ist eine Überlastungssituation durch eine zu kleine Gelenkpfanne die wahrscheinliche Erklärung für diese Situation. Jetzt muss nicht jede Hüftdysplasie gleich behandelt werden, vor allem nicht die, Die keine klinischen Zeichen, also keine Schmerzen, liefern. Diejenigen Patienten aber die Schmerzen haben, müssen dringend abgeklärt werden. Das ist nicht normal! Es ist ja auch nicht abzuwarten über die nächsten Jahre. Eine andere Problematik in der Altersgruppe ihres Sohnes ist eine Wachstumsfugen -Lösung, die ebenfalls noch einmal genauer betrachtet werden muss. Dies hätte aber im vorliegenden Röntgenbild erkannt werden müssen. Ich empfehle hier dringend, eine Kinderorthopädische Sprechstunde aufzusuchen, und noch einmal die wichtigen Gelenk Messwerte anzuschauen. Hier muss ein Behandler, der sich gut mit Jugendlichen Hüften auskennt, Messungen vornehmen. Im Berliner Raum ist die entsprechende Anlaufstelle selbstverständlich in unserer Klinik. Möglicherweise ist noch eine zusätzliche Röntgenschrägaufnahme durchzuführen (falsch Profil Aufnahme), die sehr genau die Pfannensituation beschreibt. Des weiteren ist der so genannteZentrum-Ecken -Winkel zu bestimmen. Ist das alles getan, und mit der Alters entsprechenden Normalwert Tabelle verglichen, und sind am Ende sehr unreife Werte zu verzeichnen, dann muss man sich für eine Operation auch in diesem Alter entscheiden: Die Korrekturmöglichkeiten sind sowohl bei einem Zwölfjährigen als auch bei einem 15-jährigen sehr gut beschrieben und günstig durchzuführen. Ein Abwarten bis zum Wachstumsabschluss ist nicht notwendig und falsch. Jeder Tag mit Schmerzen in der LeistenRegion, also mit Schmerzen vom Hüftgelenk, ist ein mechanisch gefährlicher Tag, weil jetzt schon Verschleiß beginnt. Der Schmerz berührt von einer ungünstigen Belastungssituation her, gerade wenn der junge Mann so schnell gewachsen ist. Ich empfehle also die Konsultation einer kKinderorthopädischen Fachabteilung, um den Fall noch einmal ausführlich zu besprechen. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Jan Matussek

von Dr. J. Matussek am 12.03.2020



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