Traurige Verstimmung oder Depression:
Warnsignale frühzeitig erkennen

Traurige Verstimmung oder Depression

© Adobe Stock, Anela R/peopleimages.com

Traurig und lustlos sitzt Leon seit Tagen auf seinem Bett. Seine Mama ist besorgt: Ist das eine normale Phase oder ein Grund zur Sorge?

Jedes Kind ist mal in schlechter Stimmung: die Freunde im Kindergarten waren doof, ein verlorenes Spiel, Ungerechtigkeiten im Alltag ... es gibt viele Gründe, warum die Kleinen den Kopf mal hängen lassen - und das dürfen sie auch! Negative Gefühle sind grundsätzlich erlaubt. Hier müssen Eltern sich zunächst mal keine Gedanken machen. Die Phase darf auch mal über mehrere Tage oder eventuell auch Wochen gehen. Das kann alles im normalen, gesunden Rahmen liegen. Nur in manchen Fällen ist Vorsicht geboten - und der Kinderarzt/die Kinderärztin sollte besser einen fachmännischen Rat abgeben.

Zwar zählen depressive Verstimmungen sowie depressive Störungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Aber im Vorschulalter ist insgesamt nur ein Prozent der Kinder und im Grundschulalter etwa 2 Prozent der Kinder betroffen. Anders sieht es bei den Kindern im Alter zwischen 12 und 17 Jahren aus, hier erkranken etwa drei bis zehn Prozent aller Jugendlichen an einer Depression, heißt es bei der Deutschen Depressionshilfe.

Aber: depressive Störungen sind häufiger als Eltern annehmen

Kinder sollen fröhlich, ohne Sorgen und vor allem unbeschwert das Leben genießen - so stellen wir uns eine glückliche Kindheit vor. Nur manchmal sieht die Realität anders aus: Mindestens jeder zehnte Jugendliche erlebt bis zum 18. Geburtstag wenigstens eine depressive Episode. Darauf weist die Stiftung Kindergesundheit hin.

Immer mehr Kinder fühlen sich durch psychische und emotionale Probleme belastet, berichten Fachleute der Kindergesundheit. Sie haben in den letzten Jahren eine Zunahme von depressiver Symptomatik bei jungen Menschen registriert. "Depressive Symptome bei Kindern und Jugendlichen sind häufiger als Eltern annehmen. Gerade in den letzten Jahren ist die Zahl neu diagnostizierter depressiver Störungen deutlich angestiegen", sagt Priv.-Doz. Dr. Katharina Bühren, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Stiftung Kindergesundheit. Demnach gab es im Jahr 2019 im Vergleich zu 2009 einen Anstieg der Fälle, in denen Kinder und Jugendliche psychotherapeutische Hilfe beanspruchten, um 104 Prozent.

Verschärfung in der Coronapandemie

"Bereits vor der Coronapandemie war fast jedes fünfte Kind und Jugendliche in Deutschland von psychischen Auffälligkeiten betroffen", erklärt die Expertin. Während der Pandemie habe sich dann ihr Wohlbefinden und ihre psychische Gesundheit weiter verschlechtert. "Depressive und psychosomatische Symptome, Ängste und auch Essstörungen kommen zurzeit insbesondere bei Mädchen wesentlich häufiger vor als vor Corona", ordnet Bühren ein.

Besonders die Schließungen von Spielplätzen, Kitas und Schulen sowie die Einschränkung der sozialen Kontakte während der Coronapandemie haben Kinder und Jugendliche stark belastet, allgemeine Depressionssymptome traten häufiger zutage. "Besonders die Kinder und Jugendlichen aus bildungsfernen Familien, mit Migrationshintergrund und beengten räumlichen Verhältnissen zeigten mehr depressive Symptome als Gleichaltrige", berichtet Priv.-Doz. Dr. Katharina Bühren.

Depression kann sich ohne Behandlung verstärken

Leider werden Depressionen bei Kindern und Jugendlichen oft übersehen und nicht behandelt, weil Symptome fehlinterpretiert werden. Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. Katharina Bühren warnt: "Auch ernste Symptome einer Depression wie Freudlosigkeit oder Niedergeschlagenheit werden bei Kindern im Teenageralter häufig als eine Phase fehlinterpretiert, die zur Pubertät gehört". Aber eine Depression kann sich ohne Behandlung verstärken und zu weiteren Störungen führen. "Wer schon als junger Mensch psychisch erkrankt, hat auch als Erwachsener ein höheres Risiko für eine psychiatrische Erkrankung", warnt die Expertin der Stiftung Kindergesundheit.

Ist mein Kind einfach nur niedergeschlagen oder hat es eine Depression? Für Eltern ist es nicht ganz einfach, Warnsignale zu erkennen. Denn Kinder selbst können erst ab dem Schulalter eine gedrückte Stimmungslage in Worten richtig ausdrücken. Dann fallen eventuell Sätze wie "Niemand hat mich lieb" oder "Keiner will mit mir spielen" oder "Ich wünschte, ich wäre tot".

Folgende Symptome solltest du ernst nehmen:

  • Bei Kleinkindern bis zum Alter von drei Jahren: unspezifische Symptome.
    Sie sind vielleicht still, zurückhaltend, haben keine Lust zu spielen. Teilweise können diese Kleinen aber auch unruhig sein, sie weinen und schreien oft, essen und schlafen schlecht oder wiederholen immer wieder bestimmte Bewegungen.
  • Bei Kindergartenkindern bis zum Alter von sechs Jahren: trauriges Gesicht, verminderte Gestik und Mimik.
    Die Kinder wirken oft bedrückt, können sich nicht richtig freuen, bewegen sich ungern und leiden unter Kopf- oder Bauchschmerzen. Häufig lassen sie sich leicht irritieren, schlafen schlecht ein und haben vermehrt Albträume.
  • Bei Schulkindaltern bis zum Alter von 13 Jahren: leichte Reizbarkeit, gedrückte Stimmung, Lustlosigkeit, Unkonzentriertheit und Abfallen in der schulischen Leistung.
    Die Betroffenen äußern Selbstzweifel und möglicherweise Selbstmordgedanken.
  • Bei Jugendlichen bis zum Alter von 18 Jahren: Zurückgezogenheit, Neigung zu Grübeleien, eventuell auch Stimmungsschwankungen, Appetitstörungen sowie psychosomatische Beschwerden. Es wird häufig von Schlafstörungen sowie einem Gefühl der Leere und Lustlosigkeit berichtet und eine Verschlechterung der Schulleistungen ist zu beobachten. Bei manchen Jugendlichen können Suizidgedanken auftreten. Dies sollte man sehr ernst nehmen: Selbsttötungen stellen mit 12 Prozent die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen dar.

Reden hilft gegen düstere Gedanken

Häufig sei es allerdings nicht leicht, an ein Kind oder einen Jugendlichen mit Depressionen heranzukommen, räumt die Stiftung Kindergesundheit ein. In vielen Fällen vermeiden es Betroffene, über ihre Gefühle zu sprechen. Dabei wäre genau das so wichtig. Deshalb solltest du die Initiative ergreifen, die Gefühle deines Kindes ernst nehmen, sie benennen und mit ihm offen darüber sprechen. Schaffe dazu unbedingt eine vertrauensvolle Atmosphäre, damit du psychische Probleme früh wahrnehmen kannst.

Bringen Kinder depressive Gedanken zur Sprache oder deuten sogar an, sich das Leben zu nehmen, sollten Eltern oder andere nahestehende Personen mit ihnen darüber sprechen. "Außerdem sollten sie sich an Menschen wenden, die sie professionell unterstützen können. Erste Ansprechpartner können Beratungsstellen, Hausärzte und Hausärztinnen, Kinder- und Jugendärztinnen oder Kinder- und Jugendärzte sein", empfiehlt Priv.-Doz. Dr. Katharina Bühren. Diese können die Eltern mit ihrem Kind dann auch in eine Kinder- und Jugendpsychiatrische Praxis überweisen. Um eine depressive Störung bei Kindern und Jugendlichen zu behandeln, kann eine Psychotherapie gegebenenfalls auch begleitet mit Medikamenten in Frage kommen.

Für den Notfall: Hilfe für Betroffene

Geschulte Gesprächspartner:Innen, die in Lebenskrisen schnell akute Hilfe bieten können, erreichst du bzw. dein Nachwuchs:

  • bei der evang. Telefonseelsorge Tel: 0800-111 0 111 und bei der kath. Telefonseelsorge Tel: 0800-111 0 222,
  • bei der "Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche" unter Tel. 116 111,
  • bei der "Nummer gegen Kummer für Eltern" unter Tel. 0800-111 0 550

Eine Liste weiterer Hilfsangebote bietet die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention unter www.suizidprophylaxe.de.

Der beste Ansprechpartner/die beste Ansprechpartnerin für dich wenn du dir Sorgen um dein Kind machst, ist immer dein Kinderarzt/deine Kinderärztin, der/die dein Kind schon lange kennt. Aber falls du eine erste Einschätzung brauchst, kannst du dich auch gern mit deinen Fragen an unsere Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin Ingrid Henkes in ihrem Expertenforum wenden.


Quellen:
Kinderärzte im Netz: Depressionen bei Kindern häufiger als Eltern glauben
Deutsche Depressionshilfe: Depression im Kindes- und Jugendalter

Zuletzt überarbeitet: April 2023

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