Nachfrage und Rückmeldung: "Meins!" und erschwerte Loslösung und Fremdbetreuung

Dr. med. Rüdiger Posth Frage an Dr. med. Rüdiger Posth Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

Frage: Nachfrage und Rückmeldung: "Meins!" und erschwerte Loslösung und Fremdbetreuung

Guten Tag, Herr Dr. Posth, ganz herzlichen Dank für Ihre sehr erhellende Antwort vom 08.09.2004 auf mein Posting "Meins!" und Wutgeheul mit 18 Monaten"! Zusammen mit Ihrem Langtext hat es bei mir richtig "klick" gemacht und ich kann nun sehr viel besser verstehen, was in meiner Tochter vorgeht! Sie "kämpft" tatsächlich verbissen und da ich es jetzt besser verstehe, kann ich wesentlich gelassener damit umgehn! Ganz herzlichen Dank! :-))) Ich habe noch zwei Nachfragen zur "dritten" Person und zur Fremdbetreuung. Zur LOSLÖSUNGSFIGUR : Wie lange und wie oft müsste eine solche Person verfügbar sein? Ist es unabdingbar, dass sie dann auch Aufgaben wie wickeln und ins Bett bringen übernimmt? Ist es wichtig, dass es nur eine Person ist (weil sonst vielleicht Verwirrung aufkommt)? Es muss nicht unbedingt ein Mann oder ein Partner der Mutter sein, nicht wahr? Inwieweit könnte ev. die Erzieherin in der Kita als Loslösungsvorbild fungieren??? Bis wann in der Entwicklung meiner Tochter müsste denn eine solche Person verfügbar sein, damit sie als Loslösungsvorbild noch "tauglich" sein kann? (Zur Erläuterung: Der Patenonkel meiner Tochter verbringt jedes Wochenende einen ganzen Nachmittag und abend mit uns und stellt sich dann auch komplett auf sein Patenkind ein und spielt ausgiebig mit ihr. Das ist vermutlich besser als nichts, aber schon ausreichend? Der Vater ist fast jede Woche für zwei oder drei Abende da - dann aber erst ca. 1 bis 1 11/2 Std. vor dem ins Bett gehn (das immer ich übernehme).. :-(. Ein Onkel besucht uns auch öfters. (Da haben wir schon drei Männer, die alle hin und wieder "auftauchen" und wieder weg sind, aber alle nicht wirklich beständig "verfügbar"... keine ganz glückliche Situation) Die einzige Oma wohnt leider sehr weit weg...) Wie kann ich denn als Mutter eine positive Selbstattributierung befördern (insbesondere, wenn eine stabile "Loslösungsfigur" noch etwas auf sich warten lässt)? Wie kann das konkret aussehen, im "Inneren durch positive Loslösungserlebnisse ihr Selbst zu bestärken"? Und wenn es nun nicht gelingt, ein solides Loslösungsvorbild zu "beschaffen" ;-), womit muss ich denn dann für die Entwicklung meiner Tochter rechnen??? Was kann ich tun, wie kann ich dann "gegensteuern"? Schliesslich die FREMDBETREUUNG: Inwieweit spielt die Fremdbetreuung meiner Tochter seit dem 8. Lebensmonat in das Szenario der erschwerten Loslösung mit hinein? Verschärft das in ihren Augen die Situation? (Da ich arbeiten muss, kann ich sie leider nicht zu Hause behalten, aber ich könnte versuchen, die Betreuungszeit etwas zu verkürzen, jetzt ist sie täglich 6,5 Std. in der Kita). Ich denke, dass die Eingewöhnung sehr gut lief und die Betreuung auch jetzt noch weitgehend gelingt. Sie schrieben ja in einem anderen Posting zur frühen Fremdbetreuung: "Demzufolge braucht eine -sagen wir- einigermaßen gelungene, frühe Fremdbetreuung für sich allein noch keinen nennenswerten Schaden in der Entwicklung anrichten. Aber die weitere Entwicklung erfordert ein höheres Augenmerk. Z.B. müssen aggressiv unterstützte Loslösungerscheinungen, die wahrscheinlich häufiger sein werden, toleranter hingenommen werden und mit strafferen Regeln kombiniert sein. Oder es sollte später die Selbstattributierung (s. mein Text), also alles das, was ein Kleinkind gut an sich erlebt, gefördert und unterstützt werden, usw. Die möglichen Gefahren für mißlungen früh betreute Kleinkinder liegen ganz generell v.a. in aggressiv-oppositionellen Verhaltensweisen, schlechter Aufmerksamkeitspanne, hyperkinetischen Erscheinungen und antisozialem Verhalten." Können Sie mir bitte noch einen erklärenden Satz zu den "aggressiv unterstützten Loslösungerscheinungen" schreiben? Ist es das, was ich an meiner Tochter wahrnehme? Was verstehen Sie unter "toleranter hingenommen werden und mit strafferen Regeln kombiniert sein"? Welche Art von Regeln? Bitte entschuldigen Sie, dass mein Text wieder so lang geworden ist! Sie haben mir ja schon sehr geholfen und ich würde mich im Interesse meiner Tochter sehr freuen, wenn Sie mir auch diese Fragen beantworten könnten! Herzlichen Dank!!! Viele Grüße Friederike

Mitglied inaktiv - 14.09.2004, 12:54



Antwort auf: Nachfrage und Rückmeldung: "Meins!" und erschwerte Loslösung und Fremdbetreuung

Liebe Friederike, leider bin durch ein Computerproblem ins Hintertreffen geraten. Daher kann ich nicht alles detailliert beantworten. wäre auch zuviel für eine Antwort. Also das Loslösungsvorbild braucht das v.a. bis das eigene Selbst "steht". Etwa mit 3-4 Jahren im Normalfall. Meßbar ist das natürlich nicht. Nur fühlbar durch den anderen. Das Loslösungsvorbild sollte wie die primäre Bindungsperson möglichst nur einer sein. Aber das Kind stellt selbst eine Hierarchie auf, wenn Personen konkurrieren. Positive Attributierung des Selbst geht erst, wenn das Kind soweit mit seinem Selbst gefestigt ist, da´ß es diese Attribute auf sich beziehen kann. Allerdings fängt es mit Sachattributen Meins-deins schon nach dem zweiten Geburtstag an. Es sagt zwar auch schon "selber machen", aber das ist noch Selbstbehauptungsphase. Freigeben aus der primären Bindung ist die beste Unterstützung der Loslösung. Geschieht das nicht, unterstützt das Kind je nach Charakter die Loslösung aggressiv. Beständigkeit in den Entscheidungen der Eltern ist wichtig und auch eigene Durchsetzungskraft, wenn das Kind -sagen wir- mit seinen Forderungen übertreibt. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 20.09.2004



Antwort auf: Nachfrage und Rückmeldung: "Meins!" und erschwerte Loslösung und Fremdbetreuung

Hallo Herr Dr. Posth, hier noch mal ein Nachtrag... Letzte Nacht hat meine Tochter sehr schlecht geschlafen, ist immer wieder aufgewacht und hat einmal im Traum auch herzzerreissend "meins, meins, meins!" gerufen und gewimmert... :( Sie muss offenbar auch nachts das Thema verarbeiten, was mich durchaus beunruhigt. Wie beurteilen Sie das? Zur Kita: Ob sie dort wirklich gut aufgehoben ist, muss ich in letzter Zeit leider bezweifeln. Sie scheint mir dort zusehends "allein gelassen" (die Erzieherinnen stehen draußen alle zusammen und die Kids "spielen frei", scheinen also weitgehend sich selbst überlassen...). Heute morgen habe ich beobachtet, dass meine Tochter (ohne mich zu sehen und ca. 30 min., nachdem ich sie abgegeben hatte), immer wieder recht laut und irgendwie traurig "Mama, Mama, Mama!" rief, allerdings ohne zu weinen. Was taten die Erzieherinnen? NICHTS! Die haben das einfach komplett ignoriert, obwohl zu diesem Zeitpunkt kein anderes Kind ihre Aufmerksamkeit gebunden hätte. :-((( Vielleicht bin ich überempfindlich, aber insgesamt gehen sie dort meiner Meinung nach mit den Kleinen nicht so liebevoll um, wie ich mir das wünschen würde... auf Nachfrage heisst es aber selbstverständlich immer, dem Kind gehe es gut. Im Sommer weinte sie auch beim abgeben öfter, seit sie Ihren Schnuller mitnehmen darf und ich ihr immer wieder erkläre, dass ich bald wieder komme, geht es besser. Dennoch: Ich emfinde es so, als wäre meine Tochter zusehends traurig und resigniert (ich beobachtete sie dort auch einmal, wo sie geschlagene 5 Minuten nichts anderes tat als auf einem Bobbycar zu sitzen und zu schauen. Keine Bewegung, kein Laut. Nichts.) Mich beunruhigt das sehr und ich denke, ich sollte eine andere Betreuungsmöglichkeit für sie finden. Sie werden das vermutlich ähnlich sehen, oder? Sorry, dass ich nun nochmal so weit aushole, aber ich habe den starken Eindruck, dass da gründlich etwas schief läuft, weiss aber nicht so recht, was ich tun kann. Ganz herzlichen Dank für Ihre Antwort und für Ihre Arbeit hier im Forum! Friederike

Mitglied inaktiv - 16.09.2004, 12:10



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