Lieber Dr Posth,
sie schrieben an eine Teinehmerin in der letzten Woche:
"Worauf Eltern aufpassen müssen, ist, daß sie ihr Einzelkind nicht zu sehr in die Rolle eines dritten Erwachsenen drängen (meist völlig unbewußt)."
Koennen Sie das naeher erklaeren?
Danke und viele Gruesse
Christiane
Mitglied inaktiv - 27.02.2006, 11:28
Antwort auf:
Einzelkind
Stichwort Parentifizierung
Liebe Christiane, was ich damit gemeint habe, ist das Phänomen, das man in der Fachsprache als Parentifizierung bezeichnet. Es bedeutet, daß Kinder, sobald sie etwas älter geworden sind, automatisch in eine Rolle gedrängt werden, der gewöhnlich partnerschaftliche Aufgaben zukommen. So etwas geschieht natürlich bei Alleinerziehenden viel häufiger, und dann vor allem dann, wenn das Kind gegengeschlechtlich ist. Allerdings kommt die Konstellation Vater-Tochter viel seltener vor als Mutter-Sohn.
Aber auch in intakten Beziehungen gibt es diese Erscheinung dann, wenn ein Partner aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen häufig ausfällt. Einzelkinder sind dadurch häufiger betroffen, daß sie ohnehin den Erwachsenen näher stehen als Geschwisterkinder, die meistens in der Gruppe abtauchen und sich solchen Zuweisungen entziehen. Aber auch Geschwister können parantifiziert werden.
Eine solche Entwicklung unterbricht beinahe regelmäßig die normale kindliche Entwicklung. Die einzige natürliche Ausnahme ist der Auftrag an ältere Geschwister, auf die Jüngeren mit aufzupassen. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 28.02.2006