Hallo Dr. Posth,
Danke für Ihre Antwort auf meine Frage letzte Woche (Zuw. z. Vater). Ergänzend dazu möchte ich gerne wissen, wie man in der Praxis "geschickt" mit den beiden Geschwistern umgeht, sprich: Beide haben ihre Bedürfnisse, ich bin tagsüber alleine, kann mich nicht teilen.
Auf die Bedürfnisse des Kleinen möchte ich ja unmittelbar reagieren, ihn nicht schreien/ meckern lassen. Für den Großen heisst es aber dann, dass ich oft mitten im Spiel unterbrechen muss, weil der Kleine "wichtiger" (in seinen Augen?) ist. Der Kleine möchte tagsüber auch nicht so gerne alleine abgelegt werden, will viel auf dem Arm sein.Das "stört" natürlich auch beim Spielen mit dem Großen. Ich erkläre dem Großen viel, lasse ihn an allem teilhaben, gehe auf regressive Wünsche (trinken wie Baby etc) ein.
Ich möchte aber keinesfalls, dass eines der Kinder das Gefühl hat, es sei weniger wichtig als das andere. Wie kann man das gescickt anstellen unter Berücksichtigung der unterschiedliche Bedürfnisse?
Mitglied inaktiv - 17.05.2010, 10:49
Antwort auf:
Bedürfnisse zweier Kinder
Stichwort: Elterngerechtigkeit
Hallo, Sie sprechen da eine sehr wichtige Frage an, die erstaunlicherweise eher selten kommt. Die Frage nach der gerechten Beachtung und Zuwendung von Eltern bei mehreren Kindern. Um es gleich vorweg zu sagen, eine absolute Gerechtigkeit gibt es in diesem Zusammenhang nicht. Die Dynamik der Eltern-Kind-Beziehungen lässt es nicht zu, dass alle Kinder immer gleich behandelt werden. Selbst wenn Eltern noch so gerecht in der Verteilung ihrer Gunst sind, die bei Kleinkindern immer sehr subjektive und auch etwas selbstsüchtige Sicht, was den eigenen Vorteil angeht, lässt diese Gleichheit nicht zu.
Denn ob sich ein Kind benachteiligt fühlt oder nicht, haben die Eltern nicht allein in der Hand. Das eine Kind fordert mehr und sieht sich schnell benachteiligt, das andere fordert weniger und wird allein deswegen auch etwas weniger beachtet. Man kann das gar nicht verhindern. Und so kann es sein, dass beide genug bekommen und zufrieden sind, aber ebenso gut auch beide unzufrieden sind mit dem, was sie bekommen und stark rivalisieren.
Im Wesentlichen gibt es nur den -sagen wir- asymmetrischen Ausgleich. Mal bemommt das eine Kind etwas mehr, weil es gerade bedürftig ist oder weil es meint, mehr fordern zu müssen, und mal ist dann das andere Kind dran. Es muss eigentlich nur die Bilanz auf etwas längere Sicht stimmen. Und was sehr wichtig ist, benachteiligende Aussagen über ein Kind sollten grundsätzlich unterbleiben. Momentane Ablehnungen sollten in verstänlichen Worten erklärt werden. Man kann jetzt ein Kind auch auf etwas spätere Angebote vertrösten, nur zu langer Aufschub wird noch nicht verstanden und demzufolge auch nicht toleriert. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 20.05.2010