Wir haben eine 2 1/2 Jahre alte Tochter, sie ist eine aufgewecktes Mädchen, wächst in einem harmonischen Familienumfeld auf. Mich würde nun mal folgendes interessieren. Unsere Tochter ist seit jeher eher ängstlich veranlagt, Angst vor Tieren, gewissen Sachen, im Moment noch sehr Scheu bei einer grösseren Ansammlung von gleichaltrigen Kindern. Sie ist auch nicht der Typ, welcher sich gross wehrt, wenn ihr etwas weggenommen wird, sehr sozial veranlagt. Auf der Gegenseite hat sie überhaupt keine Angst vor Erwachsenen (ausser vor gewissen Männertypen) oder grösseren Kindern, geht überall ohne Probleme mit, zB. zum Götti, den sie nicht allzuviel kennt. Auch auf dem Spielplatz geht sie ohne Probleme auf Erkundungstour. Zudem läuft sie mir oft weg, ohne sich nochmals nach mir umzudrehen, hat überhaupt keine Angst, wenn sie uns nicht mehr sieht. Mich würde nun mal interessieren, woher diese Unterschiede kommen. Auf der einen Seite eher ängstlich veranlagt und andererseits gar nicht? Danke
Mitglied inaktiv - 27.03.2006, 13:24
Antwort auf:
Aengstlich und mutig
Stichwort Angst und Furcht
Hallo, der Widerspruch im Verhalten Ihrer Tochter läßt sich erklären. Es gibt zwei Arten von Angst im Menschen, die in der deutschen Sprache auch unterschieden werden. Man spricht von Angst und Furcht. Die Angst ist ein nach innen gerichtetes unerklärliches Gefühl von Unbehagen und tritt schon in den ersten Lebenswochen auf als Urangst. Diese Urangst findet ihre Fortsetzung in Trennungs- und Verlustängsten, die in der Kindheit sehr häufig auftreten, sowie später z.B. in der Todesangst, der Versagensangst oder der depressiven Angst.
Die Furcht hingegen ist nach außen gerichtet auf ein Objekt, welches angstmachend ist. Vor solchen Objekten fürchtet sich das Kind. Am bekanntesten sind Ängste vor bestimmten Tieren, vor Dunkelheit, vor dem Gewitter oder vor "bösen Menschen".
Wie sich ein zu Angst und Furcht veranlagtes Kind entwickelt, hängt stark mit dem familiären Umfeld zusammen und mit den Erlebnissen, die es macht. Dazu kommt die Charakteranlage, die entweder überwiegend introvertiert und sorgenvoll ist oder extrovertiert und sorglos. Schließlich spielt auch noch eine Rolle, ob es eien sichere Bindung eingegangen ist oder ambivalent oder vermeidende Bindungsanteile aufgenommen hat.
Aus diesen vier Komponenten setzt sich im Wesentlichen das Verhalten des Kindes zusammen, wenn es um Selbstdarstellung und Sozialkontakte geht. So mag das eine Kind sehr furchtsam sein, ist aber in der Gruppe eher offensiv und wortführend. Oder das andere Kind hat kaum Objektängste, ist aber sehr zurückhaltend im Umgang mit anderen, ihm fremden Menschen und wägt genau ab, was es in der Gruppe zur Darstellung bringt. Ihre Tochter zählt eher zum zuerst genannten Typ, hat aber sicher altersbedingt noch Probleme, in der Gruppe so aufzutreten, wie es ihr zukäme. Da muß man also auch noch die Sozialentwicklung hinein rechenen. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 29.03.2006