Frage: Behinderung erkennen?

Lieber Herr Professor Jorch! Ich hatte Ihnen die Frage nach der Feststellung und dem Zeitpunkt von Behinderungen schon einmal gestellt, woraufhin Sie mir geantwortet haben, dass es eher unwahrscheinlich sei, dass meine Tochter leichte motorische Störungen und geistige Behinderungen haben könnte, da weder eine Hirnblutung noch eine PVL vorläge. 1.eine Hirnblutung 1-2.Grades beidseitig lag vor und 2. was bedeutet bitte PVL? Wann würden sich denn körperliche und geistige Behinderungen frühestens bemerkbar machen? Noch finde ich (8 Monate(korr.5 Monate) entwickelt sich meine Tochter eigentlich recht gut, bis auf das sie eventuell mit der Grobmotorik etwas hinterher hinkt. Also, Lernschwächen ist mir klar, dass man diese erst spätestens in der Schule erkennt, aber alle anderen Dinge kann man doch sicher auch im Babyalter schon erkennen, denn eine Spastik kann man ja auch schon ausschließen!? Oder eher später? Vielen Dank nochmals für Ihre Antwort!

Mitglied inaktiv - 07.10.2005, 12:01



Antwort auf: Behinderung erkennen?

PVL bedeutet Untergang von Hirngewebe durch Minderdurchblutung. Man sieht dann Zysten ("Löcher") im Hirnultraschall oder zumindestens eine Verdichtung der Echos. Folgende Typen von Behinderungen gibt es: 1. Motorische Störungen: Schwre lassen sich bereits im ersten lebenshalbjahr, leichte (Störungen der Feinmotorik bzw. Geschicklichkeit erst im 2. oder 3. Lebensjahr sicher erkennen. 2. Geistige Störungen: Leichtere Lernstörungen machen sich manchmal erst unter den Herausforderungen der ersten beiden Grundschuljahre bemerkbar, schwerere deuten sich manhcmal schon ab 3 Jahren an. 3. Verhaltensstörungen: wie 2. 4. Wahrnehmungsstörungen: Sehschwäche und Hörstörungen können bereits bei Säuglingen diagnostiziert werden, Verarbeitungsstörungen der Sinneseindrücke im Hirn machne sich spätestens mit 3-6 Jahren bemerkbar. 5. Epileptische Krampfanfälle: Treten im Zusammenhang mit Frühgeburt eigentlich nur bei schwerer Behinderung auf. Wenn sie sich bei einem sonst normal entwickelten Frühchen zeigen, ist ein Zusammenhang mit der Frühgeburt unwahrscheinlich. Ich hoffe, dass ich Ihnen nicht zuviel Sorgen bereitet habe. Ihre Angaben (Blutung nicht über 2. Grades, normale Entwicklung mit 5 korrigierten Monaten) sprechen jedenfalls gegen das Vorliegen einer deutlichen Behinderung.

von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 08.10.2005



Antwort auf: Behinderung erkennen?

Ich hab keinen rat, bin ja auch kein Dok aber hier die Definition PVL: Diese letzte Form haben viele Frühgeborene in milder Form. Sie entsteht durch Untergang von Nervenfasern in der Nachbarschaft der Hirnkammern (Periventrikuläre Leukomalazie = PVL). Das kann mit späteren Entwicklungsstörungen verbunden sein, muß es aber nicht. Kerstin

Mitglied inaktiv - 07.10.2005, 12:05



Antwort auf: Behinderung erkennen?

Und woran oder wie wird diese PVL erkannt? Durch normalen US oder durch ein MRT?

Mitglied inaktiv - 07.10.2005, 12:20



Antwort auf: Behinderung erkennen?

die PVL oder periventrikuläre Leukomalazie ist die Folge eines Sauerstoffmangels oder einer Druchblutungsstörung ganz typisch für das unreife Gehirn des Frühgeborenen. Periventrikulär heißt "neben den Ventrikeln". Die Ventrikel sind die Hirnkammer. Leukomalazie heißt Erweichung der weißen Substanz. In der weißen Substanz verlaufen die Fortsätze des ersten Motoneurons (motorische Nervenzelle), das für die Willkürbewegungen verantwortlich ist. Unmittelbar an die Ventrikel angrenzend verlaufen die Bahnen für die Beine, daneben erst die für die Arme, Die Schädigung kann entstehen um den Zeitpunkt der Geburt herum, aber auch unbemerkt bereits vor der Geburt im Mutterleib. Diese Stelle neben den Seitenventrikeln ist ganz besonders empfindlich, weil sie 1. in der Grenzzone von zwei Gefäßversorgungsgebieten liegt und 2. dort in dieser Phase der Hirnentwicklung ein besonders hoher Sauerstoffbedarf besteht. Durch die Schädigung entstehen in der weißen Substanz mehr oder weniger große Cysten, die später in den Seitenventrikel mit einbezogen werden, sodaß die Wand des Seitenventrikels unregelmäßig und zipfelig ausgezogen erscheint, und die Seitenventrikel erweitert sind. Natürlich gibt es unterschiedliche Schweregrade, einseitige oder beidseitige Veränderungen. Je ausgedehnter die Schädigung, um so wahrscheinlicher zeigt sich auch als Folge eine Bewegungsstörung, meist eine Spastik. Bei schweren Fällen kommen auch geistige Behinderungen vor. Mit Diplegie oder Diparese bezeichnet man eine spastische Bewegungsstörung, die nur oder überwiegend die Beine betrifft. Die Diagnose PVL wird in der ersten Zeit sonographisch (mit Ultraschall) gestellt. Nach Abschluß der Hirnreifung, am Ende des 2. Lebensjahres kann in Zweifelsfällen auch eine MRT= Kernspinuntersuchung eine genaue Darstellung ergeben. Vorsicht, Bildgebung und Klinik stimmen nicht immer überein. Ein schlimmes Bild kann mit einer milden Symptomatik einhergehen oder umgekehrt. Daher sollte man am Anfang aus dem Bild keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Es kommt vielmehr ganz auf die Entwicklung des Kindes an. Auf jeden Fall sollte bei der klinischen Diagnose Diplegie zur Förderung und Behandlung regelmäßig Krankengymnastik durchgeführt werden. Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für Ihren Sohn Ihre Dr. Rauterberg-R

Mitglied inaktiv - 07.10.2005, 12:40



Antwort auf: Behinderung erkennen?

Vielen Dank! Hat mir sehr geholfen. Solch eine Diagnose ist bei meiner Tochter noch nicht gefallen.Gruß Andrea

Mitglied inaktiv - 07.10.2005, 13:02



Antwort auf: Behinderung erkennen?

Freut mich. Bin ja kein Dok aber ich weiß ja, wie es ist, wenn man ne Frage hat und auf Antwort wartet. Alles Gute für euch! l.G. Kerstin

Mitglied inaktiv - 07.10.2005, 13:04



Antwort auf: Behinderung erkennen?

Hallo. Meine tochter Eileen kam in der 29. SSW zur Welt. Sie hatte Hirnblutungen 2. Grades und daraus entwickelte sich eine PVL. Sie ist inzwischen 2,8 Jahre alt. Die PVL macht sich leider bemerkbar. Sie kann noch nicht laufen. Hat eine beinbetonte spastische Diplegie. Zum Glück nur eine sehr leichte Form davon. Sie trug bis vor kurzem knöchelhohe Orthesen nach Nancy Hilton. Jetzt brauch sie nur noch die Einlagen davon, Weil die Spastik in den Beinen sich immer häufiger lockert. Sie kann jetzt sogar auf Stühle klettern, Hurra!! Geistig ist sie voll und ganz auf dem Stand eines 2,8 Jahre alten Kindes. Sogar etwas weiter in manchen Gebieten. Seit kurzem kann sie alle Farben malt wie ein Weltmeister und liebt Bücher über alles. Auch das Sprechen klappt sehr gut. Bin mächtig stolz auf meine Kleine. Die Diagnose Diplegie bekamen wir mit ca. 18 Monaten. War aber vorher auch schon auffällig. Hat Spät gekrabbelt und sich hochgezogen. Aber mach Dir keine sorgen wenn die Blutung nicht über 2. Grades hinausgingen. PVL wurde nach 6 Wochen bei einem MRT festgestellt. Allerdings auch "nur" eine leichte Form davon. Sie hatte eine Zyste die später zusammen schrumpfte. Habe jetzt viel geschrieben, konnte Dir aber hoffentlich ein bißchen helfen. Viel Spaß weiter mit deinem Mäuschen Daniela mit Eileen!!

Mitglied inaktiv - 10.10.2005, 18:28



Antwort auf: Behinderung erkennen?

Danke für Deine Antwort. Haben die Ärzte denn nicht beim Kopfultraschall die PVL erkennen können? Ich habe gehört das geht. Und die Spastik hat man bei Alina schon ausgeschlossen. Wie geht das denn, wenn bei Deiner Tochter das erst mit 18 Monaten festgestellt wurde? Bin etwas verunsichert, weil ich dachte das mit der Spastik sei ausgestanden? Gruß Andrea

Mitglied inaktiv - 10.10.2005, 19:32



Antwort auf: Behinderung erkennen?

Hallo Andrea, meine Tochter heißt auch Alina, ist jetzt knapp 10 Monate alt und zwei Wochen vor Termin per KS zur Welt geholt worden. Wärend der SS wurde per US ebenfalls eine PVL festgestellt. Kurz darauf musste ich ins MRT und dort wurden dann um die PVL Zysten gefunden. Wir hatten dadurch in der SS schon viele Sorgen. Gottseidank ist sie bisher normal entwickelt. Sie hat keine Spastiken o.ä. Wir gehen noch regelmäßig zur Krankengymnastik und alle drei Monate zur Schädelsono und Entwicklungsneurologie in München. Ich wollte dir nur etwas Mut zusprechen, denn wie du siehst, heißt diese Diagnose nicht sofort, daß auch später eine Behinderung vorliegen muss. Natürlich wissen wir nicht, was in ein paar Jahren sein wird, aber schwere Behinderungen sind schon so gut wie ausgeschlossen. Wenn du möchtest, oder noch weitere Fragen hast, hier meine Emailaddi: haeusl@arcor.de Liebe Grüße und alles gute, Melanie

Mitglied inaktiv - 11.10.2005, 22:30



Antwort auf: Behinderung erkennen?

Hallo. Bei Eileen wurde leider gar nicht auf die Beine geachtet. Es wurde nur gesehen das ihr Körper asymetrisch war und sie die Hände ständig geschlossen hielt. Das sie aber spät erst krabbelte und nicht lief darauf wurde einfach zu spät eingegangen. wie gesagt sie hat nur eine sehr leichte Spastik die sie aber trotzdem noch daran hindert zu laufen. Aber sie wird mal laufen und das ist wichtig. Wenn die Ärzte eine Spastik bereits ausgeschlossen haben würde ich mir keine Sorgen machen. Dann müßte deine Tochter schon vorher Auffälligkeiten haben. ( auf die bei Eileen ja leider nicht so geachtet wurden). Ja die PVL wurde beim Kopfultraschall festgestellt. Man hat es uns aber nicht gesagt!!!! wir haben es dann im Abschlußbericht für den KIA gelesen und der hat uns dann aufgeklärt was PVL bedeutet. Ist halt leider so einiges Schief gelaufen bei uns. Aber die Maus macht sich prächtig. Ich wünsche Dir und Deiner Tochter alles Gute und mach Dir nicht soviele Sorgen. Selbst wenn irgendwelche Beeinträchtigungen auftreten muß man sie akzeptieren. Man kann dann nur alles tun um dem Kind ein möglichst normales Leben zu bieten. Liebe Grüße Daniela

Mitglied inaktiv - 12.10.2005, 18:12



Antwort auf: Behinderung erkennen?

Hallo! Ich mache mir große Sorgen um eine Freundin. Sie hat vor 5 Monaten ein Baby bekommen. Es ist ein Mädchen. Dieses Kind hat einen sehr großen Kopf mit vorgewölbter Stirn. Dieses Baby reißt seine Augen immer sehr weit auf und wenn man mit dem baby redet oder es anguckt reagiert es kaum es versucht auch immer den blicken auszu weichen. Dieses Baby gibt mir in seiner nähe ein ungutes Gefühl fast sogar angst. Die Haare sind auch komisch hart schon fast so borstig wie bei einemkurzhaar hund. Auch zwischen der Mutter und dem Kind sind keinerlei Gefühle zu merken auch da ist keine reaktion auf einander zu merken. Ich glaube das das kind geistig behindert ist. Kann das sein? Kann man das jetzt schon festsellen? In der nähe dieses Kindes (klingt jetzt albern und blöd) hat man das gefühl wie bei einem horror roman. Helfen Sie mir! MFG Sandra

Mitglied inaktiv - 25.10.2005, 19:24



Antwort auf: Behinderung erkennen?

Hallo, bei uns ist es genauso gelaufen. Hast Du Lust auf einen Erfahrungsaustausch? LG Prinzchen

Mitglied inaktiv - 16.07.2010, 14:45



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