Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stundenlanges Stillen mit 6 Wochen

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Stundenlanges Stillen mit 6 Wochen

Danielle16

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Hallo Frau Welter, meine Tochter (6 Wochen) wurde aufgrund des Verdachts auf Plazentainsuffizienz in der SSW 37+1 per Kaiserschnitt (Beckenendlage) geholt und wog bei der Geburt nur 2.410 Gramm. Ich stille voll und mittlerweile haben wir ein stolzes Gewicht von 4.100 Gramm erreicht. Allerdings stille ich auch jeden Tag stundenlang, weil meine Tochter sonst unruhig wird und nach einer gewissen Zeit auch anfängt unglücklich zu schreien. Meist geht es nachmittags los, dass sie alle 10 Minuten an die Brust will. Sie ist gut angelegt und trinkt zwischen 20 und 40 Minuten an einer Brust, dann lege ich sie ab und gleich darauf wird sie wieder quängelig und zeigt Hungerzeichen (Hände in den Mund, Suche nach Brustwarze). Es kommt nicht selten vor, dass dies so 8 Stunden oder mehr geht. Rekord waren 12 Stunden ununterbrochenes Stillen. Wir sind völlig unflexibel und können praktisch nirgends für längere Zeit hingehen. Die Kinderärztin meinte zudem, wir sollten langsam aufpassen, dass es gewichtsmäßig nicht ins andere Extrem kippt und sie zu viel zunimmt. Wir sollen ihr Saugbedürfnis mit einem Schnuller stillen. Den Kirschschnuller (0-6 Monate) hat sie sofort ausgespuckt und anschließend sogar gewürgt. Er wirkte auch viel zu groß für ihren kleinen Mund. Vielleicht will sie jetzt alles "nachholen", was sie im Bauch zu wenig erhalten hat? Oder sich selbst durchs Stillen regulieren? Ich weiß nicht mehr weiter, haben Sie einen Rat?


Biggi Welter

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Liebe Danielle16, für ein so junges Baby ist es tatsächlich vollkommen normal, dass es „dauernd" trinken möchte. Wenn du bedenkst, dass der Magen deines Babys gerade mal so groß wie ein Tischtennisball ist und sein Organismus auf häufige kleine Mahlzeiten eingestellt ist, dann verstehst du, dass ein Baby dauernd an die Brust mag. Und es ist völlig okay, wenn es dauernd angelegt wird :-). Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte. Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiteneinzuhalten. Im Extremfall kann das „Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch. Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt. Außerdem haben die Babys auch oft Durst bei dieser Hitze. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Altersstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Das Dauerstillen kann sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, dass die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Wird in dieser Situation zugefüttert, wird der Brust kein erhöhter Bedarf signalisiert und die Milchmenge kann sich auch nicht auf den erhöhten Bedarf einstellen. Das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wird gestört und es kann der Beginn eines unfreiwilligen Abstillens sein. Gib dir und deinem Kind die Zeit, die ihr beide braucht, um euch an das neue Leben zu gewöhnen. Leider ist es in unserer Kultur nicht (mehr) so sehr verbreitet darauf Rücksicht zu nehmen, dass eine Frau, die gerade ein Kind geboren hat, Zeit braucht. Zeit zur Erholung, Zeit zum gemeinsamen Kennenlernen des neuen Menschleins, Zeit ums sich an die ganze Veränderung, die so ein kleiner Erdenbürger mit sich bringt zu gewöhnen. Dazu kommt, dass in bestimmten Altersstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen und dein Baby ist im typischen Alter. Die Abstände können mit der Zeit durchaus länger werden, aber im Moment solltest du dich nicht verunsichern lassen, du machst nichts falsch - ganz im Gegenteil! Wenn es dir allerdings wirklich so schlecht geht, hole dir bitte Hilfe, nicht du eine Wochenbettdepression bekommst! Bitte geh zum Arzt und bitte ihn darum, dir zunächst eine Haushaltshilfe „zu verschreiben“ (wegen chronischer Erschöpfung), so findest du sicherlich schnell jemanden. Bis dahin versuche, dir die Tage so leicht wie möglich zu machen. Die Tage sind einfacher, wenn das Baby am Alltag teilnehmen kann. Dazu ist ein Tragetuch das optimale Hilfsmittel. Ein Tragetuch ist fast ein Zaubermittel. Das Baby kann die Nähe der Mutter spüren, es wird sich an ihrem Körper beruhigen, Koliken verringern sich, es wird weniger weinen, vielleicht sogar recht gut schlafen und du hast mindestens eine Hand frei (und auch deinen Kopf, weil das Baby wieder ruhiger ist), um andere Dinge zu tun. Versuche es einmal. Eine Autorin nennt dies so schön „Perspektive teilen". Das Tragetuch ermöglicht es dem Kind, am Leben der Familie problemlos teilzunehmen und die Perspektive zu teilen. Viele Kinder brauchen getragen nicht so arg oft die Brust. Lieben Gruß, ich wünsche dir von Herzen, dass du Hilfe bekommst. Biggi


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