Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

so oft stillen

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: so oft stillen

Mitglied inaktiv

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Liebe Frau Welter, erstmal vielen vielen Dank für Ihre Antworten auf meine teilweise unbeholfenen Fragen. Mein Sohn (4 Monate) wacht Nachts in der letzten Zeit ziemlich oft auf und will ein paar Minuten an der Brust trinken und schläft dann vielleicht wieder eine Stunde. In einen Ihrer Antworten habe ich gelesen, dass das aufgrund seiner Entwicklung normal sei. Kann es auch daran liegen, dass er einfach zu kurz bzw. zu wenig trinkt? Soll ich ihn beim Stillen mal versuchen länger wach zu halten?? (geht das überhaupt?) Ich komme fast gar nicht mehr zum Schlafen und bin total müde. Noch eine kurze andere Frage: ich gehe noch in die Rückbildungsgymnastik. Dort können alle Mütter ihre Babys in den nebenliegenden Raum zum Babysitten abgeben. Das Problem ist nur, dass es dort nur eine Betreuungsperson gibt und sobald ein Baby (sind ca. 10) anfängt zu schreien, fangen alle anderen auch an incl. mein Sohn. Das heißt also, das höchstwahrscheinlich fast alle Babys eine Stunde lang schreien. Wir Mütter halten diese Situation fast nicht aus und ich habe so ein schlechtes Gefühl und Gewissen, wenn ich meinen Kleinen da so sich selbst überlasse. Was würden Sie an meiner Stelle tun??? Ich ertrage es nicht, wenn er so lange schreit. Die dortige Hebamme ist schon so abgebrüht, dass sie uns allen nur vorwirft, dass wir unsere Babys schon viel zu verwöhnt hätten. Meine Schwiegermutter wohnt in der Nähe von der Hebammenpraxis, wo die Gymnastik stattfindet, aber auch da will ich meinen Sohn eigentlich nicht allein lassen. Bin ich zu "übermuttert"??? Wäre super, wenn Sie mir dazu auch mal Ihren Rat dazu geben. Vielen herzlichen Dank. Barbara


Biggi Welter

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Liebe Barbara, Sie können es natürlich versuchen, dass Sie Ihr Baby länger anlegen, aber wahrscheinlich wird es nicht klappen. Ihr Baby wacht wahrscheinlich nicht sooft auf, weil es hungrig ist, sondern weil es die Erlebnisse des Tages verarbeiten muss. An der Brust beruhigt es sich dann schnell und kann wieder schlafen. Diese Zeit jetzt ist sehr stressig, aber sie wird vorbei gehen! Sie haben mein vollstes Verständnis und auch ich würde ein so kleines Baby NIEMALS so lange weinen lassen. In unserer Gesellschaft ist es üblich geworden, Babys bereits sehr früh "erziehen" zu wollen, damit sie nicht "verwöhnt" werden und ihnen ihre Grenzen gezeigt werden. Manchmal kann ich mich bei diesen Diskussionen nicht des Eindrucks erwehren, dass da ein richtiges Horrorszenario entwickelt wird, in dem Eltern und Baby sich als Feinde gegenüberstehen und einander bekämpfen (müssen). Ein so kleines Wesen kann man noch gar nicht verwöhnen. Dein Baby hat noch keinerlei Zeitgefühl und deshalb ist es am besten, auf seine Bedürfnisse sofort zu reagieren. Nein, das Kind kann nicht "verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere: "Das Kind wird verwöhnt und verzogen. "Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit der herumziehst". So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird. Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird? Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, lässt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!" Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt? Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen: Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen. Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden. Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen. Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste. Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: "Tragen") Viele Mütter legen ihr Baby einfach neben sich während der Gymnastik und wenn alle Mütter sich zusammen tun, kann die Hebamme ja nichts machen :-). Wenn Sie sich weigert, sollten Sie mit der Frau einmal sprechen oder ihr sagen, dass Sie sich einen anderen Kurs suchen. Ich kenne übrigens auch Mütter, die ihre Männer mitgenommen haben, diese sind solange spazieren gegangen und haben das Baby zum Stillen gebracht. Vielleicht kann Ihre Schwiegermutter Sie ja begleiten? Ich hoffe, Sie finden einen Weg, lassen Sie sich nicht verunsichern! SIE sind die Mutter und SIE können sich für Ihr wehrloses Baby wehren. LLLiebe Grüße Biggi


Mitglied inaktiv

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Entschuldige, wenn ich auch was schreibe, aber deiner Hebamme möcht ich aus der Ferne eine töffeln. Lass dir bloß nix einreden, hör auf deinen Instinkt!


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