Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

immer die Verwandschaft

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: immer die Verwandschaft

Mitglied inaktiv

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Liebe Biggi, ich hab mal ne psychologische Frage: Ich bin absolut überzeugt, dass Stillen die beste Nahrung für meinen Sohn ist. Er ist inzwischen 6 Monate alt und wird noch voll gestillt. Meine "tolle" Verwandschaft jedoch gibt mir immer so tolle Tipps, bzw. fragt immer wieder verachtend, wielange ich denn noch stillen möchte. Sag mir mal Biggi, warum (das habe ich auch schon von anderen jungen Muttis gehört), WARUM lässt man sich trotz seiner Überzeugung doch oft hinreissen, sich zu erklären, zu rechtfertigen usw. Ich habe es soo satt. Meine Schwiegermutter meinte sogar, ich könne ihm ja auch schon Waffeln in die Hand geben... Also du siehst, völliger Blödsinn, keine Ahnung von dem was sie reden!!! Trotzdem meine ich immer wieder, das zu erklären, warum ich so handle. Kannst Du mir denn mal ne gute Reaktion auf solchen Blödsinn nennen? Dankeschön Liebe Grüße Barbara


Biggi Welter

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Liebe Barbara, stell dir mal vor, es gäbe für dich kein Internet, Du bist in einer Gesellschaft groß geworden, in der überspitzt ausgedrückt der Herr Pfarrer, der Herr Lehrer und der Herr Doktor für die große Mehrheit der Menschen eine unangefochtene Autorität sind und Du erlebst, dass sich in der Technik fortwährend riesige Neuheiten auftun. Von frühester Kindheit an wirst Du geprägt durch das Verhalten deiner Eltern, die in bester Absicht und nicht selten gegen ihr Gefühl handeln, weil "man" Kinder so erziehen muss. Die Medien, die dir zur Information zur Verfügung stehen sind eher einseitig und Vorbilder, die von dem, was die Mehrheit tut, abweichen, gibt es ebenfalls so gut wie keine. Wie würde wohl dein Weltbild aussehen? In dieser Situation haben sich unsere Mütter und Großmütter befunden und sie haben das getan, was aus ihrer Sicht heraus, das Beste für ihre Kinder uns war. Ich kenne eine Frau, deren erster Sohn 1958 geboren wurde. Sie hat erzählt, wie sie weinend neben dem Bett ihres ebenfalls weinenden Kindes saß und die Minuten gezählt hat, bis sie ihn aus dem Bett herausnehmen und füttern durfte. Aber sie wollte ihrem Kind ja auf keinen Fall schaden, also hat sie sich strikt an die Anweisung des Arztes gehalten. Ihr Baby hatte wie sich wenige Wochen nach der Geburt herausstellte einen Herzfehler und musste ins Krankenhaus. Diese Mutter hat es 1958 (!) durchgesetzt, dass sie mit ins Krankenhaus konnte. Aber sie hat sich all die langen Wochen nicht getraut, ihr Kind aus dem Krankenhausbett zu nehmen, wenn es nicht gerade die offizielle Fütterzeit war oder das Kind gewickelt wurde. Sie hat mit aller Kraft ihre Tränen unterdrückt und neben ihrem Kind ausgeharrt, froh, dass sie zumindest in seiner Nähe bleiben durfte. Auf keinen Fall wollte sie riskieren, dass sie dieses in den Augen der Ärzte riesige Privileg am Tag auf einem Stuhl neben ihrem Kind zu sein und es selbst füttern und wickeln zu dürfen, verliert. Kannst Du dir vorstellen, wie diese Frau sich gefühlt haben muss und wie sie sich heute fühlt, wenn sie ihre Schwiegertochter mit den Enkeln erlebt? Diese Frau war mit Sicherheit eine Pionierin, eine Revoluzzerin, die immerhin den Mut hatte, sich gegen eine vollständige Trennung von ihrem kranken Kind aufzulehnen. Aus heutiger Sicht lässt sich leicht sagen "Warum hat sie nicht auf ihr Gefühl gehört und ihr Kind in den Arm genommen?" Wir heute haben die Möglichkeit, uns zu informieren, eine zweit oder dritte (ärztliche) Meinung einzuholen, die Klinik zu wechseln. Doch welche Möglichkeiten standen unseren Müttern offen? Unseren Müttern wurde einleuchtend erklärt, warum sie wie mit ihren Kindern umzugehen hatten und sie haben es geglaubt. Ich denke sogar, sie hatten oft gar keine andere Wahl als das zu glauben, was ihnen gesagt wurde und was sie in der ihnen zur Verfügung stehenden Literatur nachlesen konnten. Wie alle Mütter wollten sie nur das Beste für ihre Kinder und das Beste war laut damaligen Zeitgeist nicht die Muttermilch. Hochglanzbroschüren mit Bildern von glücklichen, wohlgenährten Babys und ihren strahlenden Müttern gab es auch damals und die Skepsis gegenüber dem gedruckten Wort war noch nicht so verbreitet wie heute. Der Geist der Zeit lautete "sei modern" und stemme dich nicht gegen den Fortschritt. Stillen war sicher nicht modern. Nun erleben unsere Mütter heute als Großmütter, dass wir es so ganz anders machen. Sie sehen, dass wir andere Entscheidungen treffen, Autoritäten anzweifeln und andere Prioritäten setzen. Ein Teil unserer Mütter wird voll Wehmut erkennen, dass wir das leben, was sie in ihrem Inneren gefühlt und nicht gewagt haben. Das sind Mütter wie die Frau, die ich oben erwähnt habe. Sie leidet heute nochmals, wenn sie erlebt, wie ihre Schwiegertochter stillt und ganz selbstverständlich das Kind jederzeit auf den Arm nimmt, im Tragetuch trägt und all die Dinge tut, die ihr vor über 40 Jahren verwehrt wurden. Doch ein Teil unserer Mütter sieht nur, dass es jetzt anders ist und fühlt sich dadurch angegriffen und vor den Kopf gestoßen. Unsere Art, mit den Kindern umzugehen und das Stillen, stellt in Frage, dass sie gute Mütter waren (und sind). Es ist für sie schwer zu akzeptieren, dass es heute "anders" ist, denn das gibt ihnen das Gefühl, dass sie "falsch" gehandelt haben ein schlechtes Gefühl. Sie können kein Vertrauen in die Muttermilch haben, weil ihnen dieses Vertrauen gründlich abtrainiert wurde und dazu kommt dann in vielen Fällen auch noch dieses unangenehme Gefühl, das einen Menschen beschleicht, der erlebt, dass sein eigenes Verhalten als falsch hingestellt wird. Je älter ich werde und vor allem je älter meine Kinder werden, um so mehr beschäftigt mich dieses Thema und damit auch der Gedanke, wie wird es sein, wenn meine Kinder Eltern werden, wie werde ich mich fühlen, wenn sie andere Wege gehen als ich sie gegangen bin? Es ist wirklich ein schwieriges Thema und es ist sicher wichtig, dass wir uns ab und zu bewusst machen, dass unsere Mütter uns nicht in besserwisserischer Form ärgern wollen, sondern damit zurecht kommen müssen, dass ihr Weltbild auf den Kopf gestellt wird. Ich weiß, dass die Sprüche "reicht denn die Milch noch", "das Kind braucht jetzt mal was ordentliches" oder auch "warum gönnst Du dem Kind denn den Fruchtzwerg nicht" unendlich nerven können. Dennoch, manchmal müssen wir einfach etwas Geduld mit unseren Mitmenschen haben. LLLiebe Grüße Biggi


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Hallo, ich kenne das, höre aber schon zu Beginn der Stillzeit, dass andere "SO EINEN BLÖDSINN" gar nicht erst anfangen und ernte Kritik, wenn ich äußere, wie lange ich stillen will. Dabei ist das gar nicht so schrecklich lang (erste Tochter 11 Monate, jetzt ca. 18 geplant). Ich bin mittlerweile sehr krass, verbiete mir jeglichen Kommentar oder sage in bestimmten Ton, man solle mich mal machen lassen. Ich finde es auch ätzend, aber es beeinflusst uns doch nicht, oder? Liebe grüße und taube Ohren (nur für solche Fälle, versteht sich) wünscht Dir Esther


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Die Leiterin meiner Stillgruppe hat mal gemeint, wenn dumme Kommentare bzgl. wie oft gestillt wird bzw. wie lange man den noch stillen will, soll man sagen: Ich frag Sie/Dich doch auch nicht,wie oft Sie/Du Sex haben/hast! Allerdings finde ich diese Bemerkung bei den Omas z.B. etwas unpassend. Claudia


Mitglied inaktiv

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Hallo! Mir ging es da genauso! Es ist echt zum Kotzen mit all den Leuten! Die hätten meiner kleinen Tochter am liebsten nach 3 Monaten schon ein Schnitzel gegeben. Ich konnte niemanden mit ihr allein lassen. Jetzt ist sie 6 Monate alt und hat seit der letzten Untersuchung 300g abgenommen. Jetzt haben alle natürlich die Bestätigung, dass sie vorher schon hätte was "Anständiges" essen sollen. Fühle mich auch mit dem Stillen total allein gelassen. Jetzt bekommt sie Beikost und alle sind einigermaßen zufrieden. Aber lass den Kopf nicht hängen. Allein DU weißt, was das Beste für dein Kind ist. Lass dir von niemandem reinreden. Wünsch dir viel Glück und alles Gute! Liebe Grüße Lilyan


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