Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

2 Fragen

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: 2 Fragen

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Hallo Biggi, ich hätte mal zwei Fragen: Mein Sohn ist 20 Monate und seit er ca 14 Monate ist stille ich ihn nur noch nachts, wenn er aufwacht. Die letzten 3 Monate schlief er auch fast immer bis ca 5 Uhr durch und ich habe ihn dann vor allem gestillt, damit ich noch ein bißchen liegen bleiben konnte, ich hatte allerdings nicht mehr das Gefühl, daß ihn das auch noch sättigt, weil er sofort nach dem Aufstehen nach Brot verlangt hat. Seit kurzem schläft er aber immer öfter bis nach 6 durch und ist dann schon richtig wach und dann will er nicht mehr gestillt werden, das heißt es kommt immer öfter vor, daß ich gar nicht gestillt habe. Meine Frage jetzt: wie schnell ist die Milch dann weg und kann ich dann doch wieder nachts stillen, wenn zum Beispiel die Backenzähne kommen und er nachts mal wieder wach würde oder ist irgendwann dann einfach Schluß? Meine andere Frage ist rein interessehalber: Ich habe jetzt schon von mehreren Frauen gehört, daß sie nicht stillen konnten, weil sie überhaupt keinen Milcheinschuß hatten. Was ist bei denen denn körperlich passiert? Und heißt das, wenn man das einmal hatte, daß man auch bei den späteren Kindern nie stillen kann? Kommt das oft vor? Danke vorab, Mareike


Biggi Welter

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Liebe Mareike, es gib Frauen, die mit einmaligen Stillen innerhalb von 24 Stunden problemlos die Milchmenge weiter bilden, die sie für ihr Kind benötigen, bei anderen Frauen reicht eine nur mehr ein oder zwei Mal tägliche Stimulation der Brust nicht mehr unbedingt aus, um die Milchproduktion weiterhin auf dem erforderlichen Niveau aufrecht zu erhalten. Wie dies im Speziellen bei dir ist, kann ich nicht beurteilen. Selbst wenn eine Frau nicht anlegt, bekommt sie einen Milcheinschuss. Die Schwellung der Brust beim initialen Milcheinschuss muss lange nicht immer stark ausgeprägt sein und es ist auch keinesfalls so, dass bei allen Frauen die Brüste „heiß" sind. Viele Frauen erleben den Milcheinschuss mit nur geringer Schwellung und leicht erwärmter Brust. Der initiale Milcheinschuss tritt meist am zweiten bis vierten Tag nach der Geburt auf und ist ein normaler Vorgang, der den Beginn der reichlichen Milchbildung anzeigt. Es kommt zu einem Spannungsgefühl in der Brust, einer leichtem Empfindlichkeit der Brust, die Venenzeichnung auf der Haut wird deutlicher, der Drüsenkörper wird fester und die Brust größer. In den Alveolen wird merh Milchgebildet und die Bläschen füllen sich. In der Brust zirkulieren vermehrt Blut und Lymphflüssigkeit (Schwellung und vermehrte Wärme). Nur ein kleiner Teil der Brustvergrößerung ist auf die erhöhte Milchmenge zurückzuführen, in erster Linie liegt es an der Lymphflüssigkeit. Wichtig ist es, dass die Frau von Anfang an das Baby häufig und uneingeschränkt anlegt, dann verläuft der Milcheinschuss am problemlosesten und die Milch wird fließen. Etwa 98 % aller Frauen können stillen, vorausgesetzt, sie bekommen die richtigen Informationen, werden korrekt unterstützt und wollen stillen. Der Umkehrschluss von dieser Aussage lautet: zwei Prozent aller Frauen können tun und lassen was sie wollen, können die beste Unterstützung der Welt erhalten und werden dennoch nicht (voll) stillen können. Gründe für eine zu geringe Milchbildung oder gar ein Ausbleiben der Milchbildung können in unterentwickeltem Drüsengewebe, aber auch bei Stoffwechselproblemen liegen (so hat eine Schilddrüsenunterfunktion möglicherweise einen gravierenden Einfluss auf die Milchbildung). Auch extrem starke Blutungen nach der Geburt können dazu führen, dass die Frau eine Art Hypophyseninfarkt erleidet und keine oder nur sehr wenig Milch bilden kann (Sheehan Syndrom). Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist auch das Stillmanagement in der Zeit unmittelbar nach der Geburt. Nicht immer, lässt sich alles, was in diesem Zeitraum nicht optimal gelaufen ist, wieder korrigieren. Es gibt die „Prolaktin Rezeptoren Theorie", die besagt, dass das häufige Saugen des Babys in den ersten Tagen der Stillperiode die Entwicklung der Prolaktinrezeptoren im Brustdrüsengewebe fördert. Bleibt die Förderung dieser Entwicklung durch zu wenig Stimulation aus, ist es nicht immer möglich die Milchmenge später entsprechend zu steigern. Im Tierversuch ist diese Theorie bereits belegt. Ein ganz anderer Gesichtspunkt, der keinesfalls so augenscheinlich ist, ist die Psyche der Frau. Wenn wir eine Frau mit Stillproblemen vor uns sehen, kennen wird nur sehr selten die Geschichte dieser Frau. Wir wissen in der Regel nicht, ob sie zum Beispiel als Kind oder Jugendliche missbraucht wurde und deshalb die Nähe, die das Stillen unwillkürlich mit sich bringt, nicht ertragen kann. Diese Frau will vielleicht wirklich stillen, versucht auch vieles und schafft es nicht, weil ihre Psyche es nicht zulässt. Leider ist dieser letzte Punkt viel häufiger die Ursache für Stillprobleme, als wir es uns oft vorstellen. Auch andere psychische Ursachen sind nicht gerade selten. Bei vielen Frauen ist es aber nach wie vor so, dass es schlicht und ergreifend an der mangenden Betreuung und falscher Information liegt. So wird zum Beispiel immer noch geraten, dass stillende Frauen extrem viel trinken müssten, um die Milchbildung zu fördern, obwohl bewiesen ist, dass eine zu hohe Flüssigkeitszufuhr zu einer Verringerung der Milchmenge führen kann. Es wird immer noch viel zu wenig Augenmerk auf das korrekte Anlegen und richtige Saugen des Kindes gelegt, beides Faktoren, die nicht nur wegen der wunden Brustwarzen sondern auch für die optimale Stimulation der Brust extrem wichtig sind. Viele Frauen werden immer noch angehalten das Stillen sowohl was die Häufigkeit als auch die Zeit an der Brust betrifft einzuschränken obwohl letztlich der wichtigste Faktor für die Milchbildung das häufige Anlegen bzw. Anregen der Brust ist. Ich hoffe, meine Antwort ist dir jetzt nicht zu ausschweifend geworden. LLLiebe Grüße Biggi


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