Frage im Expertenforum Schwangerschaftsberatung an Dr. med. Vincenzo Bluni:

Pränatale Depression- gibt es sowas?

Dr. med. Vincenzo Bluni

Dr. med. Vincenzo Bluni
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

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Frage: Pränatale Depression- gibt es sowas?

Elanna

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Sehr geehrter Dr. Bluni! Ich bin mit meinem zweiten Kind schwanger in der 13. SSW. Schon seit einigen Wochen geht es mir psychisch nicht gut. Ich schlafe schlecht, bin ständig gereizt, bedrückt und antriebssschwach. Ich habe den Eindruck nicht mehr ausgelassen und fröhlich sein zu können. In der 1. Schwangerschaft war das ganz anders, meine Stimmung war stets sehr gut und ich war von Herzen gerne schwanger- so sehr hatte ich mich auf dieses Gefühl wieder gefreut- auch dieses Kind ist ein absolutes Wunschkind und lange erwartet. Mein betreuender FA und seine Frau (Hebamme) deuten meine getrübte Stimmung als Sorge und Angst, da mein Sohn als Frühchen zur Welt kam. Bewusst empfinde ich dahingehend aber keine Ängste, habe also Sorge, dass mehr dahinter steckt. Ich habe den Eindruck depressiv zu sein, im medizinischen Wortsinn und nicht im allgemeinen Gebrauch der schlechten Stimmung. Gibt es eine "Pränatale Depression" als Pendant zur Postnatalen Depression? Kann mein Kind Schaden nehmen? Gibt es Wege aus dem schwarzen Loch? Vielen Dank für ihre Hilfe, Elanna


Dr. med. Vincenzo Bluni

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Hallo Elanna, 1. ja, das gibt es immer wieder 2. bei bis zu 80% aller Frauen kann es in der Schwangerschaft zu irgendeiner Form der Stimmungsbeeinträchtigung oder kurz danach kommen. Jedoch nicht immer liegt gleich eine behandlungsbedürftige Depression vor. Die Übergänge zur Depression können dabei fließend sein. Deshalb wird es für Sie am besten sein, wenn Sie zu diesen Verstimmungen mit Ihrer Frauenärztin/Frauenarzt sprechen, die/der wohl am besten die Situation einschätzen kann. Leichte Formen von depressiven Verstimmungen treten bei etwa 25 bis 35% der Schwangeren und bei etwa 13% der Frauen im Wochenbett auf. Die Kriterien für eine so genannte Minor oder Major Depression finden sich jedoch nur bei weniger als 20% der Schwangeren. Ungeachtet dieser Häufigkeiten werden diese psychischen Störungen sowohl von den betroffenen Frauen als auch von Ihren Hebammen und Ärztinnen/Ärzten häufig nicht als Erkrankung wahrgenommen und bleiben damit in bis zu 50% der Fälle unerkannt. Die adäquate und fachgerechte Behandlung der Depression in der Schwangerschaft ist auch deshalb wichtig, weil Depressionen in der Schwangerschaft einen Risikofaktor für die Wochenbettdepression darstellen. Darüber hinaus zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass psychische Erkrankungen der Mütter in der Schwangerschaft und im Wochenbett zu Entwicklungsverzögerungen ihrer Kinder führen und dass Kinder depressiver Mütter nicht unerhebliche gesundheitliche Folgen davontragen können: • Verringertes Geburtsgewicht und Gesundheitsprobleme innerhalb des ersten Lebensjahres • Verminderte kognitive Leistungen • Verminderte sprachliche Entwicklung • Verringerte Anpassung an schulische Anforderungen Bei bereits vorbelasteten Frauen ermöglicht die rechtzeitige Beratung – schon vor Beginn der Schwangerschaft - eine Risiko- Nutzen-Abwägung sowie das Erstellen eines Behandlungsplans für den Fall eines Wiederauftretens der Depression. Im Fall von schweren oder sich wiederholenden Depressionen ist heute neben der begleitenden Psychotherapie auch eine Fortsetzung der Pharmakotherapie möglich und erforderlich. Die Auswahl des Wirkstoffs hängt von dessen möglichen Risiken für den Fetus in angemessenem Verhältnis zu den Vorteilen für die antidepressive bzw. rezidivprophylaktische Behandlung der Schwangeren ab. Werden diese therapeutischen Chancen verpasst, so besteht neben den beschriebenen Folgen für die Kinder eine erhebliche Chronifizierungsgefahr für die betroffene Frau. Eine hilfreiche Anlaufstelle für Betroffene ist die Internetseite der Selbsthilfe-Organisation zu peripartalen psychischen Erkrankungen „Schatten & Licht e. V.“. Zu erreichen unter der Internetadresse http://www.schatten-und-licht.de/main.html (letzter Abruf:25.12.2010) Welche medikamentösen Therapieformen stehen bei Depressionen in der Schwangerschaft zur Verfügung? Es können eine Reihe von Substanzen eingesetzt werden. Jedoch sollte die medikamentöse Behandlung zeitlich begrenzt werden, um teratogene und toxische Effekte zu vermeiden. Wenn möglich, sollten aber Antidepressiva in der Schwangerschaft und besonders im ersten Trimenon, also während der Organentwicklung, nur bei schweren Erkrankungen verordnet werden. Auf Grund der aktuellen Datenlage (Empfehlungen der amerikanischen Aufsichtsbehörde, FDA) sollte bei Diagnose einer Schwangerschaft in einer laufenden Therapie mit dem Wirkstoff Paroxetin, die Therapie umgestellt werden. Und bis zum Vorliegen neuer Sicherheitsdaten ist Patientinnen, die eine Schwangerschaft beabsichtigen oder im 1. Trimenon schwanger sind, von einer Behandlung mit Paroxetin abzuraten. Was Neuroleptika anbelangt, so dürfen Butyrophenone während der Schwangerschaft verabreicht werden, ebenso sind Phenothiazine kaum teratogen. Bei Benzodiazepinen besteht eine relative Kontraindikation. Schlafmittel und Tranquilizer vom Benzodiazepin-Typ werden während des ersten Trimenons am besten gemieden und zwei bis drei Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin nicht mehr verabreicht. Generell sind in der Schwangerschaft nur bewährte und gut untersuchte Substanzen zur Behandlung der Depression zu empfehlen. Hier empfiehlt sich aber immer die abstimmung mit dem behandelnden Arzt/Therapeuten vor Ort. Bei weiteren Fragen zur medikamentösen Therapie wenden Sie sich doch bitte an unseren Experten für Medikamente in der Schwangerschaft, Herrn Dr. Paulus. Er hat übrigens hier bei rund-ums baby.de auch ein Forum zu solchen Fragen. Die Adresse ist http://www.rund-ums-baby.de/med_schwangerschaft/ VB Quellen: Beck, CT. The effects of postpartum depression on child development: a meta-analysis. Arch Psychiatr Nurs. 1998;12:12–20. Cooper,PJ; Campbell, EA; Day, A; Kennerley, H. and Bond, A., Non-psychotic psychiatric disorder after childbirth. A prospective study of prevalence, incidence, course and nature. Br J Psychiatry. 1988 Jun;152:799-806. Cox A. D.; Puckering, C.; Pound, M., THE IMPACT OF MATERNAL DEPRESSION IN YOUNG CHILDREN, Journal of Child Psychology and Psychiatry, Volume 28, Issue 6, pages 917–928, November 1987 Da Costa D, Larouche J, Dritsa M, Brender W., Psychosocial correlates of prepartum and postpartum depressed mood, J Affect Disord. 2000 Jul;59(1):31-40. Evans, J.; Heron, J.; Cohort study of depressed mood during pregnancy and after childbirth. BMJ 2001;323:257-260 Kemp B, Bongartz K, Rath W. Postpartale psychische Störungen - ein unterschätztes Problem in der Geburtshilfe. Z Geburtsh Neonatol 2003; 207: 159-165 . Murray L,; Cooper PJ . Effects of postnatal depression on infant development. Arch Dis Child 1997; 77: 99-101. Murray L,; Fiori-Cowley A,; Hooper R,; Cooper PJ. (1996), The Impact of Postnatal Depression and Associated Adversity on Early Mother-Infant Interactions and Later Infant Outcome." Child Development 67:2512–2526. O'Hara MW, Zekoski EM, Phillips LH, Wright EJ. Controlled prospective study of postpartum mood disorders: comparison of childbearing and non-childbearing women. J Abnormal Psychol 1990; 99: 3-15 O'Hara MW, Swain AM. Rates and risks of postpartum depression: a meta-analysis.International Review of Psychiatry. 1996; 8: 37-54. Rahman A, Iqbal Z, Bunn J, Lovel H, Harrington R., Impact of maternal depression on infant nutritional status and illness: a cohort study, Arch Gen Psychiatry. 2004 Sep;61(9):946-52. Ramsay R. Postnatal depression. Lancet. 1993;341:1358. Wisner KL et al. Postpartum depression. N Engl J Med 2002; 347: 194-199. http://www.sign.ac.uk/guidelines/fulltext/60/index.html (Guidelines des Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN), SIGN Publication No. 60, Postnatal Depression and Puerperal Psychosis, Stand: Juni 2002, letzter Abruf: 25.12.2010) http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/PostmarketDrugSafetyInformationforPatientsandProviders/ DrugSafetyInformationforHeathcareProfessionals/PublicHealthAdvisories/ucm051731.htm (Food and Drug Administration (FDA), US Department of Health an Human Services: Public Health Advisory: Paroxetine,12/8/2005, letzter Abruf: 25.12.2010)


Bonnie

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Hallo, ich hatte in meiner ersten Schwangerschaft auch depressive Verstimmungen. Ich denke, die extreme Hochlage der Hormone (die in der SS zum Teil ein Hundertfaches der normalen Konzentration erreichen) begünstigt solche Verstimmungen. Hormone sind ja Botenstoffe, die auch aufs Gehirn wirken. Bei mir war es übrigens umgekehrt wie bei Dir: In der zweiten Schwangerschaft hatte ich das Problem gar nicht. Ich denke, Du musst für Dich selbst versuchen herauszufinden, ob Du nur eine depressive Verstimmung hast, oder schon eine beginnende echte Depression. Was Du beschreibst, ist zumindest schlimmer als bei mir selbst. Bei mir dauerte die Verstimmung jeweils nur einige Tage, kam und ging, verschwand irgendwann ganz. Auch war meine Stimmung nur leicht gedämpft und traurig, vor allem gegen Abend wurde es stärker. Ich konnte mich aber trotzdem auch noch freuen über Dinge. Wenn Du den Eindruck hast, dass es nicht recht besser werden will, würde ich mir mal die Meinung des Hausarztes holen. Hausärzte haben Erfahrung mit Depressionen, weil diese sehr häufig sind. Sie können entscheiden, ob weitergehende Hilfe (Therapie oder schwangerschaftsverträgliches Medikament) erforderlich ist oder nicht. Bedenke, dass eine echte Depression eine richtige Erkrankung ist und unbedingt behandelt werden muss. Sie geht in der Regel nicht von selbst weg, sondern wird schlimmer. Alles Liebe für Dich, Bea


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