Frage im Expertenforum Recht an Nicola Bader:

@Alle - "Tatbestandsmerkmale" individuelles BV

Frage: @Alle - "Tatbestandsmerkmale" individuelles BV

Mitglied inaktiv

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Freue mich auf leidenschaftliche aber bitte höfliche Antworten. Mir ist nach wie vor nicht klar, wann ein Arzt ein BV ausstellen darf. Immer liest man den Verweis auf die AU. Noch nie las ich hier ein Beispiel in dem man ein BV für gerechtfertigt hielt. Blutungen, beispielsweise in SSW 5 und 6 - 2 Wochen AU, danach 1 Woche auf Arbeit, wieder Blutungen, wieder 1 Woche AU, alles wieder bestens, wieder arbeiten... wieder Blutungen - danach in z.B SSW 12 BV möglich? Nächstes Beispiel: Viele Hämatome in gefährlicher Nähe zum Baby? Viel zu niedriger Blutdruck oder ungesund hoher Puls? Extreme Wassereinlagerungen? Immer wiederkehrende vorzeitige Wehen? Beste Grüße zum Wochenende.


Mitglied inaktiv

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Ich bin keine Anwältin und arbeite auch nicht bei der Umlagenkasse, wo sowas vielleicht geprüft werden würde... Für mich sind Blutungen, weil sie potentiell ja wieder aufhören können und nicht zwangsläufig durch die Arbeit indiziert sind kein Grund für eine AU. Auch in dem Beispiel von Dir ist es nicht zwingend die Arbeit bzw. muss der AG die Möglichkeit bekommen eine andere Arbeit zuzuweisen. Hämatome sind auch nicht Arbeitsbezogen. Genauso Blutdruck und Puls. Ein BV ist - soweit ich es verstehe - nur dann angebracht, wenn der Arbeitsplatz eine Gefahr für das Baby und die Schwangerschaft darstellt. Deshalb soll es ja vom AG ausgestellt werden. Was ich kenne, wo ein BV vom Arzt sicherlich angemessen ist, ist alles was in Richtung Mobbing geht. Aber wie gesagt, ich bin kein Arzt und würde das lediglich von meinem Verständnis eines BVs gegenüber einer AU ableiten. Abgesehen vom aktuellen finanziellen Unterschied, weil man halt irgendwann ins KG fällt, hat es ja z.B. auf das EG keinen Unterschied. LG Lilly


Lulu2017

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Hallo, Ich hatte ab der 30 Schwangerschaftswoche ein BV vom Arzt aufgrund der Gefahr einer Präklampsie. Mein Arbeitsplatz entsprach den Richtlinien für Schwangere daher kein BV durch AG. Ich war prinzipiell arbeitsfähig, also keine AU. Es wurde eine Langzeitblutdruckmessung gemacht und bei der Auswertung wurde gesehen das mein Blutdruck auf der Arbeit zu hoch war. Zuhause konnte ich mich schonen und die Werte waren im Normalbereich. Da zu hoher Blutdruck eine Gefahr für das Leben von Mutter und Kind ist wurde mir das BV ausgestellt. Meiner Meinung nach völlig korrekt. Übrigens war mein Blutdruck bedingt durch die Schwangerschaft zu hoch, davor und danach hatte ich völlig normale Werte. LG Lulu


Mitglied inaktiv

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Das ist relativ einfach: Der Arbeitgeber muss ein BV ausstellen, wenn der Arbeitsplatz potentielle Gefahren birgt und es keine Möglichkeit der Alternativbeschäftigung gibt (das geht immer vor). Der Arzt stellt ein BV aus, wenn aufgrund der Schwangerschaft eine Arbeit nicht möglich ist, aber keine Krankheit im medizinischen Sinne vorliegt. Ein berechtigtes BV wegen Schwangerschaft ist z.B. der Fall, wenn der Bauch die Blutgefähre, die zu den Beinen führen abdrückt und die Beine beim Sitzen cschon nach ganz kurzer Zeit taub werden und schmerzen. Wenn die Schwangere läuft, steht oder liegt ist es ok - also keine Krankheit. Aber einen Bürotag mit Arbeit im Sitzen geht dann einfach nicht. Aber ein individuelle BV ist zwischen selten begründbar.


Mitglied inaktiv

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Danke für bisherige Antworten. Um das BV vom AG geht es mir explizit nicht. Ich suche präzise Beispiele für das individuelle BV... und auch nicht weil ich schwanger bin sondern lediglich aus Interesse, da im Forum die Frage nach dem BV vom Schreibtisch aus, ohne Krankenakte zu kennen in 99 % der Fälle mit "nein" beantwortet wird. Auf der Homepage meines "Bundeslandes" steht übrigens unter Voraussetzungen fürs individuelle BV: u.a. "insbesondere beschwerliche An- u. Abfahrtswege". Hier im Forum wird ein BV wegen der Fahrt ja immer kategorisch ausgeschlossen, dies scheint zumindest ein Ministerium anders zu bewerten. Lg


cube

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„Das ärztliche (individuelle) Beschäftigungsverbot für schwangere Mitarbeiterinnen wird von einem Arzt ausgesprochen. Es unterscheidet sich vom generellen Beschäftigungsverbot darin, dass es auf die individuelle Konstitution der werdenden Mutter ausgerichtet ist, welche im Zusammenhang mit der Tätigkeit oder dem Arbeitsplatz eine mögliche Gefährdung für die Schwangere und/oder ihr Kind darstellen kann. Das bedeutet, dass die Schwangere diese Belastung bzw. Gefährdung nicht hätte, wenn sie nicht schwanger wäre. Voraussetzung für ein individuelles Beschäftigungsverbot ist also, dass ein Anlass zur „ärztlichen Sorge“ besteht, d.h., dass aus ärztlicher Sicht eine Gefährdung für die werdende Mutter und/oder ihr ungeborenes Kind durch die Fortsetzung der Tätigkeit möglich ist. Von der Regelung werden neben den normalen Beschwerden der Schwangerschaft sowie typischen Symptomen für eine Gefährdung der Schwangerschaft auch Symptome, wie z.B. Erbrechen oder schwangerschaftsbedingte Kreislauflabilität, die sich nachteilig auf den Verlauf der Schwangerschaft auswirken können, erfasst.“ Diese BV kann vom AG angezweifelt werden, wenn es nicht präzise genug formuliert wurde und der AG dadurch keine Möglichkeit hat, die eventuelle Gefährdung aus dem Weg zu Räumen.


Mitglied inaktiv

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Das ist so nicht ganz korrekt... Ein individuelles Beschäftigungsverbot aufgrund von schwangerschaftsbedingten Problemen ist NUR dann möglich, wenn die Probleme keinen Krankheitswert haben. Gerade Erbrechen ist hier ein Problem. Normales Schwangerschaftserbrechen (also Morgenübelkeit mit 1 - 2 Mal Spucken am Tag) rechtfertigt kein individuelles BV. Ein gesteigertes Schwangerschaftserbrechen hingegen fällt wieder in den Bereich der Krankheit hin, da es einen eigenständigen Krankheitswert hat. Hier muss der Arzt eine AU ausstellen. Selbiges Gilt für Kreislaufprobleme. In der Praxis bedeutet das, dass in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine AU ausgestellt werden muss. Ein individuelles BV scheiert meistens daran, dass die Probleme entweder eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung (z.B. Präklamsie usw.) darstellen oder die Probleme nicht so schwerwiegend sind, dass ein BV rechtfertigen würden. Der Paradefall des BV ist daher eigentlich die drohende Frühgeburt durch unregelmäßige Wehentätigkeit infolge der Ausübung des Berufsalltags.


Mitglied inaktiv

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Zu Deinen konkreten Beispielen: - Blutungen sind ein Grund für eine AU und nicht für ein BV (schwangerschaftsbedingte Erkrankung) - Hämatome sind ebenfalls eine Erkrankung, daher AU und nicht BV - dauerhafte Probleme mit dem Blutdruck sind ebenfalls eine Erkrankung, daher AU und nicht BV - Extreme Wassereinlagerungen sind eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung und mithin Grund für ein AU und nicht ein BV - Vorzeitige Wehen können ein Grund für ein BV sein. Es muss aber ein Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit bestehen. Fehlt dieser (z.B. wenn die Wehen auch an freien Tagen ohne Arbeit auftreten und mithin nicht dort die Arbeitsbelastung verursacht werden), so ist eine AU angezeigt.


Mitglied inaktiv

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Die Behörden haben dazu ausführliche Informationsblätter herausgegeben, die man nur nachzulesen braucht. Einen "Katalog" für jeweils AU oder BV gibt es eben nicht, weil die jeweiligen Beschwerden individuell unterschiedlich ausfallen können. Erbrechen muss kein krankhafter Zustand sein, kann aber krankhaft sein. Da kommt es auf die Häufigkeit an und welche Folgen das hat. Einen solchen Katalog wird es auch nicht geben, so sehr sich das manche wünschen. Und letztlich ist es eine Frage, die über die nur Ärzte zu befinden haben. Das ärztliche Attest stellt ein Arzt im eigenen Ermessen aus. Er muss das normalerweise nicht vor Arbeitgebern oder Patientinnen rechtfertigen. Was nützt also die Diskussion?


cube

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Ichhabe zitiert aus der Seite für Betriebsärzte. Und vermutlich wird es auch so sein, dass jeder Arzt die Grenzen für ein BV enger oder weiter steckt - je nach dem, wie er dies aus seiner ärztlichen Sicht eben empfindet. Daher ist mir oft auch nicht ganz klar, weswegen hier so oft ein Riesenaufschrei kommt, wenn jemand schreibt, er habe ein BV vom Arzt. Damit ist es doch genau so, wie mit zB mit einer Erkältung: der eine Arzt schreibt dich gleich mal für die ganze Woche krank und vielleicht sogar noch Antibiotika dazu. Der andere Arzt schreibt nur 3 Tage krank und keine Medikamente.


Mitglied inaktiv

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Das erklärt vieles. Diese Bücher sind für Ärzte geschrieben. Aber eben nicht immer juristisch korrekt.... Daher wissen Ärzte oft auch nicht genau, was jetzt als BV und was als AU auszustellen ist. Entscheiden über die Rechtmäßigkeit eines BV müssen aber letztlich Menschen, die sich mit der Auslegung von Gesetzen auskennen - notfalls sogar Gericht, wenn es um Rückzahlungen etc geht. Deshalb gibt es zwischen Ärzten und den Krankenkassen bzw. dem medizinischen Dienst der Krankenkasse auch soviele Differenzen. Das Thema ist ziemlich komplex und für Laien nicht zu verstehen.... Aber viele meinen, sie müsste mitreden, obwohl sie eben nicht umfassend in die Thematik eingearbeitet sind. Daher "halten" soviele BV auch einer Überprüfung nicht stand.


Felica

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Mir wurde gesagt es muss einen direkten Bezug zur Arbeit sein. Heißt der Umstand das die Schwangere diese Arbeit macht und keine andere, muss die Symptommatik verschärfen. Beispiel Übelkeiot wäre dann ein Fall für eine AU wenn es völlig egal ist was die Schwangere macht, ihr ist immer und überall übel. Arbeitert sie in einem Laden, in einer Küche oder gastronomie und der Geruch des Essens löst die Übelkeit aus, wäre es ein Fall für ein BV. Beispiel Blutungen, hat die Schwangere immer Blutungen, dann AU. Ist annzunehmen die mittelschwere bis schwere Tätigkeit verschlimmert diese, dann BV. Jemand mit einer rein sitzenden Tätigkeit hätte da also eher eine AU. Dafür können bei rein sitzenden Tätigkeiten wieder Rückenprobleme mehr Gewichtung haben, Wassereinlagherungen eher bei rein stehenden. Also wirklich Gewichtung darauf was genau macht die Schwangere, kann da was geändert werden, langt es ein Teilzeit-BV auszusprechen oder mittels einer AU erst einmal zu schauen ob besserung eintritt. Was viele Ärzte aber zu selten machen, sie unterscheiden da ungenauer oder verlassen sich rein auf die Äußerungen der Schwangeren und nutzen auch zu wenig das Mittel des befristeten BV. rechtlich korrekter wäre es sicherlich erst einmal zu schauen was passiert wenn man die Schwangere mittels AU eine zeit lang herausnimmt. Was wenn sie Auflagen für den AG mitbekommt, kann dieser diese umsetzen. Danach dann erst abschließend über ein BV zu entscheiden wäre sicherlich das bessere und ungreifbarere Vorgehen. Wir halt oft nicht genutzt, auch weil Ärzte sich nicht immer sicher sind. ist halt viel Grauzone und Ermessensfrage.


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