Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Medikamente in der Schwangerschaft ?

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Medikamente in der Schwangerschaft ?

Aprikosenkernchen

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Guten Abend Herr Dr. Paulus, Ich nehme seit ca. 1-2 Jahren Medikamente gegen meine Angst-Panikstörung & auch Ticstörung ein. Ich werde im Mai 22 und es besteht ein Kinderwunsch. Ich habe mit meiner Frauenärztin bereits vor 1 Jahr schon mal darüber gesprochen und sie meinte,ich solle noch ca 1 Jahr warten,damit ich auch stabil genug für ein Baby bin. Das habe ich gemacht und bin auch stabil,das heißt,ich habe keine Panikattacken mehr - nur noch Tics... Jetzt ist meine Frage (natürlich wende ich mich auch an meinen behandelnten Neurologen bez. des Kinderwunsches) : Darf ich diese Medikamente in der Schwangerschaft nehmen oder gibt es andere,ähnliche Medis,die dem Baby nicht schaden ? Darf ich in einem Drittel der Schwangerschaft gar keine Medis nehmen ? Und wie sieht es mit der Ticstörung aus ? Könnte mein Baby evtl auch Tics bekommen ? Über eine Antwort bin ich Ihnen sehr dankbar ! Mit freundlichen Grüßen, Aprikosenkernchen


Dr. Wolfgang Paulus

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Trizyklische Antidepressiva gelten als geeignet zur Behandlung in der Schwangerschaft (Robert 1996). Sie blockieren die Wiederaufnahme von Transmittern wie Noradrenalin und Serotonin in adrenerge Nervenendigungen. Aufgrund ihrer hohen Lipidlöslichkeit treten sie rasch über die Plazenta auf den kindlichen Kreislauf über. Zwar liegen Berichte über Extremitätenfehlbildungen, Herzfehler, Polydaktylie (überzählige Finger/Zehen) und Hypospadie (Harnröhrenfehlmündung) vor, doch ließ sich der Verdacht auf fruchtschädigende Effekte auch bei den länger gebräuchlichen Präparaten bisher nicht bestätigen (McElhatton et al 1996). Nachuntersuchungen im Vorschulalter nach vorgeburtlicher Exposition mit trizyklischen Antidepressiva zeigten gegenüber einer Kontrollgruppe keine Abweichungen hinsichtlich Intelligenzentwicklung, Verhalten und Sprachvermögen (Nulman 1997). Eine Monotherapie mit lange eingeführten Präparaten wie Amitriptylin (z. B. Saroten), Desipramin (z. B. Pertofran), Imipramin (z. B. Tofranil) oder Nortriptylin (z. B. Nortrilen) ist bei entsprechender Indikation anzustreben. Bei Opipramol sind die humantherapeutischen Erfahrungen etwas geringer. Ein fruchtschädigender Effekt wurde in Tierversuchen nach Angaben des Herstellers nicht beobachtet.Bei hochdosierter Therapie vor der Geburt können beim Neugeborenen folgende Symptome auftreten: Tachyarrhythmie (Herzrasen), Tachypnoe (beschleunigte Atmung), Tremor (Zittern), Trinkschwäche, Konvulsionen (Krämpfe), Harnverhalt. Wir selbst verfügen über 80 Rückmeldungen nach Behandlung mit Opipramol in der Schwangerschaft: 12 Schwangerschaftsabbrüche 12 Fehlgeburten 53 unauffällige Neugeborene 3 angeborene Anomalien (Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, Choanalatresie,motorische Entwicklungsstörung) Eine Fortführung der Medikation in moderater Dosis wäre bei Bedarf in der Schwangerschaft durchaus vertretbar. Bis Dezember 2004 dokumentierte das Swedish Medical Birth Registry 6.555 Kinder nach intrauteriner Exposition mit SSRI (z. B. Paroxetin, Sertralin, Citalopram) in der Frühschwangerschaft. Die kumulierte Fehlbildungsrate lag bei 4,1%, was dem erwarteten Hintergrundrisiko entspricht. Dabei wurde kein typisches Fehlbildungsmuster beobachtet. In diesem Kollektiv sind 959 Kinder nach mütterlicher Medikation mit Paroxetin enthalten. Die Fehlbildungsrate gab mit 4,8% keinen Anlass zur Beunruhigung. Allerdings befanden sich in dem Paroxetin-Kollektiv 20 Kinder mit Herzfehlern, insbesondere Vorhof- und Ventrikelseptumdefekte. Auch wenn der Anteil von 2,1% die Herzfehlerrate von 1,3% in der Normalbevölkerung übertrifft, ist das Risiko für kardiovaskuläre Anomalien unter Paroxetin in absoluten Zahlen gering (Kallen & Otterblad Olausson 2007). Nach vorgeburtlicher SSRI-Medikation (z. B. Paroxetin) wurden bei Neugeborenen in einigen Fällen vorübergehende Anpassungsstörungen wie Zittrigkeit, Übererregbarkeit und erhöhter Muskeltonus beobachtet. Daher sollte in den ersten Lebenstagen auf entsprechende Symptome geachtet werden. Angesichts der geringen Erfahrungen mit Aripiprazol in der Schwangerschaft wäre von einem gezielten Einsatz bei geplanter Schwangerschaft eher abzuraten. Grundsätzlich sollte die Therapie in der Schwangerschaft auf möglichst wenige erprobte Wirkstoffe beschränkt werden, da auch fruchtschädigende Wechselwirkungen bei Kombinationsbehandlungen nicht ausgeschlossen werden können. Für manche Ticstörungen gibt es genetische Faktoren, von einer eindeutigen Vererbung an die kommende Generation kann jedoch nicht gesprochen werden.


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