Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Decortin H

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Decortin H

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Guten Tag, ich möchte Methotrexat absetzen um schwanger zu werden. Kann ich das Cortison weiterin einnehmen? Wie viel Folsäure empfehlen Sie mir, um die Depots aufzufüllen, die durch die MTX-Einnahme "leer" sind? Ich nehme derzeit 10 mg am Folgetag. Welche Möglichkeiten zur Schmerzbekämpfung hätte ich in der Schwangerschaft? Danke


Dr. Wolfgang Paulus

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Untersuchungen an Nagetieren zeigten eine Häufung von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltbildungen unter Behandlung mit Glukokortikoiden. Einige Studien postulierten auch beim Menschen einen Zusammenhang zwischen mütterlicher Glukokortikoidtherapie und Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltbildungen (Rodriguez-Pinilla & Martinez-Frias 1998; Robert et al 1994; Carmichael & Shaw 1999). Eine Metaanalyse berücksichtigte 123.175 Schwangere unter oraler Glukokortikoidtherapie im ersten Schwangerschaftsdrittel. Dabei zeigte sich ein leichter Anstieg von Gesichtsspaltbildungen (Park-Wyllie et al 2000). Eine neue kontrollierte Kohortenstudie mit 311 Schwangeren unter oraler Glukokortikoidtherapie ergab keine Zunahme angeborener Anomalien (Gur et al 2004). Das erhöhte Risiko für ein niedrigeres Geburtsgewicht und Aborte unter systemischer Glukokortikoidtherapie lässt sich auch häufig durch die zugrundeliegenden Erkrankungen der Mutter erklären (Park-Wyllie et al 2000). Bei zahlreichen Erkrankungen wie Kollagenosen, chronisch entzündlichen Darmkrankheiten, Asthma bronchiale, Autoimmunprozessen ist eine Fortsetzung der Therapie mit Glukokortikoiden auch in der Schwangerschaft erforderlich. Wegen eines geringeren Übergangs über die Plazenta sind dabei Prednisolon (z. B. Decortin® H) und Prednison (z. B. Predni-Tablinen®) den halogenierten Glukokortikoiden vorzuziehen (Anfangsdosis: 0,5 bis 2 mg/kg; Erhaltungsdosis: 0,3 bis 0,5 mg/kg). Bei einer kürzeren Behandlung über mehrere Tage dürfen auch höhere Dosen verwendet werden, z. B. beim Schub einer Multiplen Sklerose (500 bis 1000 mg Prednisolon pro Tag über 3 bis 5 Tage). Ziel der Therapiestrategie sollte die Behandlung der Mutter mit einer ausreichenden Steroidmenge bei möglichst geringer Steroidbelastung für den Feten sein. Hierbei kann man sich die Wirkung der Plazenta-11b-Hydroxydehydrogenase zunutze machen. Dieses Enzym deaktiviert Prednisolon, so dass nach Gabe von Prednisolon sich im Nabelschnurblut nur etwa 1/8–1/10 der Konzentration im mütterlichen Blut nachweisen lassen. Da orale Spaltbildungen im unbelasteten Kollektiv nur bei 1 von 1000 Neugeborenen auftreten, schlägt sich ein ca. dreifacher Anstieg unter systemischer Glukokortikoidtherapie nur sehr moderat auf die gesamte Fehlbildungsrate von 3 bis 5% nieder. Die Gaumenbildung ist bis zur 12.SSW abgeschlossen, so dass bei einer späteren Exposition nicht mit einer Fehlbildung zu rechnen ist. Bei längerfristiger Glukokortikoidmedikation der Mutter in einem früheren Gestationsalter wäre eine sonographische Feindiagnostik um die 20.SSW zum Ausschluss einer oralen Spaltbildung anzuraten (Oren et al 2004) . Eine längerfristige Einnahme von 5 mg Folsäure täglich wäre bei Ihrer Vorgeschichte sinnvoll. Die Substanzklasse der nichtsteroidalen Antiphlogistika enthält zahlreiche Vertreter. Die älteren Substanzen Ibuprofen (z. B. Dolgit®), Diclofenac (z. B. Voltaren®) und Indometacin (z. B. Amuno®) dürfen in den ersten zwei Schwangerschaftsdritteln bei strenger Indikationsstellung eingesetzt werden. Die neueren Wirkstoffe aus dieser Substanzklasse ergaben bisher ebenfalls keine Hinweise auf fruchtschädigende Effekte, so daß bei versehentlicher Anwendung nicht mit Fehlbildungen zu rechnen ist. Im letzten Schwangerschaftsdrittel ist jedoch wegen eines möglichen vorzeitigen Verschlusses des Ductus arteriosus (kindliche Kreislaufverbindung) bei Dauertherapie mit all diesen Prostaglandinsynthesehemmern Vorsicht geboten.


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