Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Antidepressiva und Muttermilch

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Antidepressiva und Muttermilch

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Hallo! Aufgrund der Schwangerschaft hat mir mein Neurologe Paroxetin 20mg verschrieben. Ich spreche darauf aber nicht besonders an. Mit der Dosis möchte ich jetzt in der Schwangerschaft nicht höher gehen. Deswegen habe ich vor, nach der Geburt (ET ist Ende Juli) wieder Trevilor retard 150mg einzunehmen oder ein neues Medikament (z.Bsp. Citalopram) auszuprobieren. Ich möchte auf jeden Fall stillen. Können Sie mir sagen, ob diese Medikamente (Trevilor retard und Citalopram) in die Muttermilch übergehen und wenn ja, welche Auswirkungen sie auf das Baby haben? Müsste ich dann vor dem Abstillen das Medikament langsam ausschleichen lassen, damit beim Baby keine Entzugssymptome auftreten? Vielen Dank für Ihre Antwort! Gruß von Katarina


Dr. Wolfgang Paulus

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Nach einer aktuellen Auswertung aller verfügbaren Studien in der Weltliteratur treten keine relevanten Serumspiegel beim Säugling unter therapeutischen Dosen der Antidepressiva Nortriptylin, Paroxetin und Sertralin auf (Weissman et al 2004). Diese Antidepressiva wären demnach mit dem Stillen vereinbar. Anpassungsstörungen des Kindes nach der Geburt können unabhängig vom Stillen auftreten, da Paroxetin praktisch nicht in die Muttermilch übergeht. Unter 55 Neugeborenen war in 12 Fällen nach intrauteriner Exposition mit Paroxetin im letzten Schwangerschaftsdrittel eine nachgeburtliche Betreuung in der Kinderklinik erforderlich, während derartige Komplikationen in der Kontrollgruppe nur in drei Fällen auftraten (Costei et al 2002). Unter den klinischen Symptomen fanden sich Atemstörungen, Hypoglykämie (niedriger Blutzucker) und Ikterus (Gelbsucht). Die Symptome verschwanden innerhalb von zwei Wochen nach Geburt. Auf der Basis einer Studie zu Citalopram in der Stillzeit an 3 Patientinnen würde ein Säugling über die Muttermilch 0,7% bis 5,9% einer Erwachsenendosis aufnehmen (Spigset et al 1997). In einer weiteren Untersuchung an 7 Säuglingen wurde ein Übergang von Citalopram und seinen Hauptmetaboliten in einer Größenordnung von 4,4% bis 5,1% registriert (Rampono et al 2000). Dabei fanden sich bei den meisten Säuglingen keine messbaren Serumspiegel. Auffälligkeiten zeigten sich weder in der körperlichen Entwicklung noch im Verhalten der Säuglinge. Eine Veröffentlichung berichtet von einem Säugling mit Schlafstörungen, dessen Mutter täglich 40 mg Citalopram einnahm. Der Serumspiegel des Säuglings betrug ca. 1/6 des mütterlichen Spiegels. Der kindliche Schlaf normalisierte sich nach Halbierung der mütterlichen Dosis und Ersatz von zwei Stillmahlzeiten durch Flaschennahrung (Schmidt et al 2000). Außerdem wird von 2 Säuglingen mit Schläfrigkeit, Trinkschwäche und Gewichtsverlust unter mütterlicher Anwendung von Citalopram berichtet. Bei Fortführung der Citalopram-Medikation in der Stillzeit sollte das Befinden des Säuglings sorgfältig verfolgt werden. Unter den Serotonin-Reuptake-Hemmern liegen insbesondere Angaben zu Sertralin in der Stillzeit vor (Llewellyn & Stowe 1998). Bei insgesamt 15 Säuglingen fanden die Untersucher lediglich in 6 Fällen geringe Konzentrationen von Sertralin bzw. Desmethylsertralin im kindlichen Serum. Kindliche Komplikationen wurden nicht beobachtet. Sertralin geht in die Muttermilch über, wobei die Spitzenkonzentrationen 1 bis 9 Stunden nach Einnahme gemessen wurden (Altshuler 1995). Eine Untersuchung von 4 Säuglingen vor und 9 Wochen nach Beginn einer mütterlichen Sertralin-Therapie (maternale Dosis: 50 mg/d bzw. 100 mg/d) ergab keine Auffälligkeiten (Epperson 1997). In mehreren Studien mit insgesamt 40 Mutter-Kind-Paaren fanden sich bei den Säuglingen sehr niedrige Serumkonzentrationen für Sertralin und seine Metaboliten (Stowe at al 1997, Mammen et al 1997, Kristensen et al 1998, Wisner et al 1998). Eine Anwendung von Sertralin in der Stillzeit erscheint auf der Grundlage der aktuellen Daten vertretbar. Paroxetin geht ebenfalls nur in geringen Mengen in die Muttermilch über (Spigset et al 1996, Stowe et al 2000, Ohman et al 1999, Begg et al 1999). Messungen bei insgesamt 33 Mutter-Kind-Paaren ergaben eine kindliche Paroxetin-Aufnahme von durchschnittlich 1,13% (0,5 bis 1,7%) der mütterlichen Dosis. Im Serum der Säuglinge waren der Wirkstoff bzw. seine Metaboliten entweder nicht nachweisbar oder unterhalb der quantifizierbaren Grenze. Komplikationen wurden darunter beim Säugling nicht beobachtet. Insgesamt liegen bislang 14 Beobachtungen von Mutter/Kind-Paaren in der Stillzeit unter Medikation mit Venlafaxin vor (Gentile 2005). Messbare Spiegel von Venlafaxin bzw. seinen Metaboliten ließen sich bei 10 von insgesamt 12 kontrollierten Säuglingen in den bisher veröffentlichten Studien nachweisen, ohne dass dabei Komplikationen beobachtet worden wären (Ilett et al 2002, Hendrick et al 2001, Berle et al 2004). Bei zwei weiteren Säuglingen stellte man nach sechsmonatiger Stillzeit unter mütterlicher Anwendung von Venlafaxin eine unauffällige Verhaltensentwicklung fest (Ilett et al 1998). Die gewichtsadaptierte Säuglingsdosis betrug einschließlich der aktiven Metaboliten von Venlafaxin 5,5 bis 7,6% der mütterlichen Dosis. Die Erfahrungen mit Venlafaxin in der Stillzeit sind jedoch noch zu begrenzt, um eine langfristige Anwendung großzügig empfehlen zu können.


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