Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Anthistamine in Schwangerschaft

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Anthistamine in Schwangerschaft

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Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, Ich leide an einer chronischen Urtikaria, die früher nur sporadisch auftrat, seit ca. 1 Jahr aber permanent vorhanden ist. Seitdem muß ich in der Regel täglich eine Aerius (5 mg) nehmen, womit ich gut zurechtkomme. Die Ursache ist bislang unbekannt, ich mache zum Zwecke der Ursachenforschung derzeit eine Pseudoallergen-Weglaß- Diät, unter der sich die Urtikaria etwas gebessert hat. (eine Aerius nur ca. alle 4-5 Tage nötig). Ganz ohne Medikamente sind die Beschwerden oft nicht auszuhalten. Ich möchte aber bald schwanger werden und habe daher folgende Fragen: 1. Gibt es Erfahrungen über die Einnahme von Aerius oder aber andere Antihistamine wie Loratadin, Cetirizin oder Tavegil in der Schwangerschaft ? 2. Betreffen diese Erfahrungen nur die Einnahme der Antihistamine bei einzelnen Schüben oder aber die permanente Einnahme ? Wäre notfalls eine permanente Einnahme möglich, wenn ja, bis zu welcher Höchstdosierung ? 3. Sind die ersten drei Schwangerschaftsmonate dabei anders zu bewerten und wie ist die Einnahme der Antihistamine zwischen dem „Schwangerwerden“ und dem „Schwangersein“ zu sehen ? Vielen Dank vorab für Ihre Antwort! Mit den besten Grüßen


Dr. Wolfgang Paulus

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Auf der Grundlage eines schwedischen Geburtsregisters wurde der Verdacht geäußert, dass Loratadin bzw. Desloratadin zu einer Zunahme von Hypospadien (Harnröhrenfehlmündungen) führt: Unter 2.780 Fällen mit Einnahme von Loratadin in der Schwangerschaft wiesen 15 Kinder Hypospadien auf, etwa dreimal soviel wie erwartet (Källén & Otterblad Olausson 2001). Andere Studien konnten diesen Zusammenhang bislang nicht bestätigen. Die Anwendung von Loratadin nach dem ersten Schwangerschaftsdrittel erscheint akzeptabel. Eine Publikation berichtet von 39 Neugeborenen ohne Auffälligkeiten nach Exposition mit Cetirizin in der Schwangerschaft (Einarson 1997). Wir überblicken selbst 150 Schwangerschaftsausgänge nach Exposition mit Cetirizin (n=144) bzw. Levocetirizin (n=6) im ersten Trimenon: 9 x Schwangerschaftsabbruch (darunter 1 x Trisomie 18) 18 x Spontanabort 116 x unauffälliges Neugeborenes 7 x Fehlbildung (1 x Fußanomalie, 1 x Aortenstenose, 1 x Herzfehler, 1 x Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, 1 x Hautanhängsel Ohren bds., 1 x Leistenbruch) Ein einheitliches Fehlbildungsmuster lässt sich aus den Angaben nicht ableiten, so dass ein ursächlicher Zusammenhang mit der Medikation unwahrscheinlich ist. Allerdings liegen für die sensible Phase der Organdifferenzierung in der Frühschwangerschaft mehr Erfahrungen für ältere Substanzen wie Dimetinden (z. B. Fenistil), Meclozin, Clemastin (z. B. Tavegil) vor. Da an Schwangeren aus ethischen Gründen systematische Studien kaum möglich sind, verbieten sich auch Dosisfindungsstudien zur Ermittlung kritischer Grenzen. Sofern eine Anwendung im Zeitraum der Alles-oder-Nichts-Regel (innerhalb von zumindest 14 Tagen nach Empfängnis) erfolgte, ist bei schädigenden Einwirkungen entweder ein Abort oder ein Neugeborenes ohne erhöhtes Fehlbildungsrisiko zu erwarten. Die anfangs pluripotenten Zellen können in dieser Zeit noch geschädigte Zellen ersetzen, so dass die weitere Entwicklung ungestört verläuft, sofern der toxische Schaden nicht so groß ist, dass die Frucht mit der nächsten Regelblutung abgeht. Die Weiterentwicklung einer in diesem frühen Stadium geschädigten Frucht ist demnach nicht zu befürchten.


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