Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

06.12.2006

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: 06.12.2006

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Hallo, ich bin 34 Jahre alt und habe im Juli 2000 einen gesunden Jungen nach völlig komplikationsloser Schwangerschaft bekommen. Normalerweise nehme ich, zur Behandlung meines hohen Blutdrucks (verursacht durch die Erbkrankheit Zystennieren) Concor 5 und zwar täglich eine halbe. Das wirkt wunderbar und mein Blutdruck ist im normalen Bereich (ohne Medikation ganz rasch über 180/120). In meiner damaligen Schwangerschaft habe ich Metoprolol 100 bekommen (2 mal eine halbe täglich) und der Blutdruck war die ganze Zeit nicht ganz so gut (140/90, 130/100, 170/110) etc.). Jetzt haben wir wieder einen Kinderwunsch und ich habe schon im Vorweg wieder das Blutdruckmittel umstellen wollen und bin von Concor auf Metoprolo 100 gewechselt (wie 2000 auch). Aber der Blutdruck spricht nicht so richtig darauf an. Ich nehme aktuell früh und abends jeweils eine, aber weniger als 150/100 bekomme ich damit einfach nicht hin. Nun meine Frage: Wahrscheinlich müsste ich die Metoprolol 100-Dosis noch mehr erhöhen um zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Aber das kann bei einer angestrebten Schwangerschaft ja auch nicht so optimal sein. Ich weiss, das ich bei Concor 5 nur eine halbe brauche und alles ist okay. Was sollte ich nun machen? Der hohe Blutdruck macht mir zu schaffen, ich spüre ihn, habe Kopfschmerzen und Unruhe. Außerdem habe ich Angst wegen des hogen Drucks, da meine Mama erst dieses Jahr an den Folgen eines Schlaganfalls (verursacht durch zu hohen Blutdruck) verstorben ist. Was würden Sie mir raten, was ich sinnvoller Weise tun kann? Ich würde am liebsten mein Concor 5 wieder nehmen, weil mir das einfach am optimalsten hilft, aber was ist im Bezug auf eine Schwangerschaft? Bei Metoprolol habe ich momentan das Gefühl, ich nehme Smarties. Vielen Dank im Voraus für Antwort! Schöne Feiertage und eine guten Rutsch ins neue Jahr!


Dr. Wolfgang Paulus

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In der Schwangerschaft sollte eine arterielle Hypertonie bevorzugt mit Methyldopa, älteren Betablockern oder Dihydralazin eingestellt werden. Unter den Betablockern sollten vorrangig die älteren ß1-spezifischen Präparate wie Metoprolol (Tagesdosis: bis 200 mg/d) verwendet werden. Berichte über intrauterine Wachstumsretardierung (kindlicher Wachstumsrückstand) unter Therapie mit Betablockern sind kritisch zu betrachten, da dies auch durch die Grunderkrankung (z. B. art. Hypertonie) bedingt sein kann. Da Betablocker plazentagängig sind, können sie beim Neugeborenen Bradykardie (niedrige Herzfrequenz), Hypotonie (niedriger Blutdruck) und Hypoglykämie (niedriger Blutzucker) auslösen. Die meist nur milden Symptome, die innerhalb der ersten 48 Stunden nach Geburt verschwinden, erfordern lediglich eine aufmerksame Überwachung des Neugeborenen. Ein Absetzen der Medikation 24 bis 48 Stunden vor Entbindung ist nicht erforderlich. In einer Studie mit 184 Kindern, deren Mütter wegen Hypertonie nach dem I.Trimenon mit Metoprolol behandelt worden waren, zeigte sich eine leichte Wachstumsretardierung, die jedoch auch durch die Grunderkrankung zu erklären ist (Sandstrom 1982). In mehreren klinischen Studien zur antihypertensiven Therapie im II./III.Trimenon ergab sich bei insgesamt 134 Kindern keine Zunahme fetaler Komplikationen (Hogstedt et al 1985; Oumachigui et al 1992; Jannet et al 1994). Unter Bisoprolol war die Häufigkeit von Fehlbildungen in Tierversuchen mit Ratten und Kaninchen unter der 25- bis 375- bzw. 5- bis 125-fachen humantherapeutischen Dosis nicht erhöht (Suzuki et al., 1989; USP DI, 1998). Wir verfügen bisher über 46 Rückmeldungen nach Anwendung von Bisoprolol im I.Trimenon: 3 x Schwangerschaftsabbruch 10 x Spontanabort 32 x gesundes Neugeborenes 1 x angeborene Anomalie (kleiner Ventrikelseptumdefekt) Ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko aufgrund der Medikation ist angesichts der aktuellen Datenlage unter Bisoprolol nicht zu erwarten; allerdings wäre die Behandlung mit Metoprolol in der Schwangerschaft erprobter. Die relativ hohe Abortrate unter Bisoprolol in unserem Kollektiv könnte mit der Behandlungsindikation (meist art. Hypertonie) in Zusammenhang stehen. Da Sie offenbar auf die geringe Bisoprolol-Dosis wesentlich besser ansprechen als auf Metoprolol, wäre eine Fortsetzung der aktuellen Medikation bei Kinderwunsch durchaus vertretbar.


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