Frage im Expertenforum Kinderwunsch an Dr. med. Friedrich Gagsteiger:

Weiteres Vorgehen nach erfolgloser IVF

Frage: Weiteres Vorgehen nach erfolgloser IVF

julia.carlin

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Sehr geehrter Herr Dr. Gagsteiger, vielen Dank für Ihre Arbeit und die Möglichkeit, Ihnen Fragen stellen zu können.  Ich würde Sie um eine Einschätzung und Empfehlung zum weiteren Vorgehen bitten.  Ich bin gerade 42 Jahre alt geworden. Im Januar 2022 wurde mir mit 38 wegen eines gutartigen Tumors ein Eierstock entfernt. Wir sind zur Erfüllung unseres Kinderwunsches auf Spendersamen angewiesen. Im Mai 2022 bin ich bei der ersten Insemination im natürlichen Zyklus ohne Medikamente schwanger geworden. Nach einer unkomplizierten Schwangerschaft und natürlichen Geburt habe ich unsere gesunde Tochter geboren.  Letztes Jahr wollten wir im Sommer unseren zweiten Kinderwunsch angehen. Leider kam im Juli eine perforierte Appendizitis dazwischen. Bei einer Bauchspiegelung im November wurden ausgedehnte Verwachsungen festgestellt, die auch den verbliebenen Eileiter betrafen. Diese wurden entfernt. Wir haben zwei erfolglose Inseminationen versucht. Aufgrund meines Alters und der eventuell wieder neu entstehenden Verwachsungen sind wir zur IVF übergegangen.  Meine Hormonwerte sind noch gut (AMH bei 2,62 ng/ml im Februar 2025) und der AFC lag im Februar bei 10.  Da wir uns bei der Insemination für unsere Tochter in Dänemark sehr wohl gefühlt haben, waren wir wieder dort.  Mittlerweile haben wir zwei Zyklen IVF hinter uns gebracht. Stimulation im kurzen Antagonisten Protokoll mit jeweils 300 Einheiten Menopur ab Zyklustag 2 und Fyremadel einmal ab Tag 7, einmal ab Tag 6.   Ausgelöst wurde mit Ovitrelle beim ersten Versuch an Tag 11 und beim zweiten Versuch an Tag 10 mit Ovitrelle und Gonapeptyle. Die Eizellentnahme erfolgte im ersten IVF Zyklus an Zyklustag 13 im zweiten an Tag 12. Die Ärztin erhoffte sich durch den Doppeltrigger beim zweiten Versuch, dass sich die Eizellen besser vom Follikel lösen und dadurch mehr Eizellen gewonnen werden können. Bei beiden Versuchen wurden 8 Eizellen gewonnen, es wurden vorher aber mehr Follikel gesehen, ca. 12.  Von den 8 Eizellen wurden erst 6, beim zweiten Mal 7 befruchtet, die sich auch alle erst einmal entwickelt haben. Es wurde ein Blastozysten Transfer angestrebt. An Tag 5 wurde im ersten Versuch eine 4BB Blastozyste eingesetzt. Es gab noch zwei schlechtere Blastozysten in C Qualität, die bis Tag 6 beobachtet wurden und laut Aussage der Klinik zu schlecht zum Einfrieren waren. Leider war der Versuch erfolglos.  Beim zweiten Mal gab es an Tag 5 vier frühe Blastozysten, zwei wurden transferiert und zwei weiter kultiviert bis Tag 6. Leider wurde wieder nichts eingefroren.  Wie bewerten Sie die Ausbeute der beiden Versuche? Sind vier frühe Blastozysten ein gutes oder schlechtes Ergebnis? Lohnt sich ein weiterer Versuch? Es gab ja immerhin Blastozysten, aber leider nichts zum Einfrieren, was uns sehr enttäuscht hat. Ich hatte viel Hoffnung auf einen möglichen Kryoversuch gesetzt. Ist es normal, dass keine weiteren Blastozysten zum Einfrieren übrig bleiben? Liegt das an der schlechten Qualität wegen meines Alters?  Kann es auch an der Qualität des Labors liegen oder ist allein mein Alter schuld? Würden Sie eine andere Medikation oder Vorgehensweise empfehlen? Östrogen Priming stand im Raum als Möglichkeit oder ein langes Protokoll. Wäre eine IVF im natürlichen Zyklus aufgrund meines Alters die bessere Wahl? Oder ein Transfer zu einem früheren Zeitpunkt? Ist diese Vorauswahl durch die Blastozystenkultur der beste Weg? Wie bewerten Sie das Verwerfen der schlechten Blastozysten? Wir wissen nicht, ob wir es in dieser Klinik noch einmal versuchen sollten oder woanders, vielleicht in Deutschland.  Ist die Eizellspende meine letzte Chance? Neben der psychischen Belastung ist es für uns auch finanziell eine Herausforderung.  Es würde mir sehr helfen, Ihre Einschätzung zu erfahren.  Vielen Dank und viele Grüße  Jule 


Dr. Friedrich Gagsteiger

Dr. Friedrich Gagsteiger

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Guten Tag, zunächst möchte ich Ihnen sagen, wie sehr ich Ihre Offenheit und Ihren reflektierten Umgang mit all den medizinischen und emotionalen Herausforderungen bewundere. Sie beschreiben Ihre Situation sehr präzise und mit großem Verständnis für die Abläufe – das zeigt, wie sorgfältig und bewusst Sie alles angehen. Und Sie haben trotz der vielen Hürden bereits Großartiges erreicht: eine unkomplizierte Schwangerschaft und Geburt nach nur einer Insemination – das ist ein sehr gutes Zeichen dafür, dass Ihr Körper grundsätzlich sehr gut auf hormonelle Signale und Eizellreifung reagiert.   1. Ihre bisherigen IVF-Ergebnisse Zwei Stimulationszyklen mit jeweils 8 gewonnenen Eizellen, davon 6–7 befruchtet und mehreren frühen Blastozysten, sind für Ihr Alter von 42 Jahren ein sehr gutes Ergebnis. Ab etwa 40 Jahren zeigen nur noch etwa 15–25 % der Eizellen eine normale Chromosomenverteilung (Euploidie). Das bedeutet, dass selbst bei sehr guter Befruchtung und Zellteilung nur ein kleiner Teil der Embryonen bis zur Blastozyste überlebt. Dass sich bei Ihnen in beiden Zyklen mehrere frühe Blastozysten gebildet haben, zeigt, dass Ihre Eizellqualität trotz des Alters noch aktiv und funktionell ist.   Dass keine Embryonen eingefroren werden konnten, ist leider in Ihrer Altersgruppe häufig und kein Hinweis auf ein schlechtes Labor, sondern Ausdruck der natürlichen Selektion in der Blastozystenkultur. In etwa 70–80 % der Fälle überstehen Embryonen über 40 Jahre die Blastokultur nicht bis Tag 6 in guter Qualität, weil sich genetische Fehler in dieser Phase bemerkbar machen.   2. Bewertung der Blastozystenentwicklung Vier frühe Blastozysten an Tag 5 sind kein schlechtes Ergebnis, sondern zeigen, dass die Entwicklung grundsätzlich gut funktioniert. Dass diese Embryonen jedoch nicht bis Tag 6 in einfrierfähiger Qualität weiterkultiviert werden konnten, ist biologisch erklärbar und nicht automatisch ein Laborproblem. Manche Labors sind in ihrer Bewertung sehr streng und frieren nur A- oder B-Blastozysten ein. Andere sind großzügiger und konservieren auch C-Blastozysten, die mitunter durchaus zu Schwangerschaften führen können. Das erklärt, warum Ergebnisse zwischen IVF-Zentren unterschiedlich ausfallen können – nicht unbedingt wegen der Qualität der Arbeit, sondern wegen unterschiedlicher Kriterien und Laborkulturen.   3. Möglichkeiten zur Optimierung der Stimulation Ihr bisheriges Protokoll (Antagonisten, 300 IE Menopur, Doppeltrigger) ist gut und durchdacht. Für einen weiteren Versuch könnte man dennoch einige Anpassungen erwägen:   Estrogen-Priming-Protokoll: kann helfen, die Follikelreifung gleichmäßiger zu gestalten und die Eizellqualität zu stabilisieren. Langes Protokoll (GnRH-Agonist): kommt infrage, wenn die Reifung sehr asynchron verläuft. Unterstützende Mikronährstoffe wie CoQ10, DHEA und Melatonin (mind. 6–8 Wochen vor Stimulationsbeginn) können zusätzlich sinnvoll sein. Eine PGT-A-Untersuchung könnte helfen, genetisch unauffällige Embryonen zu identifizieren – rechtlich je nach Land unterschiedlich geregelt und in Deutschland so nicht einfach möglich.   4. Transferzeitpunkt: Blastozyste oder früherer Transfer Eine Blastozystenkultur hat den Vorteil, dass man Embryonen auswählt, die eine natürliche Entwicklungsselektion durchlaufen haben.   5. Aussicht und Alternativen Ihr AMH-Wert von 2,62 ng/ml und ein AFC von 10 sind bemerkenswert gut für Ihr Alter – das spricht für eine stabile ovarielle Reserve. Sie haben daher noch reale Chancen mit eigenen Eizellen, auch wenn die Erfolgsrate pro Transfer statistisch bei 10–15 % liegt.   Ein weiterer Versuch kann sinnvoll sein – idealerweise mit einem individuell angepassten Protokoll und in einem Labor, das viel Erfahrung mit Patientinnen über 40 hat.   Es ist durchaus sinnvoll, nicht alle Versuche im selben IVF-Zentrum durchzuführen. Die Qualität der Labore, die Erfahrung der Embryologen, die Handhabung der Kulturbedingungen und die Beurteilungskriterien können sich zwischen Zentren unterscheiden und manchmal den Ausschlag geben. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie woanders mehr Begleitung, Transparenz oder technische Möglichkeiten erhalten, ist ein Wechsel absolut berechtigt. Wählen Sie Ihr neues Zentrum aber sorgfältig aus, achten Sie auf Spezialisierung, Laborerfahrung, Kommunikation und Ihr persönliches Gefühl. Und ich wünsche Ihnen dabei viel Glück und die bestmögliche Begleitung.   6. Zusammenfassung Ihre bisherigen Ergebnisse sind ermutigend und solide. Keine zwingende Notwendigkeit, das bisherige Zentrum wegen der Resultate zu verlassen – aber ein Wechsel kann neue Impulse bringen. Eine Optimierung des Protokolls (z. B. Estrogen-Priming, längere Stimulation, Doppeltrigger) ist sinnvoll. Ein früherer Transfer (Tag 3) kann diskutiert werden. Schilddrüsen-, Vitamin-D-, DHEA-, CoQ10- und Eisenstatus sollten optimal eingestellt sein. Ein dritter Versuch mit leichter Anpassung ist medizinisch absolut gerechtfertigt. Die Eizellspende ist keine „letzte“ Chance, sondern eine weitere Option, wenn sich trotz optimaler Vorbereitung keine tragfähigen Embryonen mehr entwickeln lassen.   Liebe Frau Jule, ich weiß, wie anstrengend und nervenaufreibend dieser Weg ist. Aber Ihre Werte, Ihre Reaktion auf die Stimulation und die Entwicklung Ihrer Embryonen zeigen deutlich, dass Sie noch reale Chancen mit eigenen Eizellen haben. Sie gehen diesen Weg mit großem Bewusstsein und Mut – und das ist eine enorme Stärke. Ich wünsche Ihnen von Herzen Zuversicht, die richtige Unterstützung und dass der nächste Versuch Ihnen das bringt, worauf Sie so geduldig hinarbeiten. Mit herzlichen Grüßen und den besten Wünschen Ihr Friedrich Gagsteiger


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