Guten Morgen Herr Dr. Gagsteiger,
meine Frau und ich versuchen nun seit knapp einem Jahr Kinder zu bekommen. Bisher hatten wir leider keinen Erfolg.
Wir haben beide einen normalen BMI, ich mache Sport/meine Frau ab und zu, nehmen seit Monaten Folsäure und Zink ein, nehmen keine Drogen, rauchen nicht. Meine Frau trinkt praktisch keinen Alkohol. Bei mir hält es sich stark in Grenzen. Etwa eine Woche vor dem Eisprung trinke ich gar keinen Alkohol mehr. Ernährung ist, denke ich, ausgewogen. Meine Frau hat seit Jahren die Pille nicht mehr genommen (Verhütung mittels Kondom). Habe während des Sommers nie Sitzheizung benutzt und habe das Handy selten in der Hosentasche. Die letzten Monate haben wir zudem jeweils Ovulationstests benutzt, um den Zeitpunkt des Eisprungs genauer zu bestimmen.
Ich hatte im August ein Spermiogramm anfertigen lassen. Nach der Auswertung hatte ich einen Termin mit einem Arzt, der meinte, dass mit dem Sperma alles in Ordnung wäre und wir es einfach weiter versuchen sollten. Es gäbe zwar zwei Faktoren (Sperm-Deformity-Index (SDI) und Teratozoospermie-Index (TZI)), die nicht im Normbereich lägen (> 1,6), er wisse jedoch nicht, warum diese Indizes überhaupt noch in der Auswertung auftauchen.
Nun meine Fragen an Sie:
Sind die Daten des Spermiogramms wirklich komplett in Ordnung oder bewegen wir uns hier grenzwertig? Wäre vielleicht ein zweites Spermiogramm sinnvoll?
Können wir sonst noch etwas tun?
Die Daten des Spermiogramms:
Volumen: 3,9 ml
pH-Wert: 7,9
Konzentration: 124 mio/ml
Gesamtzahl: 483,6 mio/Ejakulat
Motilität:
a (progressiv schnell): 12%
b (progressiv langsam): 20%
c (nicht progressiv): 26%
d (immotil): 42%
progressiv motil (a+b): 32%
total motil (a+b+c): 58%
Vitalitätstest: 88%
Morphologie pro 200 Spermien:
normale Formen: 4%
Pathol. Formen: 96%
SDI: 1,78
TZI: 1,85
Kopfanomalien: 96%
Mittelstückanomalien: 50%
Schwanzanomalien: 28%
Freie Köpfe ohne Schwanz: 2%
Zytoplasma-Anhängsel: 4%
IgG und IgA negativ
Leukozytenzählung < 1 mio/ml
Fructose: 20 mmol/l
Fructose total: 78 mikromol/Ejak
Freies Carnitin: 500 mikromol/l
Freies Carnitin total: 1950 nmol/Ejak
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank.
Freundliche Grüße
von
cnagel
am 20.11.2023, 08:40
Antwort auf:
Spermiogramm
Guten Morgen,
es ist verständlich, dass Sie besorgt sind, besonders nach einem Jahr des Versuchs, ein Kind zu bekommen. Zunächst ist es wichtig zu betonen, dass ich Ihre persönliche Situation zu wenig kenne. Ich kann Ihnen jedoch einige allgemeine Informationen basierend auf den von Ihnen bereitgestellten Spermiogrammdaten geben.
Spermiogramm-Daten: Die von Ihnen angegebenen Werte scheinen in einigen Bereichen oberhalb des unteren Grenzbereichs zu liegen, wie z.B. das Volumen, die pH-Werte und die Konzentration. Die Gesamtmotilität (progressiv und nicht-progressiv) liegt auch in diesem Bereich, obwohl der Prozentsatz der schnell progressiven Spermien (Kategorie a) etwas niedrig zu sein scheint. Und nur diese schnell vorwärts beweglichen Spermien können die Eizelle auch erreichen
Morphologie: Ein auffälliger Bereich ist die Morphologie der Spermien. Die normale Form beträgt nur 4 %, was am unteren Grenzwert von 4-14 % liegt. Hohe Werte von pathologischen Formen, SDI und TZI können auf Probleme mit der Spermienqualität hinweisen.
Wichtig ist es aber zu wissen, dass die unteren Grenzwerte nur der sogenannten 5. Perzentile entsprechen. Das bedeutet, dass 5 Prozent der untersuchten Spermiogramme schlechter und 95 Prozent besser waren. Bei durchschnittlichen Werten wären 50 Prozent schlechter und 50 Prozent besser. Wenn also ein Arzt von "normalen" Werten spricht, kann das bedeuten, dass gerade die 5. Perzentile erreicht wurde. Und das wiederum bedeutet, dass man zu der Gruppe gehört, die eine schlechtere Chance als der Durchschnitt hat.
Weitere Untersuchungen: Angesichts der Tatsache, dass einige Werte unterhalb des Grenzwertes liegen, könnte es sinnvoll sein, ein zweites Spermiogramm durchzuführen, um die Ergebnisse zu bestätigen oder zusätzliche Informationen zu erhalten. Es ist immer gut, eine zweite Meinung einzuholen, besonders wenn es um wichtige Gesundheitsfragen geht.
Lebensstil und Ernährung: Sie haben bereits mehrere wichtige Schritte unternommen, wie die Verbesserung der Ernährung, die Vermeidung von Alkohol und Hitzeexposition sowie die Verwendung von Ovulationstests. Diese Maßnahmen sind positiv und sollten beibehalten werden. Aber es gibt noch viel mehr zu beachten.
Beratung durch Spezialisten: Es könnte auch hilfreich sein, eine Beratung bei einem Spezialisten für reproduktive Gesundheit oder einem Urologen bzw. Andrologen in Betracht zu ziehen. Sie könnten spezifische Empfehlungen basierend auf Ihren individuellen Umständen geben.
Untersuchung der Partnerin: Da Fruchtbarkeit ein Thema ist, das beide Partner betrifft, könnte es auch sinnvoll sein, dass Ihre Frau sich einer Untersuchung unterzieht, um eventuelle Probleme auszuschließen.
Bitte beachten Sie, dass dies allgemeine Hinweise sind und es wichtig ist, mit einem medizinischen Fachmann zu sprechen, der Ihre spezifische Situation genau beurteilen kann. Es ist wichtig, offen und proaktiv zu sein, aber auch Geduld zu haben, da Fruchtbarkeitsprobleme komplex sein können und manchmal Zeit brauchen, um gelöst zu werden.
Ich wünsche Ihnen beiden viel Erfolg und hoffe, dass Sie bald positive Nachrichten erhalten.
Sollten Sie differenziertere Auskünfte benötigen, wenden Sie sich bitte an einen Reproduktionsmediziner oder an uns über www.bestfertility.de
von
Dr. Friedrich Gagsteiger
am 20.11.2023
Antwort auf:
Spermiogramm
Vielen lieben Dank für die schnelle und ausführliche Antwort!!!
von
cnagel
am 24.11.2023, 08:04
Antwort auf:
Spermiogramm
Sehr gerne!
von
Dr. Friedrich Gagsteiger
am 25.11.2023
Antwort auf:
Spermiogramm
Guten Abend Herr Dr. Gagsteiger,
ich habe zwischenzeitlich meinen Hormonspiegel untersuchen lassen, ohne besondere Auffälligkeiten. Bei meiner Frau war auch alles in Ordnung.
Am 19.12. habe ich noch ein zweites Spermiogramm anfertigen lassen. Das erste war etwa vier Monate davor.
Die Ergebnisse des zweiten Spermiogramms sind nun schlechter als die des Ersten. Nachfolgend ein paar Daten des zweiten Spermiogramms mit den Daten des ersten Spermiogramms in Klammern dahinter:
Volumen: 3,5 ml (3,9)
pH-Wert: 7,9 (7,9)
Konzentration: 61,8 mio/ml (124)
Motilität:
a (progressiv schnell): 6% (12)
b (progressiv langsam): 13% (20)
c (nicht progressiv): 23% (26)
d (immotil): 58% (42)
progressiv motil (a+b): 19% (32)
total motil (a+b+c): 42% (58)
Vitalitätstest: 83% (88)
Morphologie pro 200 Spermien:
normale Formen: 3% (4)
Pathol. Formen: 97% (96)
SDI: 2,09 (1,78)
TZI: 2,15 (1,85)
Kopfanomalien: 97% (96)
Mittelstückanomalien: 58% (50)
Schwanzanomalien: 49% (28)
Freie Köpfe ohne Schwanz: 3% (2)
Zytoplasma-Anhängsel: 5% (4)
Pin Heads: 11% (0)
Bakterien: + ((+))
Wenn ich beide Spermiogramme als Laie miteinander vergleiche, fällt mir insbesondere auf, dass
1. die Spermienkonzentration in der Probe nun nur noch halb so hoch ist und
2. auch deutlich weniger bzw. zu wenige progressiv (schnelle) motile Spermien gefunden werden konnten.
3. Dass nun der Anteil der pathologischen Formen mit 3% die Grenze von 4% unterschritten hat (beim alten Spermiogramm waren es noch genau die 4%), ist jetzt vielleicht weniger verwunderlich.
Besonders bei den ersten beiden Punkten erscheinen mir die Unterschiede doch ziemlich deutlich zu sein.
Könnten Sie mir vielleicht sagen, ob das im Rahmen "normaler Qualitätsschwankungen" liegt oder gibt es jetzt doch noch klarere Bedenken, was meine Spermienqualität betrifft?
Ich trinke nun seit Mitte November keinen Alkohol mehr. War seit Oktober verletzt und habe fast keinen Sport mehr gemacht. Sonst wüsste ich nicht, was sich bei mir geändert hätte im Vergleich zum Spermiogramm im August.
Vielen Dank.
Freundliche Grüße
von
cnagel
am 23.01.2024, 18:40
Antwort auf:
Spermiogramm
Guten Abend,
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Qualität des Spermas durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden kann und dass gewisse Schwankungen in den Ergebnissen von Spermiogrammen normal sind. Allerdings können signifikante Änderungen wie die, die Sie in Ihren Ergebnissen beschreiben, auf bestimmte Bedingungen oder Veränderungen in Ihrem Lebensstil hinweisen.
Reduktion der Spermienkonzentration: Eine Halbierung der Spermienkonzentration ist bemerkenswert. Stress, Ernährung, Umweltfaktoren, gesundheitliche Veränderungen oder Änderungen im Lebensstil können solche Schwankungen verursachen.
Abnahme der progressiven Motilität: Die progressive Motilität ist entscheidend für die Befruchtungsfähigkeit der Spermien. Eine signifikante Abnahme kann die Fertilität beeinträchtigen.
Pathologische Formen: Der Anteil pathologischer Formen hat zwar nur geringfügig zugenommen, aber er lag schon bei der ersten Untersuchung im Grenzbereich.
Die Tatsache, dass Sie seit einigen Monaten keinen Alkohol mehr trinken, ist positiv, da Alkohol die Spermienqualität beeinflussen kann. Die Abnahme der körperlichen Aktivität könnte jedoch auch eine Rolle spielen, da regelmäßige Bewegung allgemein mit einer besseren Spermienqualität in Verbindung gebracht wird.
Ich empfehle Ihnen dringend, diese Ergebnisse mit Ihrem behandelnden Urologen oder einem Fertilitätsspezialisten zu besprechen. Sie können eine gründlichere Bewertung vornehmen und feststellen, ob diese Veränderungen im Rahmen normaler Qualitätsschwankungen liegen oder ob sie auf ein tiefer liegendes Problem hinweisen. Es könnte auch nützlich sein, weitere Untersuchungen durchzuführen, um die Ursache dieser Veränderungen zu ermitteln und entsprechende Empfehlungen zur Verbesserung Ihrer Spermienqualität zu geben.
Freundliche Grüße und alles Gute.
von
Dr. Friedrich Gagsteiger
am 23.01.2024
Antwort auf:
Spermiogramm
Guten Abend,
alles klar. Nochmals vielen Dank Ihnen!!!
von
cnagel
am 26.01.2024, 20:20