FCB2011
Hallo Frau Windisch, ich habe eine Frage zur Befundung. Meine größere Tochter hatte vor einiger Zeit Ergotherapie und damals ging nahezu das ganze erste Rezept für die Befundung "drauf", also jedes Mal wurden irgendwelche Tests gemacht und dann erst irgenwann mal mit der tatsächlichen Therapie angefangen. Die Therapie ist mittlerweile auch längst beendet. Ich war damals schon etwas unzufrieden, wenn z.B. Kind hingeschickt wird, weil es Probleme mit der Feinmotorik hat, muss dann tatsächlich von A-Z alles durchgestestet werden? Da geht so viel Zeit drauf. So jetzt bekommt ihre kleine Schwester ebenfalls Ergotherapie, Feinmotorik und evtl. auch auditive Wahrnehmung, wobei wir für die auditive Wahrnehmung einen Termin beim Pädaudiologen haben. Und ja zumindest der Bereich, nicht nochmal extra von der Ergotherapeutin getestet werden muss. Jetzt sagte die Therapeutin, dass die ersten Termine wieder für die Befundung verwendet werden. Letztes Mal musste sie ein Selbstportrait malen, diese und nächste Woche wohl irgendwelche muskulären Tests mit 27 verschiedenen Übungen und dann kommt das nächste. MEine Frage dazu ist das wirklich üblich, dass da so ausführlich getestet wird, auch in Bereichen, in denen meiner Ansicht nach gar kein Problem besteht. Im Grunde ist es natürich gut, wenn man viele Dinge ausschließen kann, aber andererseits geht wirklich sehr viel Zeit verloren. Wir haben 1 TErmin pro Woche, dann fällt der natürlich wg Urlaub/Krankheit etc. auch öfter mal aus, d.h. zum Schluss ist es Sommer bevor überhaupt mal richtig angefangen wird. Wie sehen Sie das?
Hallo, eine gute Befundung ist die Basis für eine erfolgreiche Therapie und wirklich notwendig, um die Ursachen für die bestehenden Probleme zu erfassen und darauf die Behandlung aufzubauen. Wenn beim Schwerpunkt Feinmotorik gleich losbehandelt werden würde, ohne eine Befundung mit Beobachtung/Tests usw.durchzuführen, wären Sie in keiner guten Praxis gelandet. Es geht ja nicht nur um ein reines Üben der Feinmotorik, sondern herauszufinden, woran es liegt, dass die Feinmotorik schwer fällt - es ist oft nur die "Spitze des Eisbergs". Häufig muss man erst an anderen Stellen arbeiten, damit sich dann letztlich die Feinmotorik dadurch verbessert. Im allg.sagt man, dass die ersten 6 Therapieeinheiten zur Diagnostik und Befundung genutzt werden, das kann aber z.B.variieren, wenn das Kind nicht gleich kooperiert, wenig Ausdauer hat oder der Schwerpunkt erstmal auf einem Vertrauensaufbau zwischen Kind und Therapeut/in liegt (z.B.bei sehr schüchternen Kindern oder Probl.im sozioemotionalen Bereich). Im Elterngespräch werden dann die Befundung/Beobachtungen, die Tests besprochen/ausgewertet und die daraus entstehenden Therapieziele besprochen, Alltagsberatung für das häusliche Umfeld, etc.mitgegeben. Am effektivsten ist es natürlich, wenn nicht nur 1x/Woche die Behandlung stattfindet, sondern auch häusliche Übungen mitgegeben werden, um einen Transfer in den Alltag zu ermöglichen und schnell Verbesserungen zu erreichen. Das "Selbstportrait" gehört zu den festen Bestandteilen einer ergotherapeutischen Befundung: die Mensch-Zeichnung gibt Ausblick darüber, wie weit die Malentwicklung des Kindes ist und wie gut sich das Kind selbst spürt und wahrnimmt (was die Grundlage im weitesten Sinne ist, um eine gute Feinmotorik zu entwickeln). Dabei kann auch beobachtet werden, wie die Stifthaltung, Kraftdosierung beim Zeichnen, Handgelenksbeweglichkeit, Arm- und Sitzhaltung ist, ob die Gelenke der Finger überstreckt sind, etc. Bei vielen Dingen der ergotherapeutischen Behandlung und auch der Befundung steckt sehr viel Hintergrund drin, der von außen nicht gleich ersichtlich ist. Deshalb ist Kommunikation natürlich wichtig, die Besprechung mit den Eltern nach der Therapieeinheit und die Elterngespräche. Wenn Sie Fragen haben, sprechen Sie den/die Therapeuten/in darauf an, um den Hintergrund von bestimmten Tests oder auch Spielen, Übungen oder handwerklichen Tätigkeiten zu erfahren. Gerade in der Arbeit mit den Kindern hat es den Eindruck bei den Eltern, da wird ja nur gespielt oder gebastelt, dass kann ich auch zu Hause tun, aber es steckt stets ein therapeutisches Setting und Ziel dahinter, wird aber für das Kind in spielerische Form verpackt, damit es motiviert mitmacht. Ich vermute die "27 Übungen muskulärer Tests" ist der MOT oder LOS KF 18 (je nach Alter ihres Kindes), in dem die Motorik und Körperspannung des Kindes überprüft werden. Das ist wichtig, um zu erfassen, wo welche Probleme liegen und dem Arzt einen standardisierten Wert geben zu können, auf welchem Stand das Kind ist und es sich nicht nur um einen subjektiven Eindruck der Therapeutin handelt. Hier können Ursachen erkannt werden, warum es bei der Feinmotorik Schwierigkeiten gibt. Die Hintergründe bei Feinmotorik sind vielfältig - da wird die Körperwahrnehmung, die Fingersensibilität, die Körperspannung überprüft, man kann sogar die visuelle Wahrnehmung testen, um sicherzustellen, dass die feinmotorischen Probleme nicht daraus resultieren. Würde hier nicht gut befundet sondern nur die Feinmotorik trainiert werden, gäbe es keine effektiven Verbesserungen, da nur das "Symptom" behandelt werden würde und nicht die Ursache. Ich verstehe, dass Sie möglichst schnell Therapieerfolge durch eine Behandlung sehen wollen, um es ihrem Kind im Alltag zu erleichtern, aber dafür ist eine gute Befundung im Voraus nötig, um nichts zu übersehen und eine effektive Therapie aufzubauen. Wenn Sie mit etwas unzufrieden sind, sprechen Sie das immer konstruktiv an, das nützt letzlich auch einer effektiven Therapie und Eltern-Therapeuten-Zusammenarbeit und beugt Missverständnissen vor. Vielleicht können Sie sich ja darauf einigen, dass z.B. 10-15 min.der Behandlungszeit schonmal Förderung/Training der Feinmotorik stattfindet, wenn nicht ein großer umfassender Test wie der MOT/LOS KF 18 stattfindet. Im allgemeinen ist es in der Ergotherapie der Standard zunächst zu befunden und zu testen und danach die Behandlung zu beginnen. Natürlich werden nicht alle vorhandenen Tests, die es gibt durchgeführt, sondern nur solche, die mit der Diagnose/Symptomatik im Zusammenhang stehen. Alles Gute Kristin Windisch