Willensstarkes Baby mit hohem Autonomie- und Bewegungsdrang

 Ingrid Henkes Frage an Ingrid Henkes Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

Frage: Willensstarkes Baby mit hohem Autonomie- und Bewegungsdrang

Liebe Frau Henkes,  ich bin grundsätzlich sehr stolz darauf, einen sehr selbstbewussten, ausdrucksstarken und aktiven Sohn (11 Monate) zu haben. Da er mein erstes Kind ist, bin ich manchmal etwas unsicher, ob sein Verhalten noch im Rahmen liegt oder abklärungsbedürftig ist. Uns wurde im Freundeskreis eine tolle Kinderpsychologin empfohlen und ich wäre nun recht dankbar über Ihre Einschätzung, ob das Verhalten detailliert besprochen werden sollte oder nicht.    Mein Sohn ist immer schon sehr aktiv und liebesbedürftig gewesen. Nachts nuckelt er nach wie vor fast stündlich an der Brust (tendenziell wird es aber besser), tagsüber möchte er viel im Tuch sein. Er hat einen starken Bewegungsdrang und, sobald dieser befriedigt ist, ein hohes Nähebedürfnis. Ruhephasen außerhalb meines Körpers (Trage, Brust) sind nicht denkbar. Einen Kinderwagen hat er immer verweigert. Aktuell verweigert er auch alle anderen Möglichkeiten, außerhalb meines Körpers zu sitzen (Hochstuhl, Autositz). Zum Essen kann ich ihn auf dem Schoß haben, aber beim Autofahren geht das natürlich nicht. Er streckt sich durch und schreit ganz schrill, wenn er in den Sitz soll. Ich bekomme ihn nicht angeschnallt und muss auf den ÖPVN ausweichen.    Generell zeigt er häufig ein Überstrecken (der Körper wird steif wie ein Brett und der Kopf wird in den Nacken geworfen) mit schrillem Schreien, sobald man seine Autonomie untergräbt (zum Beispiel beim Wickeln/Anziehen, oder beim Füttern). Das Liegen auf dem Rücken beim wickeln ist nicht möglich. Hierfür ist er zu unruhig. Er dreht sich dann sofort auf den Bauch und robbt los und beginnt zu explorieren.    Es ist gut denkbar, dass Sie dies einordnen in die Kategorie "herzlichen Glückwunsch, Sie haben ein völlig normales, aktives, neugieriges Kind" - dann wäre ich beruhigt. Aufgrund meiner fehlenden Erfahrung und weil man links und rechts massenweise entspannte Babies auf den Schößen der Mütter sieht, die auch einfach mal sitzen und beobachten können (was mit meinem Sohn eben undenkbar ist), bin ich für eine Einschätzung eben sehr dankbar.    Vielen Dank und liebe Grüße Johanna  

von theosmama2021 am 30.05.2022, 21:34



Antwort auf: Willensstarkes Baby mit hohem Autonomie- und Bewegungsdrang

Guten Tag, aus der Ferne kann ich leider nicht einschätzen, ob Sie das Verhalten Ihres Sohnes mit Fachleuten besprechen sollten. Aus Ihrer Beschreibung kann ich nicht unbedingt darauf schließen. Es gibt aber wohl sicher einen Grund dafür, warum Ihnen im Freundeskreis eine Kinderpsychologin empfohlen wurde. Eventuell wäre auch eine Säuglingsambulanz gut geeignet, falls es in Ihrer Umgebung eine gibt. Wie Sie wissen, sind Kinder in Entwicklung und Verhalten immer sehr unterschiedlich und trotzdem bewegt sich fast alles im normalen Rahmen. Im Alter Ihres Sohnes ließe sich sein Verhalten noch gar nicht ändern. Anders gestalten könnten Sie höchstens Ihre Interaktionen. Es gibt immer Kleinkinder, die mit zunehmenden Bewegungsmöglichkeiten Widerstand gegen das Wickeln zeigen und sich drehen. Für Eltern können das erste Möglichkeiten sein, auf die Bedürfnisse des Kindes ein wenig regulierend einzugreifen, denn Wickeln muss sein. Oft gelingt das mit Ablenkung und Beruhigung. Sie würden damit auch nicht die Autonomie Ihres Sohnes einschränken. Die hat er einfach noch nicht. Für ihn geht es um Unlust. Genauso kann er noch nicht selbstbewusst sein. Mit elf Monaten hat Ihr Sohn noch kein Bewusstsein seiner selbst. Möglicherweise geht es hier um positive Zuschreibungen, die sich in Ihre Beziehungsgestaltung einschleichen. Diese könnten Ihren Sohn überfordern. Wenn seine Unlustäußerungen als Ausdruck eines aktiven Willens betrachtet werden, fehlen ihm eventuell notwenige Regulierungshilfen.  Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 31.05.2022