Mitglied inaktiv
Hallo, Dr. Posth, unsere Tochter ist 3 Jahre alt. Sie hat eigentlich nie besonders gefremdelt, d.h. es konnte sie jeder aufheben, ohne dass sie weinte, sie war zwar immer ernst Fremden gegenüber, also fremdelte eher sehr abgeschwächt. Sie war ab ihrem 6. Lebensmonat ca. 3 mal im Monat ein paar Stunden bei ihren Großeltern, wenn wir sie dort ablieferten, weinte sie kein einziges Mal und auch wenn wir sie wieder abholten, zeigte sie kein sonderliches Interesse an unserer Anwesenheit. Heute ist sie sehr schüchtern (eher verträumt und introvertiert), obwohl sie, da sie sehr hübsch ist, von Fremden sehr oft angesprochen wird und Fremde generell sehr positiv und häufig auf sie zugehen, wobei ich auch erwähnen muss, dass sie sehr wenig spricht und erst jetzt damit beginnt, was bei uns jedoch in der Familie liegt, aber im Umgang mit Fremden sicher auch ein Handycap darstellt. Mein Mann ist für ein Monat nur am Wochenende bei uns und obwohl ich den Eindruck habe, dass sie sehr an ihm hängt, zeigt sie absolut keine Regung, wenn er am Sonntag abend wegfährt, d. h. man merkt schon, dass sie traurig ist, jedoch möchte sie offensichtlich nicht, dass dies jemand merkt. Ich habe ihr auch letzte Woche erklärt, dass sie ruhig weinen kann, wenn sie möchte, da es ihr dann viel besser ginge, aber sie versuchte sich nur anderwärtig zu beschäftigen. Als mein Mann sich heute von ihr verabschieden wollte, sprang sie nur permanent am Bett herum und tat so, als würde es sie nicht interessieren, dass er wegfährt. Wir haben noch eine Tochter von 15 Monaten, die genau das Gegenteil ist, d.h. diese sucht permanent den Körperkontakt, schmust die ganze Zeit, sie klettert die ganze Zeit an mir hoch, setzt sich auf mich, umarmt mich ständig, gibt Bussi, usw. usf. Ab und zu habe ich den Eindruck, dass meine größere Tochter dies etwas traurig beobachtet und wenn wir dann versuchen auch mit ihr zu schmusen, schiebt sie uns ständig weg, was sie auch schon als sie noch kleiner war, gemacht hat. Wir sagen ihr auch oft, dass wir sie sehr lieb haben und suchen häufig den Körperkontakt zu ihr, nur scheint sie daran absolut kein Interesse zu haben. Sie kommt zwar ab und zu zu uns, streichelt uns oder gibt uns einen Kuß, nur habe ich dabei fast den Eindruck, dass sie dies nur macht, um uns eine Freude zu machen, jedoch nicht, weil es ihr ein Bedürfnis ist. Da meine Mutter ein sehr gefühlskalter Mensch ist (diese sieht sie nur sehr selten), habe ich wirklich Angst, dass sie genauso wird und natürlich möchten wir in unserem Verhalten ihr gegenüber auch keine Fehler machen. Worüber ich mir Gedanken mache ist, dass sie als Baby evtl. von mir zu wenig körperliche Zuwendung bekommen hat. Ich habe sie ein Jahr lang gestillt, sie schlief acht Monate bei uns im Bett, war in der Wohnung immer dort, wo wir waren (sowohl tagsüber als auch am Abend) und war seit heute (bis auf eine Woche in der ihre Schwester geboren wurde) noch nie von uns getrennt, nur rückblickend muss ich sagen, dass ich nie so eine tiefe innere Bindung zu ihr empfunden habe, wie zu meiner anderen Tochter. Sollen wir es nun einfach akzeptieren, dass sie (scheinbar?) nicht so ein Bedürfnis nach körperlicher Nähe hat und sie nicht weiter 'bedrängen' oder ihr sehr wohl zeigen, dass es wichtig ist, seine Gefühle zu zeigen und körperliche Nähe wichtig ist, denn manchmal habe ich fast den Eindruck, sie geniert sich ihre Gefühle zu zeigen, was sie jedoch sicher nicht 'erlernt' hat? Ich habe Angst, dass dies alles beginnt eine Eigendynamik zu entwickeln. Danke für Ihre Auskunft! LG Tanja
Liebe Tanja, Gefühle haben und Gefühle äußern können sind zwei verschiedene Dinge. Insofern kann es leicht passieren, daß ein eher stilles, in sich gekehrtes Kind u.U. weniger von der elterlichen Liebe abbekommt, als sie brauchte. Das wäre dann irgendwann tragisch. Wenn ein solches Kind im Laufe seiner Gefühlentwicklung merkt, daß ihm seine soziale Präsentation mißlingt und es meistens zurücksteht, weil seine Eltern vielleicht einen anderes Wesenszug bevorzugen, baut es ein vermeidendes Verhalten auf und zeigt nur noch indirekte Signale (unbewußt), in dem es z.B. in einer Abschiedsituation herumhüpft oder herumkaspert. Das geht dann in der Regel wieder schief, usw. Dazu paßt übrigens, daß sie sich scheinbar unberührt und ohne Angst von Fremden "hochnehmen" ließ etc., wie Sie ja schreiben (scheinbar fehlende Anhänglichkeit). Sie selbst müssen sich fragen, ob Sie mit der zurückhaltenden Haltung Ihrer Tochter deswegen Schwierigkeiten haben, weil diese sie damit an Ihre (vermeindlich gefühlskalte) Mutter erinnert. solche Automatismen müssen bewußt durchbrochen werden, und zwar von Ihnen und Ihrem Mann, Ihre Tochter ist dazu noch lange nicht in der Lage. Viele Grüße
Mitglied inaktiv
Hallo Tanja, Ich habe auch zwei Töchter in fast demselben Alter. Deine ganze Geschichte könnte fast genauso von uns stammen, nur dass meine größere Tochter sehr aufgeweckt und eher nicht schüchtern ist (sie geht allerdings auch schon seit 1,5 Jahren in eine Kindereinrichtung, vielleicht ein Grund dafür). Was mich in Deinem Schreiben besonders angesprochen hat, war der Satz, dass Du zu Deiner Großen nie so ein inniges Verhältnis wie zu der Kleinen hattest/hast. Du schreibst das scheinbar ohne "schlechtes Gewissen". Ich habe nämlich auch dieses unterschwellige Gefühl, dass ich meine Liebe nicht ganz gerecht verteile - und habe ein furchtbar schlechtes Gewissen dabei! Was kann man denn da machen? Ich versuche alles (meckere die Kleine genauso oft wie die Große an, ziehe keine der anderen vor...) trotzdem bleibt dieses komische Gefühl. Antwortest Du mir mal? Danke - Eva
Mitglied inaktiv
hallo eva, das tröstet mich, dass ich mit diesem Problem nicht alleine bin. Ich denke, dass ich evtl. aus dem Grund kein schlechtes Gewissen habe, da ich mich wirklich Bemühe und die 'Ablehnung' von ihr kommt. Sie war schon als Baby ein absolutes 'Musterkind', hat fast nie geschrien, mit 3 Monaten durchgeschlafen, hat sich immer still beschäftigt und ich mußte auch nie Angst haben, dass sie mir unsere Einrichtung zerlegt, aber 'phlegmatisch' und ruhig wie sie als Baby war, war sie auch in ihren Gefühlsäußerungen. Sie hat noch kein einziges Mal, wenn sie bei ihren Großeltern abgeliefert wurde geweint und wenn sie wiederkam und ich sie umarmen und begrüßen wollte marschierte sie schon mit 14 Monaten einfach an mir vorbei zu ihrem Bobbycar und da habe ich mir begonnen Gedanken zu machen. Mir war es immer wichtig, dass sie eine sichere Bindung zu uns bekommt von deren Grundlage aus, sie die Welt erforschen kann, aber aufgrund ihres Verhaltens frage ich mich, ob von unserer Seite her etwas schief gelaufen ist. Sie war zwar ein Wunschkind, aber irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass wir tatsächlich ein Baby bekommen (so blöd das auch klingt). Ich habe, als sie ein Jahr alt war, mein Studium abgeschlossen und 4 Monate bevor sie auf die Welt kam, kam auch unser Hund zu uns, d. h. es war nicht so wie bei vielen anderen, dass wir nur mehr auf die Geburt hingefiebert haben und sich dann alles um sie gedreht hätte. Ich habe zwar nur gelernt, wenn sie geschlafen hat und auch mit ihr gespielt, also die Beendigung meines Studiums ging sicher nie auf ihre Kosten und wie ich geschrieben habe, hat sie bei uns geschlafen, wurde gestillt, 7 Monate im Baby Björn herumgetragen, war immer bei uns, also an Körperkontakt hat es ihr sicher nicht gefehlt, aber ich habe nie das Bedürfnis gehabt, sie so zu knuddeln oder mit ihr zu schmusen wie bei unserer kleineren Tochter und daher mache ich mir eben Gedanken, ob sie aus diesem Grund evtl. zurückhaltender als ihre Schwester ist. Ihre kleine Schwester ist wirklich das absolute Gegenteil, hat 8 Monate (auch aufgrund eines Reflux) nur gebrüllt, blabbelt in einer Tour vor sich hin, ist richtig witzig, es ist nichts vor ihr sicher, koketiert auch mit jedem Fremden, schmust den ganzen Tag mit mir, verfolgt mich auf Schritt und Tritt und sobald ich bein Einkaufen um die Ecke biege, ruft sie schon 'Mama', im Gegensatz zu ihrer Schwester hat sie auch sehr gefremdelt,.... Das Eigenartige ist, dass ich mich zur Kleineren extrem hingezogen fühle und wenn ich beide ansehe, dann ist die Kleine meine Tochter und da spüre ich auch so eine tiefe Verbundenheit, die mir bei der Größeren fehlt. Die Kleine würde ich am liebsten den ganzen Tag nur knuddeln und dieses Verlangen habe ich bei der Größeren nie gehabt, obwohl ich sie natürlich auch liebe. Natürlich versuche ich beide gleich zu behandeln, was alleine schon dadurch erschwert wird, dass die Größere nicht so verschmust ist und sich eher mit sich alleine beschäftigt. Ich denke, dass einzige, was man machen kann ist wirklich beide gleich zu behandeln und für sich zu akzeptieren, dass man eben zu einem Kind den besseren Draht hat und nach einem 'Draht' zum anderen Kind zu sucht. Langsam denke ich, dass sie uns einfach auf eine andere Art und Weise zeigt, dass sie uns liebt, sie nimmt übrigens gerade ungefragt die Wäsche ab :-),wichtig für mich ist einfach, dass sie nicht darunter leidet. Wie schaut das Problem denn bei Euch aus? LG Tanja
Liebe Tanja, Gefühle haben und Gefühle äußern können sind zwei verschiedene Dinge. Insofern kann es leicht passieren, daß ein eher stilles, in sich gekehrtes Kind u.U. weniger von der elterlichen Liebe abbekommt, als sie brauchte. Das wäre dann irgendwann tragisch. Wenn ein solches Kind im Laufe seiner Gefühlsentwicklung merkt, daß ihm seine soziale Präsentation mißlingt, und es meistens zurücksteht, weil seine Eltern vielleicht einen anderes Wesenszug bevorzugen, baut es ein vermeidendes Verhalten auf und zeigt nur noch indirekte Signale (unbewußt), in dem es z.B. in einer Abschiedsituation herumhüpft oder herumkaspert. Das geht dann in der Regel wieder schief, usw. Dazu paßt übrigens, daß sie sich scheinbar unberührt und ohne Angst von Fremden "hochnehmen" ließ etc., wie Sie ja schreiben (scheinbar fehlende Anhänglichkeit). Sie selbst müssen sich fragen, ob Sie mit der zurückhaltenden Haltung Ihrer Tochter deswegen Schwierigkeiten haben, weil diese sie damit an Ihre (vermeindlich gefühlskalte) Mutter erinnert. Solche Automatismen müssen dann bewußt durchbrochen werden, und zwar von Ihnen und Ihrem Mann, Ihre Tochter ist dazu noch lange nicht in der Lage. Viele Grüße
Mitglied inaktiv
Liebe Tanja, ich glaube nicht, dass es richtig ist, seine Kinder alle "gleich" zu behandeln. Wichtig ist hingegen, jedes Kind seinen Bedürfnissen entsprechend zu behandeln und es erst einmal als Individuum wahrzunehmen wie es ist und es zu respektieren. Ich fürchte, wenn du versuchst beide Kinder gleich zu behandeln, könntest du beiden unrecht tun... Zur Antwort auf die Frage, warum deine Tochter sich so verhält, kann ich nichts beitragen. Sie wird aber wohl wie jedes menschliche Wesen das Bedürfnis haben, so geliebt zu werden wie sie ist. Mag sein, dass sie schon als Baby begonnen hat, mit dir und deiner Lebenssituation (Abschliessen des Studiums) zu kooperieren, indem sie sich so pflegeleicht wie möglich verhalten hat. Aber das ist natürlich nur eine Spekulation. Ich habe gerade ein interessantes Buch gelesen, das vielleicht auch für dich wertvoll sein könnte: Jesper Juul, Das kompetente Kind. Liebe Grüße und alles Gute für dich und deine beiden Töchter! Oda
Mitglied inaktiv
Hallo Tanja, jetzt habe ich soeben eine super lange Antwort geschrieben und als ich fast fertig war und sie absenden wollte, hat mich der Server im Stich gelassen. Na ja, vielleicht sollte es ja so sein, damit nicht "alle Welt" mein Posting liest. Kann ich Dir auch privat mailen?
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