Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Therapiebedarf?

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Therapiebedarf?

Kristie89

Liebe Frau Henkes, Meine Tochter ist ein Jahr alt. Sie ist sehr aktiv, läuft schon eine Weile wie ein Wirbelwind durch die Wohnung, tanzt und lacht viel. Auf mich scheint sie sehr glücklich. Besonders zu mir hat sie eine enge Bindung. Nun ist es so, dass sie es noch nie mochte, auf dem Rücken zu liegen. Sobald sie konnte, hat sie sich gedreht, gesetzt, etc. Das Autofahren lehnt sie schon immer extrem ab. Sie weint wirklich ganz schlimm. Seit Kurzem hat sie auch große Angst beim Kinderarzt. Sie weint schon, wenn wir die Praxis betreten. Bisher hielt ich das alles für charakter- und entwicklungsbedingt normal. Meine Cousine, die beruflich mit Kindern arbeitet, stellte nun die Vermutung auf, sie könnte ein Trauma erlitten haben, als wir mit ihr im Krankenhaus waren und ihr Verhalten käme davon. Sie war damals 3 Wochen alt und hatte eine Infektion mit Fieber. Damals wurden mehrere Untersuchungen gemacht und bei einer, der Urinentnahme, schickte mich der behandelnde Arzt aus dem Zimmer. Sie war also mit dem Personal alleine und natürlich hat sie geweint. Und ich auch. Das Erlebnis hat mich lange belastet und ich bereue sehr, mich nicht geweigert zu haben. Mein Kind schien mir aber nie traumatisiert. Dennoch, der Gedanke spukt nun in meinem Kopf. Ich will nichts versäumen, aber auch nicht pathologisieren. Ich würde mich sehr über ihre Einschätzungen freuen und danke ihnen von Herzen für ihre Arbeit hier.


Ingrid Henkes

Ingrid Henkes

Guten Tag, für das, was Ihnen an Ihrer Tochter auffällt, gibt es viele mögliche Erklärungen, die ganz im Bereich des Normalen liegen. Eine Traumatisierung würde mir hier nicht einfallen. Sie beschreiben Ihre Tochter ja auch als glückliches Kind. Viele Kleinkinder mögen nicht gerne auf dem Rücken liegen. Ich vermute, dass das die hilfloseste Position ist, die man haben kann. Sobald sie können, befreien Kleinkinder sich gerne daraus. Auch Autofahren empfinden viele Kinder als unangenehm, möglicherweise weil der Gleichgewichtssinn beim Autofahren noch irritiert wird. Die Angst beim Kinderarzt kann auch entwicklungsbedingt sein. Da kommt ein Fremder, der sie anfasst, sie wird ausgezogen. Das können lauter unangenehme Reize für Ihre Tochter sein.In der Regel gibt sich das auch wieder, wenn der Kinderarzt einfühlsam auf die Kinder eingeht. Mit drei Wochen hat Ihre Tochter tatsächlich eine sehr unangenehme Situation durchstehen müssen. Daran kann sie sich aber nicht erinnern, da die Denkstrukturen dafür noch nicht entwickelt sind. Wiederkehrende schwierige Erfahrungen können im sogenannten Körpergedächtnis gespeichert werden. Bei einer einmaligen Erfahrungen ist das aber sicher nicht der Fall. Damals war es für Ihre Tochter wichtig, dass Sie sie danach aufgefangen haben, sie getröstet und beruhigt haben und ihr die körperliche Nähe sofort wieder anbieten konnten. Das hat sich ihr eingeprägt. Kleinkinder zeigen in ihrer Entwicklung immer mal wieder Verhaltensweisen, die sich nicht unbedingt erklären lassen, die sich aber meist auch rasch wieder ändern. Machen Sie sich nicht zu viele Vorwürfe wegen der damaligen Situation. Manchmal ist man einfach überrumpelt und kann sich nicht wehren. Aber immerhin sind Sie dadurch für zukünftige Situationen gewappnet. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes


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