Kind 12 Jahre alt - Konflikte und Geschwisterbeziehung

 Ingrid Henkes Frage an Ingrid Henkes Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

Frage: Kind 12 Jahre alt - Konflikte und Geschwisterbeziehung

Hallo Frau Henkes, ich habe zwei Mädchen im Alter von 12 und 8 Jahre. Sie sind vom Charakter her sehr unterschiedlich. Die älteste Tochter ist eher etwas zurückhaltend, trifft sich nur ab und zu mal mit anderen Mädchen in ihrem Alter. Die jüngste dagegen ist sehr kommunikativ und kontaktfreudig. Sie haben grundsätzlich eine gute Beziehung zu einander, abgesehen von den üblichen Streitereien die zwischen Geschwistern ab un zu mal vorkommen.  Die Größe ist in der Pubertät, sie ist manchmal für mich echt schwierig zu verstehen und es gibt viele Konflikte. Sie hat oft aus verschiedenen Gründen schlechte Laune und in diesen Situationen verhält sie sich i.d.R. sehr unfair uns gegenüber, schlägt Türen zu und schreit uns an (mich, ihren Vater und ihrer Schwester). Die Gründen sind ganz verschieden (beschwert sich über das Essen, Ausflüge werden boykottiert, Fernsehzeit, Vereinbarungen in der Familie, usw.). Ich versuche so gut wie ich es kann ruhig zu bleiben, leider fühle ich mich manchmal von ihr sehr unfair, grob und respektlos behandelt, da gehe ich auch mal in die Luft und wir beide werden dann laut. Danach bin ich einfach nur frustriert. Irgendwann mal später beruhigen wir uns und sie kommt dann ganz lieb, als wäre nichts passiert und redet mit mir über irgendwas ganz anderes. Manchmal entschuldigt sie sich sogar dafür. Es ist aber nicht so dass wir uns nur streiten, manchmal ist sie sehr lieb und sogar anhänglich, kommst und hält meinen Arm fest und lehnt ihren Kopf am meiner Schulter. Komischerweise ist sie nicht so für körperliche Nähe, ich gebe ihr jede Nacht einen Gute-Nacht-Kuss, sie küsst mich aber so gut wie nie. Ihre kleine Schwester ist in dieser Ansicht ganz anderes, sie umarmt mich und ihren Vater sehr oft, gibt uns Küsschen und sagt dass sie uns liebt. Die Größe sagt, wenn sie verärgert ist, dass wir ihre kleine Schwester bevorzugen. Nach den Konflikten versuche ich mit ihr zu reden und sage dass ich sie liebe und dass diese Streitereien uns nur Kraft kostet. Sie reagiert aber generell ablehnend. Oft macht sie Vergleiche, z.B. dass eine Schulfreundin ein eigenes Fernesehapparat im ihren Zimmer hat und so lange schauen kann wie sie will, das wir hier bei uns "wie im Mittelalter leben", usw.  Wir erlauben ihr aber meistens ca 1 Stunde Fernsehen pro Tag, am Freitag Abend kann sie dann auch einen etwas längeren Film anschauen.  Ein anderes Aspekt was mich in letzter Zeit beunruhigt ist das Verhältnis zu Ihrer jüngeren Schwester.  Wenn meine kleinere Tochter z.B. sagt, dass eine Freundin zum Spielen zu uns kommt, da reagierte die große ganz eifersuchtig und wütend. Oft erteilt sie ihrer kleinen Schwester Befehle, z.B. sie soll für sie etwas zu trinken holen, oder für sie aufräumen. Und in letzter Zeit ist es so dass sie sehr oft Drohungen nutzt, damit ihre kleine Schwester das macht was sie will (z.B. "wenn du das nicht machst, dann nehme ich dir ein Spielzeug dass ich dir mal geschenkt habe wieder weg"). Ihre Schwester weint dann und kommt zu mir um das zu erzählen und ich muss dann manchmal einschreiten. Und dann gibt es wieder Streit und die Große sagt dass ich ihre kleinen Schwester mehr mag als sie. Sie schlafen zusammen in einem Zimmer in einem Etagenbett. Abends wollen sie meistens zusammen in einem Bett schlafen (unten bei der Großen, sie besteht meistens darauf). Wenn die Kleine aber manchmal oben in ihrem Bett allein schlafen will wird sie dann erneut gedroht ("wenn du nicht runter zu mir kommst, dann nehme ich dir dies oder das weg, usw."). Die Kleine gehorcht ihr dann meistens. Am nächsten Tag sind sie aber wieder freundlich und spielen gerne miteinander als wäre nichts passiert. Und es gibt auch ab und zu mal friedliche Tage, wo alles einfach gut läuft und sie unzertrennlich sind. Es gibt auch oft Streit wenn wir zusammen ein Gesellschaftsspiel spielen z.B. Monopoly oder ähnliches. Wenn meine ältere Tochter verliert ist sie meistens sehr wütend, schmeisst die Sachen hin und geht stampfend weg. Ich würde sehr gerne wissen was Ihre Meinung über diese gesamte Situation ist. Ist das noch normal? Es läuft aktuell nicht gut. Ich bin sehr harmoniebedürftig , diese Streitereien mit meiner Tochter machen mich sehr traurig. Was mache ich falsch, was kann ich machen um diese Situation zu verbessern? Wie können wir lernen besser miteinander zu kommunizieren und unsere Gefühle bessser im Griff zu bekommen? Also die Hauptpunkte wären aktuell die Dauerdiskussionen, die uns sehr viel Kraft und Nerven kosten, und diese "Machtbeziehung" zwischen den Mädchen.  Vielen Dank im Voraus für Ihre Hilfe. MfG, S.      

von springgirl am 22.02.2024, 16:57



Antwort auf: Kind 12 Jahre alt - Konflikte und Geschwisterbeziehung

Guten Tag, Ihre familiäre Situation hört sich ziemlich normal an. Mit dem Beginn der Adoleszenz haben Kinder ihre Gefühle nicht mehr im Griff. Das gehört zu dieser wichtigen und schwierigen Entwicklungsphase, in der sich so Vieles verändert. Ihre Tochter muss mit körperlichen und psychischen Veränderungen fertig werden und sich auf das Erwachsenwerden vorbereiten. Vor allem muss sie zunehmend autonom werden und sich aus den kindlichen Beziehungen zu ihren Eltern lösen. Das kann Stress, Verstimmungen, Aggressivität und auch Labilität hervorrufen. Das können weder Sie noch Ihre Tochter vermeiden. Beeinflussen können Sie den Umgang mit diesen wechselnden Gefühlen, die Ihre Tochter oft regelrecht überfluten. So ist es wichtig, dass Sie Ihrer Tochter gegenüber geduldig und standhaft reagieren. Selbst wenn Sie "wie im Mittelalter" leben sollten, ist das in Ihrer Familie eben so. Das mag bei den Freundinnen anders sein, bei Ihnen nicht. Es hilft Ihrer Tochter, wenn Sie Streit und Diskussionen akzeptieren, da sie in dieser Phase so Vieles in Frage stellen muss. Wichtig ist jedoch, dass Sie von Ihrer Tochter verlangen, dass Sie repektvoll behandelt werden. Der Standardvorwurf an Eltern lautet, ihr habt mein Geschwister lieber als mich. Dagegen können Sie nicht argumentieren, weil Kinder dafür immer "Beweise" zu haben glauben. Sie können aber mit Ihrer Tochter darüber sprechen, dass sie es sich damit ganz schön bequem macht. Sie schiebt damit nämlich ein Problem Ihnen zu, um eigene Anteile nicht erkennen zu müssen. Bezüglich der Geschwisterkonstellation sollten Sie Ihre jüngere Tochter darin bestärken, sich nicht erpressbar zu machen. Wenn sie genügend Selbstwertgefühl entwickelt, kann sie ein Geschenk lieber zurückgeben, als sich benutzen zu lassen. Da Ihre Töchter offenbar auch viele gute Phasen miteinander haben, können Sie vermutlich ansonsten die Konfliktklärung den Schwestern überlassen. Versuchen Sie, Verständnis für Ihre Tochter aufzubringen, die mit dem psychischen Umbau in dieser Entwicklungsphase sehr gefordert ist. Das bedeutet nicht, dass Sie ihr alles durchgehen lassen müssen. Sollten Sie den Eindruck haben, dass die aktuelle Situation Sie alle zu sehr überfordert, können Sie jugendtherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes  

von Ingrid Henkes am 23.02.2024