Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Charaktersache oder doch was anderes?

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Charaktersache oder doch was anderes?

Nana_31

Liebe Frau Henkes, seit Längerem beschäftigt mich eine Frage immer wieder. Unser Kind ind knapp 2,5 Jahre alt und war schon immer sehr aktiv und neugierig. Es gibt immer öfter Situationen, in denen ich einfach nicht weiß, ob das Verhalten auf das Temperament zurückzuführen ist oder doch was anderes dahintersteckt. Wenn wir beispielsweise wo zu Besuch sind, kann es leicht sein, dass sie total aufgedreht wird nach einer gewissen Zeit - nicht schlecht gelaunt, aber total wuselig, überdreht, kommt dann überhaupt nicht mehr zu Ruhe, findet nicht mehr ins Spieletc.. Das passiert sowohl bei den Großeltern als auch bei Freunden. Dass sie sich selbst mal ein paar Minuten beschäftigt, klappt selten. Wirklich nur für kurze Augenblicke am Tag.  Meinem Empfinden nach ist die Impulskontrolle derzeit kaum vorhanden. Wir sind beispielsweise in der Bibliothek, wir leihen gerade die Bücher am Schalter aus und plötzlich läuft sie aus dem nichts von mir davon. Wir sitzen zuhause im Wohnzimmer und spielen gemeinsam, aus dem nichts fliegt plötzlich das Spielzeug durch die Gegend. Nicht aus Wut sondern gefühlt aus dem Nichts. Selbiges teilweise am Esstisch - aus dem Nichts fliegt plötzlich alles. Je mehr ich darauf eingehe desto ausgeprägter wird das Verhalten. Ich bin in solchen Situationen dann nicht sicher, wie ich mich verhalten soll. Das führt teilweise dazu, dass ich angespannt bin, weil mich manche Situationen einfach fordern, neben Haushalt, Job etc.  Ich versuche, präsent zu sein, wenn wir Zeit gemeinsam verbringen, aber an manchen Tagen verpuffen sämtliche Spieleangebote meinerseits total und werden nicht angenommen. Wir sitzen dann in ihrem Zimmer, aber außer ein hin und her zwischen mehreren Spielsachen ist es nicht.  Zu den Rahmnebedingungen unseres Alltags: Kita von Mo bis Do von ca. 8.00 bos 13.45. Eingewöhnung lief gut, sie fühlt sich recht wohl und hat ihre Bezugspersonen dort gefunden. Wir leben zu dritt als Familie zusammen, die Beziehung ist soweit intakt, mit den üblichen Höhen und Tiefen, mit denen Familien mit Kleinkind konfrontiert sind.   Vielleicht ist meine Schilderung etwas konfus, ich bin manchmal einfach unsicher, was unser Kind braucht und weiß oft nicht, was sie uns mit diesem Verhalten sagen möchte und welches Bedürfnis dahintersteckt. Vielleicht haben Sie ein paar Impulse für uns.    Danke! Frohe Weihnachten!    


Ingrid Henkes

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Guten Tag, ich finde das Verhalten Ihres Kindes nicht ungewöhnlich. Ihr Kind reagiert auf fremde Umgebungen und unvertraute Situationen mit erhöhter Aktivität und Unruhe. Möglicherweise versucht es so auch, Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Kinder spüren, dass die Eltern bei Besuchen ihre Aufmerksamkeit mehr den Erwachsenen zuwenden als ihm. Das kommt häufig vor und verliert sich im Laufe der Entwicklung, wenn Ihr Kind genügend Erfahrungen mit Besuchen gemacht hat. Die Ausprägung des Überdrehtseins kann eine Frage des Temperaments sein, muss es aber nicht. Impulskontrolle kann bei einem Zweieinhalbjährigen noch nicht vorhanden sein. Was Ihr Kind in diesen Situationen braucht, sind Eltern, die "wissen, wo es lang geht". Wenn Sie erkennen, dass Ihr Kind wieder in dieser Stimmung ist, haben Sie verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Sie können Ihr Kind lassen, weil es bei Besuch eben so ist. Sie können sich Ihrem Kind mehr zuwenden, um es zu beruhigen. Sie können aber auch den Besuch beenden, weil Sie merken, dass er Ihrem Kind nicht mehr gut tut. Ihr Kind will Ihnen auch nicht mit jedem Verhalten etwas sagen. Es hat manchmal einfach Stimmungen oder lernt neue Stimmungen kennen, mit denen es noch nicht umgehen kann. Dann ist es darauf angewiesen, dass Sie wissen, was zu tun ist und ihm gegebenenfalls aus dieser Stimmung heraushelfen. Im Alter Ihrers Kindes sind durchgehende Spielsituationen eher noch selten. Da sollten Sie nicht zuviel erwarten. Es kann helfen, wenn Sie sich auf ein Spiel konzentrieren und so das Interesse Ihres Kindes wecken. Ich wünsche Ihnen alles Gute und ebenfalls schöne Weihnachten. Ingrid Henkes


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