Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Ludger Nohr:

Auswirkungen von psychischen Problemen des Vaters auf das Baby

Dr. med. Ludger Nohr

Dr. med. Ludger Nohr
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Frage: Auswirkungen von psychischen Problemen des Vaters auf das Baby

monalisa141

Guten Tag, unser Baby ist vier Monate jung und ein absolutes Wunschkind. Leider hat mein Mann seit etwa einem halben Jahr mit Depressionen zu kämpfen. Er ist hierzu auch bereits privat bei einem Psychologen und auf diversen Wartelisten für Therapeuten mit Kassensitz. An schlechten Tagen sitzt er neben dem Baby, das ihn freudig anstrahlt, und er schaut gedankenverloren aus dem Fenster. Ich versuche dann natürlich die beiden so wenig wie möglich allein zu lassen, sodass ich den Kleinen eher nehme. Aber geht natürlich auch nicht immer. Zudem reden wir natürlich auch viel über seine Sorgen. (Auch wenn das Baby wach ist) Wie viel davon bekommt das Baby schon mit? Kann das Auswirkungen haben? Kann ich was tun, damit das Baby sich in der Hinsicht auch gut entwickelt? Ich habe von meinen Eltern sehr starke Wurzeln mit bekommen und möchte das auch so so sehr für mein Baby... Vielen Dank für Ihre Zeit :)


Hallo, was Ihr Kind mitbekommt, das ist die Atmosphäre, in der sich das Familienleben abspielt, weniger die einzelne Situation. Und natürlich hat es Wirkung, wenn Ihr Kind keine Resonanz erfährt auf sein Lachen hin. Das kann Ihr Mann nicht einfach ändern, aber er könnte die Zeiten nutzen, in denen er zu mehr Kontakt in der Lage ist. Und sie könnten ihre Gespräche zu den Zeiten führen, in denen Ihr Kind schläft. Es geht also darum, die Auswirkungen klein zu halten und die Resonanzbedürfnisse Ihres Kindes so oft wie möglich zu erfüllen (auch durch Sie). Ich glaube, das wäre auch für Ihren Mann eine bessere Erfahrung (also "gute" Zeiten zu nutzen), als sich selbst so resonanzarm erfahren zu müssen. Das löst Schuldgefühle aus und verstärkt oft die depressive Position. Es geht also um den Versuch, Ihrem Kind so viele Resonanzerfahrungen wie möglich zu ermöglichen. Das ist es, was Sie tun können. Und dann ist zu hoffen, dass Ihr Mann bald prof. Hilfe findet. Alles Gute. Dr.Ludger Nohr


cube

Neben dem, was Dr. Nohr schon sagte: DU brauchst auch Hilfe. Denn du bist diejenige, die vermutlich versucht, gegenüber eurem Kind möglichst viel auszugleichen. Die das Gefühl hat, jetzt alleine für alle stark sein zu müssen und sich deswegen eigene Schwächen kaum zugestehen kann. Je nach dem, wie lange es dauert, bis dein Mann Hilfe bekommen kann und diese auch etwas bewirkt, gehst du auf dem Zahnfleisch. Und hab auch im Kopf: du kannst deinen Mann unterstützen - aber du wirst ihn nicht "heilen" können. Auch das ist eine Belastung - diese Hilflosigkeit der Erkrankung gegenüber. Mein dringender Rat an dich: suche du dir auch jetzt schon ebenfalls einen Therapeuten. Du wirst nämlich bald selbst auch an einen Punkt kommen, an dem du deine Sorgen mal abladen können musst. Auch du wirst jemanden brauchen, der DIR zuhört, dich aufbaut, bestärkt etc. Nicht falsch verstehen - du wirst nicht automatisch selbst depressiv. Aber es ist extrem anstrengend mit Kind einen depressiven Partner zu haben, der gefühlt ein Komplett-Ausfall in der Kinderbetreuung/Sorge/Erziehung ist und dir damit enorm viel Verantwortung und auch Druck aufbürdet. Es geht nicht nur um deinen Mann - es geht um dich. Und du kannst nur stark sein, wenn du ebenfalls jemanden hast, bei dem auch du mal schwach sein kannst. Bei dem es mal um DICH geht. Als es meinem Mann wieder gut ging, war ich derart augelaugt, erschöpft - ohne selber alle Dinge mal abladen zu können und mal selbst im Mittelpunkt der Sorge zu stehen hätte ich mich wohl selbst auch einweisen lassen können. Einfach weiter machen zu können, weil es dem Partner ja jetzt wieder gut geht, ist in 90% der Fälle ein Trugschluss. Alles Gute euch!


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