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Wie die Nerven behalten?

Wie die Nerven behalten?

Sarahmueller

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Hallo, ich muss mir jetzt einmal wieder mein Chaos von der Seele schreiben. Ich hoffe, dass mir das etwas hilft, mich wieder zu ordnen. Ich bin Mutter von Zwillingen. Sie sind jetzt 12 Monate alt. Als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin mit Zwillingen war ich geschockt. Ich hatte große Angst den Alltag nicht zu schaffen. Ich gebe mein Bestes. Ich glaube aber, dass das leider nicht mehr ausreicht. Ich bin sogar vom Fach. Theoretisch weiß ich also was Kinder brauchen. Ich scheitere allerdings an der Realität. Tagsüber bin ich alleine mit den Zwillingen. Mein Mann kommt erst um 16.30 /17 Uhr nach Hause. Da ist der Tag leider schon so gut wie gelaufen. In letzter Zeit gehen mir einfach immer mehr die Nerven durch. Heute Morgen war eine Situation, da waren die Jungs total müde. Ich habe sie versucht hinzulegen. Ich bin gescheitert. Dann habe ich sie aus Überforderung sehr unsanft ins Bett zurück gelegt, während sie geweint haben. Ich sage gemeine Dinge zu ihnen. Nach einigen Sekunden bekomme ich mich auch wieder ein. Aber in mir steigt zunehmend die Wut hoch. Eben auch z. B.: Nun hatte ich es endlich geschafft, beide hintereinander in den Schlaf zu wiegen. Das hat etwa 30 Minuten gedauert. Und jetzt sind sie nach 20 Minuten wieder wach! Wenn ich schon das Geweine über das Babyphone höre, werde ich wütend. Ich möchte das nicht und dennoch ist es die Realität : Ich bin wohl überfordert. An 2 Nachmittagen in der Woche gehe ich arbeiten. Ich bin selbstständig. Das ist für mich eine Wohltat, aber trotzdem habe ich nie Zeit für mich. Wie behaltet ihr die Nerven? Habe ich ein Aggressionsproblem?


Banu28

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Antwort auf Beitrag von Sarahmueller

Huhu, beim Muttersein ist niemand „vom Fach“. Sondern jede Mutter muss die irre anstrengende Baby- und Kleinkindzeit meistern. Vor allem beim ersten Kind hat man nicht wirklich Ahnung, wie man das schaffen soll, und bei Zwillingen ist das sicher eine ganz besondere Herausforderung. Und meist muss frau das auch völlig allein stemmen, weil der Mann in der Regel immer noch derjenige ist, der Vollzeit arbeitet. Ich würde jetzt zu allererst mal alle Stempel weglassen, also nicht sagen: Ich bin überfordert, ich habe ein Aggressionsproblem, ich bin vielleicht keine gute Mutter. Solche Stempel stimmen nicht, aber sie schaden, weil sie Schuldgefühle machen und noch mehr verunsichern. Und wenn man verunsichert ist, sich verurteilt, sich schlecht fühlt, dann wird man eine noch gereiztere Mutter. Also erstmal: Du bist eine stinknormale und gute Mutter. Und Du bist exakt die Mutter, die Deine Zwillis wollen. Ich verrate Dir mal ein Geheimnis: Die engelsgleiche Mutter, die ihre Kinder allzeit mit seligem Gesichtsausdruck ansieht, die Mutter, der auch nach der 300. nicht durchgeschlafenen Nacht noch das Mutterglück aus allen Poren quillt, und die Mutter, die es an lächelndem Gleichmut mit dem Dalai Lama aufnehmen kann - Du, die gibt es nicht. Du wirst jetzt sagen: Ich weiß, aber… Nein, das weißt Du noch nicht, denn das Bild, das die Gesellschaft von einer „guten Mutter“ vermittelt, haben wir alle sehr verinnerlicht. Und es ist ein ganz wichtiger Schritt, dieses irreale Bild, an dem eine Mutter nur jeden Tag aufs Neue scheitern kann, in die Tonne zu hauen und sich dann erstmal erleichtert die Hände abzuklopfen. Ich bin auch „vom Fach“, was mir aber in Sachen Geduld null geholfen hat, als meine Kinder klein waren. Es hat mir durchaus später bei der Erziehung geholfen, wo es um Offenheit, das Vermeiden von Leistungsdruck, um Akzeptanz des Kindes usw. ging, aber nicht, wo ich genervt war, als die Mäuse Babys waren, die nie zu schlafen schienen. Was mir aber geholfen hat: Das geniale Buch „Der Tanz ums Kind“ von Harriett Lerner. Lerner ist selbst Psychologin, ist aber zunächst auch in die übliche Mutterfalle getappt und grandios gescheitert. Und hat dann ein herrlich humorvolles und trotzdem tiefgehendes Buch darüber geschrieben, wie wir alle tagtäglich an unserem Mutterideal zerschellen, um uns dann auch noch ständig mies zu fühlen, weil wir so schlimme Mütter sind. Zum Beispiel, weil wir mal laut geworden sind oder das Kind zu fest gepackt haben usw. Es ist ein irre erleichterndes Buch. Ich habe übrigens eine Freundin, die Psychologin ist. Auch sie sagt etwas sehr Entlastendes: „Wenn man nur die Hälfte richtig macht als Eltern, dann wächst ein Kind ohne seelische Schäden und gut heran.“ Weißt Du, das Paradox ist: Wenn man sich erlaubt, ab und zu eine „schlechte“ Mutter zu sein, dann passieren genervte Szenen viel seltener. Weil die innere Spannung, die Schuldgefühle, die Diskrepanz zwischen eigenem Anspruch und Wirklichkeit wegfällt. Denn all das frisst wahnsinnig viel Energie, die man dann wieder für sich, die Kinder und den Alltag hat. Heißt: Du darfst mal richtig genervt sein. Du darfst Deine Jungs ganz ernsthaft in die Erdumlaufbahn schießen wollen oder sie auf dem nächsten Weihnachtsbasar verhökern wollen. Du darfst mal ungerecht, gereizt und ja, hier und da auch mal grob sein. Der bekannte Erziehungsexperte Jesper Juul hat mal gesagt: Für einmal bös Schimpfen sollte man fünfmal gut und lieb zum Kind sein, um es wieder auszugleichen. Und wenn man ein Kind grob angefasst hat, sollte man sich bis zum nächsten Wochenende schämen. Aber nicht länger. Bedenke auch: Eine Mutter, die ständig von Schuldgefühlen angefressen wird, wollen auch die Kinder nicht. Denn so eine Mutter wirkt belastet, angespannt, macht sich selbst fertig, und das spüren natürlich auch die Kinder. Deine Kinder wünschen sich eine authentische Mutter, die nicht nur ihnen ihre kleinen Missetaten vergibt, sondern auch sich selbst. Und wenn diese Mutter die meiste Zeit lieb und herzenswarm und gelassen ist, dann darf es hier und da auch mal ein Donnerwetter geben, bei dem sie kurz zu Godzilla mutiert. Wenn mir so was passiert ist, habe ich den Kindern gesagt, dass mir das leidtut und es nicht richtig war. Ich habe mein Verhalten auch nicht erklärt oder rechtfertigt, weil dies für Kinder sonst klingt, als seien sie Schuld gewesen. Kinder wollen eh keine langen Erläuterungen über Ärger, Müdigkeit oder Überforderung. Sie zu knuddeln, sich zu entschuldigen und dann ein bisschen Quatsch mit ihnen zu machen oder mit ihnen zu toben, sie zu kitzeln usw. ist viel besser. Und dann weiter mit dem Alltag. LG


Andee92

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Antwort auf Beitrag von Banu28

Ich habe den Beitrag nur gelesen, in den Foren gestöbert. Danke für diese Worte! Genau diese habe auch ich gebraucht.


Sarahmueller

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Antwort auf Beitrag von Banu28

Herzlichen Dank!!!! Das habe ich gebraucht!


BabyBoy20

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Antwort auf Beitrag von Sarahmueller

Ich kann mich den anderen nur anschließen. Du machst das gut! Du bist einfach nur gestresst - was völlig normal ist. Was mir geholfen hat (und immer noch gut tut) ist Zeit für mich. Wer kümmert sich denn um die beiden, wenn du arbeitest? Kannst du noch eine halbe Stunde oder ganze länger wegbleiben? Oder einen oder zwei Tage im Monat kürzer arbeiten/länger Pause machen? Mir hat es schon geholfen mal in Ruhe einen noch warmen! Kaffee zu trinken zu können, mal kurz alleine was zu unternehmen, spazieren zu gehen.. Alternativ -falls du der Typ dafür bist - ein Samstag-Morgen-Bad-Ritual? Kind zum Papa, Musik an - einfach nur du? Bluetooth Kopfhörer sind auch was tolles. Nebenbei Film hören oder Hörbuch ohne das die Knirpse es groß mitbekommen


FitFunPower

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Antwort auf Beitrag von Sarahmueller

Schaff dir Auszeiten. Nimm dir mal Zeit nur für dich. Fang klein an. Die Zwerge schlafen gerade voraussichtlich 20 Minuten, dann gönn dir 20 Minuten, die nur dir gehören. Hör Musik, tanz durch die Wohnung, mach Gymnastik, oder gönn dir ritualsmäßig eine Tasse Tee, nimm ein Buch, eine Zeitschrift oder was auch immer... werde einfach deine eigene beste Freundin. Du musst nicht 24/7 Mutter sein. Du darfst auch Mensch sein oder einfach nur Frau. Ich habe noch einige andere Tipps für dich, wie du dich selbst aus dem Tief herausholen kannst, würde hier aber den Rahmen sprengen. Erst einmal reich dir selbst deine innere Hand und werde deine beste Freundin.