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Wenn Eltern werden alt

Thema: Wenn Eltern werden alt

Meine Eltern halten sich noch einigermaßen wacker. Sie sind 80 und 81 Jahre alt. Aber viele Freundinnen um mich herum haben Eltern, die alt und krank sind, die nach einer Hüft-OP nicht wieder aus dem Bett gekommen sind, die etwas Bösartiges am Darm haben, die eine schwere Herz-OP hatten und nicht wieder fit werden... Kaum sind die Kinder aus dem Haus, muss man sich um die eigenen Eltern kümmern. Ich mache mir so meine Gedanken, wie das werden soll, wenn meine Eltern nicht mehr können. In Deutschland ist es ja mehr oder weniger normal, dass die Eltern dann in ein Alten- oder Pflegeheim gehen. Nur wenige Eltern werden ja von Angehörigen gepflegt, oder? Gibt es hier Leute, die ihre Eltern zu Hause pflegen und mir sagen können, wie hoch die Belastung ist? Das würde mich sehr interessieren!

von Frida.wa am 07.07.2020, 15:05



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Hallo ich 28 Jahre,Mutter von 2Kindern 8 und 1Jahr alt,kann dir sagen,das es echt schwer ist.Ich habe meine Mama vor 3 Jahren gepflegt,da sie Blasenkrebs im Endstation hatte,Bis zum Tot. Es ging von Februar bis September und zuletzt war es selbst eine Herausforderung für mich,aber ich bin glücklich darüber das ich sie die letzde Zeit ihres Lebens begleiten könnte . Ich muss dazu sagen,das ich eine Ausbildung als Altenpflegerin gemacht habe,sonst hätte ich es wohl mir nicht zugetraut. Liebe Grüße

von Chylina am 07.07.2020, 17:26



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Das finde ich toll von Dir!

von Frida.wa am 10.07.2020, 15:13



Antwort auf Beitrag von Frida.wa

Danke Für mich persönlich kann es nie in Frage meine Mutter ins Heim zuschicken bzw sie von einer privaten ambulanten Pflege betreuen zulassen. Liebe Grüße

von Chylina am 10.07.2020, 18:41



Antwort auf Beitrag von Frida.wa

Zwischen komplett alleine zu Hause pflegen und Altenheim gibt es ja zum Glück noch so einiges. Bisher war es in meiner Familie z.b. so, dass die Pflegebedürftigen mit Hilfe so lange wie möglich zu Hause waren. Sprich Leistungen eines Pflegedienstes, Essen auf Rädern, Tagespflege, Ergotherapie, Physiotherapie als Hausbesuch usw. Einige sind dann schlussendlich doch noch im Heim gelandet, aber dann meist nur noch für kurze Zeit. Es ist immer belastend, man muss sich als Familie einig sein, es sollte eben nicht alles auf einer Person lasten, dann ist es schon machbar.

von katja13 am 07.07.2020, 17:47



Antwort auf Beitrag von Frida.wa

Das kommt ja auch drauf an, wobei sie Hilfe brauchen. Meine Mutter hat meine Großeltern zuhause gepflegt. Mein Opa war Dialysepatient und lange ging es ihm gut. Er brauchte überhaupt keine Hilfe. Meine Oma war schon länger kränklich und brauchte Hilfe bei der Körperpflege. Dann wurde mein Opa erst taub und dann blind. Er musste 24/7 betreut werden. Das war hart für meine Eltern. Selbst Einkäufe mussten geplant werden, mal Essen gehen, mal die eigenen Kinder besuchen, das ging alles nicht mehr. Meine Mutter wurde von meiner Schwester und einem Palliativdienst begleitet, mein Papa ist auch immer da gewesen, so dass sie nie allein war. Meine Schwägerin ist dement. Sie bräuchte auch jemanden, der mehrmals am Tag nach ihr sieht. Es kommt ja auch darauf an, ob man es zeitlich überhaupt schaffen kann. Ich arbeite selber Vollzeit, habe jeden Tag 45 - 60 Minuten Fahrtzeit, da kann ich mich gar nicht angemessen um jemanden kümmern.

von wolfsfrau am 08.07.2020, 07:56



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1 Monat Pflege kostet 1 Jahr Ehe, sagen ganz viele die zu Hause die Eltern Pflegen. Meine Schwiegermutter konnte nicht mal weinen, so erleichtert war sie als ihre Mutter nach jahrelanger Pflege starb. Auch jetzt 1 Jahr später, hört man kein Wort der Trauer. Sie hat in Frieden abgeschlossen, aber mehr auch nicht. Kommt aber immer auf die Umstände an. Meine Oma wohnt im Erdgeschoss bei meiner Tante, bereits seit 20 Jahren. Nachdem sie pflegebedürftig wurde, haben alle 4 Kinder sich zusammen gesetzt. Meine Mama wohnt in der Nähe kommt täglich abends um 20 Uhr. Sie und die Schwester teilen sich das Pflegegeld. Meine Onkel mit Familien putzen die Wohnung durch, kümmern sich um die Finanzen, Briefe, Fahren Oma zum Gottesdienst, bringen auch mal Essen vorbei usw. Die Familie ist sehr eng miteinander, sie treffen sich eigentlich mindestens alle 14 Tage zum Abendessen als Geschwister (mit Ehepartner) bei jemanden zu Hause. Dann besprechen sie auch Anliegen zu Oma. Und Oma (94) geht es immer besser und sie kann auch plötzlich wieder mehr Sachen selber erledigen. Bekannte haben ihren Vater über 1 Jahr gepflegt, in dem je 1 Kind eine Woche bei dem Vater lebte. Sie waren zu 5 und trotzdem war es extrem anstrengend und sie wollen es nie wieder machen müssen. Meine Arbeitskollegin hat nach einem Nervenzusammenbruch aufgegeben und ihre Mama ins Heim gebracht. Sie kann sich das nicht verzeihen obwohl selbst Heimmitarbeiter sagen, dass die Mutter seit Jahren der schwierigste Mensch im Heim sei. (schlimme Demenz, bärenstark und sehr laut) Niemand macht ihr Vorwürfe, aber sie hat immer noch die liebende, gütige Mama vor Augen und liebt sie. Wir haben eigentlich schon als Kinder beschlossen, dass mein Bruder das Haus unserer Eltern haben darf, wenn er sie pflegt. Ich wusste schon als Teeni, dass ich das nicht kann. Mein Bruder hat meinen Eltern (Ü 60) mehrfach angeboten zu ihm zu ziehen. Er hat sehr bewusst ein Haus mit Einliegerwohnung gekauft. Aber meine Eltern sind sturr, sie sind nicht für Veränderungen bereit. Ein Heim passt einfach nicht zu meinen Eltern. Sie brauchen ihren Garten, so wie meine Oma die Stunden auf ihrer Hollywoodschaukel sitzt und auch keine Gesellschaft anderer braucht. Und auch das Essen, vieles was in Altenheimen gekocht wird, kennen meine Eltern nicht mal. Bevor alle Stricke reißen, würde ich meine Eltern in ihrem Haus pflegen mit Hilfe des Pflegedienstes und zur Not auch bei uns. Als ich Kinder bekam, hatte ich auch keine Ahnung von vielen Krankheiten und wie man reagiert. Das lernte man mit den Jahren. So denke ich auch, dass man schrittweise dann die Pflege lernen wird, wenn man muss. Wenn wir den Plan mit der Abzahlung des Hauses innerhalb der nächsten 7 Jahre fertig zu sein, schaffen, dann kann ich auch in Teilzeit bleiben. Damit ließe sich auch eine Pflege organisieren. Aber wenn ich an die Würde meiner Eltern denke, dann ist es besser sie würden ohne lange Pflegezeit sterben können.

von Erdbeere81 am 08.07.2020, 10:13



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Es gibt nicht wenige die diese Belastung unterschätzen. Je nach Gesundheitszustand braucht es genauso viel Zeit wie ein Säugling also 24/7/365. Ich habe meine Oma eine zeitlang gepflegt als klar war, dass sie nicht mehr alleine leben kann, aber kein Platz in ihrem Wunsch-Altersheim frei war. Ich wusste also dass es nicht auf Dauer ist. Zu diesem Zeitpunkt war ich frisch schwanger mit dem dritten Kind, und hatte so zumindest vormittags Zeit für meine Oma. Und auch wenn sie nicht schwer pflegebedürftig war, so hatte ich es unterschätzt wie viel Arbeit die Körperpflege, Unterhaltung, medizinische Versorgung macht. Ich bin ehrlich, nochmal würde ich das nicht schaffen. Erst recht nicht länger als ein halbes Jahr...

von Streifenhörnchen am 08.07.2020, 14:22



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Wie schon geschrieben, kommt es natürlich sehr auf den Umfang an. Meine Mutter arbeitet 80 % und pflegt meine Oma (91) seit mittlerweile ca. 3 Jahren, da meine Oma niemals in ein Altersheim gehen würde (was meine Mutter eigentlich sehr egoistisch findet, es aber nie zu ihrer Mutter sagen würde). Meine Mutter hat im Prinzip ihren ganzen Tagesablauf nach meiner Oma ausgerichtet. Sie geht morgens um halb 8 zu ihr, bevor sie arbeiten geht und zieht sie einmal um (Windel) damit sie nicht ausläuft. Um 12, direkt nach der Arbeit geht sie wieder zu ihr und richtet Frühstück, holt sie aus dem Bett, wäscht sie, zieht sie an und richtet einen Nachmittagssnack (z. B. Joghurt mit Obst und Kekse, oder mal ein Stück Kuchen...) Um ca. 17 Uhr gibt's dann "Mittagessen" da muss sie auch meistens extra was machen, da meine Oma nicht mehr alles essen/kauen kann. Um ca. halb 9 richtet sie ihr noch ein Brot und macht ihr einen Tee zum Abendessen. Um ca. 23 Uhr bringt sie sie ins Bett. Sie muss praktisch immer schauen, dass sie in der Nähe ist zu den genannten Uhrzeiten. Anfangs wollte sie gar nicht in den Urlaub, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte. Meine Schwester und ich haben sie dann gezwungen, sonst geht man daran ja kaputt. Und mittlerweile kommt einmal in der Woche die Sozialstation und übernimmt ab 12 Uhr bis zum Abendessen. Den ganzen Haushalt macht sie natürlich auch noch und ihren eigenen hat sie ja auch noch. Und meine Oma ist auch sehr fordernd finde ich. Wenn meine Mutter "nur" die 5 mal am Tag bei ihr ist und sich nicht noch zusätzlich mit ihr unterhält, dann gibt's gleich nen blöden Kommentar. Sie hat doch auch ein Leben. Ist echt ein schwieriges Thema, meiner Meinung nach. Dem muss man schon gewachsen sein. Sorry ist etwas lang geworden

von Lua388 am 08.07.2020, 23:06



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bei uns in der famileie gilt, niemand wird je von den kindern gepflegt. das ist eine lebensaufgabe , die niemandem zusätzlich aufgebürdet wird. wir sind sehr liebevoll im miteinander aber da ist dann die belastungsgrenze erreicht

Mitglied inaktiv - 10.07.2020, 09:25



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Ich danke allen, die hier etwas über ihre Situation geschrieben haben. Sehr interessant, wir in den Familien mit der Pflege umgegangen wird. Und wie viel Liebe und Anteilnahme sich in den Postings ausdrückt.

von Frida.wa am 10.07.2020, 15:16



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Ich werde mich immer kümmern aber ich werde niemals pflegen. Niemand. Ich will und kann das nicht und außerdem habe ich auch ein eigenes Leben. Ich bin nicht bereit jahrelang alles zu opfern um jemanden zu pflegen. Und ich erwarte das auch auf gar keinen Fall von meinen Kindern. Ich will nie von meinen Kindern gepflegt werden und nie, dass sie ihr eigenes Leben aufgeben müssen wegen mir. Ich bin ein Einzelkind ohne Geschwister und habe mich schon jahrelang um meine Großeltern gekümmert. Als meine Oma gestorben ist war ich jahrelang alleine für meinen Opa zuständig, der gottseidank bis ins hohe Alter fit und dann nur kurzfristig hilfsbedürftig war und schließlich starb. Ich würde, weder meine Mutter, die leider seit einem Schlaganfall behindert ist, noch meinen Stiefvater ins Heim schicken, wenn irgendetwas anderes möglich wäre. 24 Stunden Kraft oder ähnliches könnte ich mir gut vorstellen, Platz und Geld ist da.

von Tonic2108 am 11.07.2020, 16:16



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Ich arbeite in der häuslichen Pflege viele werden sehr wohl noch zusätzlich von den Angehörigen versorgt,was auf einen zukommt kommt ja immer darauf an was noch so alles passiert, schließlich wird auch nicht jeder zum Pflegefall Meine Eltern wohnen bei uns im Haus,mit ihnen ist abgesprochen dass wir bei Mehrbedarf einen Pflegedienst ins Haus holen weil ich es mir nicht leisten kann aufzuhören zu arbeiten,diese müssten dann die Grundpflege übernehmen. Die Frage ist ja immer was ist Finanziell und räumlich machbar, für manche ist eine 24 Stunden Kraft optimal(die hat aber Anspruch auf ein eigenes Zimmer)andere kommen mit häuslicher Pflege und etwas Unterstützung durch die Angehörigen aus(wobei es auch ganz ohne geht,wir bieten ja auch hauswirtschaftliche Versorgungen,Essen auf Rädern und Einkaufsservice an),je nach Pflegegrad wird ja einiges von der Kasse bezahlt. Am schlechtesten kann man schwer demente Menschen zuhause versorgen weil man sie nicht mehr allein lassen kann,wir haben schon Fälle gehabt,die sind nachts im Winter nur im Hemd unterwegs gewesen draussen und fast erfroren,oder die fast das Haus angesteckt haben ..... Alles andere kommt ja wirklich auf den Grad der Hilfsbedürftigkeit an. Meine Eltern sind Mitte 70 und schon lange auf Hilfe angewiesen,meine Ma hatte vor vier Jahren Krebs,mein Pa hat den Rücken komplett kaputt,beide hatten schon Schlaganfall und Herzinfarkt....,aber im gleichen Haus empfinde ich es als gut machbar,ich kaufe zusammen mit meinen Einkäufen ein,Essen koche ich für die beiden mit (wobei sie meist unser Essen vom Vortag essen, da sie essen wenn ich noch arbeiten bin),Wäsche wasche ich für sie mit,da sie sehr gern täglich gesaugt haben môchten,ich aber so viel Zeit nicht habe (ich hab selber noch drei Kinder 4,16 und 18,arbeite im Schichtdienst in der Pflege)gab's halt einen Staubsaugerroboter,einmal die Woche kommt eine Putzfrau,die macht einmal alles was anfällt Arztbesuche übernimmt zurzeit noch mein Neffe,wenn er mit dem Studium fertig ist müssen wir schauen wer es dann macht gebadet wird halt wenn jemand da ist,je nach Schicht eben morgens oder abends(wobei sie da auch nicht anspruchsvoll sind,mein Mann darf genauso helfen wie die beiden Großen,es geht nur uns raus und reinsetzen),würde mehr Bedarf entstehen ,dann kommt immer ein Pflegedienst,es gibt Phasen da brauchen sie es ,aber wir bestellen den wieder ab wenn es meinem Pa gut genug geht Aktuell versorge ich die Wunden meiner Ma auch selber,mein Pa hat nun auch noch Gürtelrose,aber das ist schnell versorgt Medikamente mach ich einmal die Woche fertig,ans einnehmen denken sie selber(auch hier käme ein Pflegedienst wenn sie es nicht mehr hinbekommen da ich ja nicht immer da bin) Garde wenn man in den anderen Haushalt fahren muss dann sollte man sich eher noch Hilfe dazu holen,oft neigen die Eltern sonst dazu zu bemängeln dass man zwar kommt aber gar nicht so richtig Zeit hat weil man eben alles erledigt in der Zeit wo man da ist,anstatt zu reden....,im Endeffekt ist es eher gut dann noch einen Pflegedienst zu haben die eben die alltäglichen Dinge übernehmen,bzw unterstützen,und du machst eben alles neben der Reihe und kümmerst dich auch um die emotionale Seite Das andere ist eben wenn man alles allein macht ist schon sowas wie einen Abend ausgehen schwierig wenn du die einzige bist die sich kümmert,geschweige denn Urlaub zu machen,hast du einen Pflegedienst dann bist du sicher dass sie trotzdem wie sie es dann ja gewohnt sind versorgt werden.

Mitglied inaktiv - 10.07.2020, 21:18



Antwort auf Beitrag von Frida.wa

Hallo , ich bin 49 Jahre. Ich habe meine Mutter und anschließend meinen Vater bis zum tod gepflegt. Meine Mutter wurde schwer krank als ich Ende 13 war, war für ca 2 Jahre fast ausschließlich in Krankenhäusern und 3 Jahre bis fast zum Tod zu Hause, mein Vater arbeitete damals noch. 1 Jahr nach dem Tod meiner Mutter wurde mein Papa schwer krank, lag für 2 Jahre fast dauerhaft in der Klinik und danach pflegte ich auch ihn die folgenden 3 Jahre bis fast zum Tod. Ich war 24 Jahre als auch mein Vater starb. Für mich war das alles selbstverständlich und ich würde es auch genauso noch einmal tun, auch wenn jeder dagegen war und keiner meiner Familie mir half, in kleinster Weise! Allerdings möchte ich , falls mir das gleiche passiert , nicht das mein Sohn das gleiche tut wie ich. Er soll seine Jugend genießen, mein damaliges Kind sein hat geendet mit Krankenhaus und Pflege und mein Erwachsen werden hat begonnen mit Krankenhaus, Pflege und Tod ( wenn auch mir das damals!!!! nichts ausmachte, hat es mein komplettes Leben geprägt). Das will und werde ich mit allen Kräften verhindern wollen.

von Marielue am 11.07.2020, 17:49



Antwort auf Beitrag von Marielue

Respekt! Ganz ehrlich, ich empfinde tiefen Respekt. Und ich glaube dir, dass dich das sehr geprägt hat.

von Tonic2108 am 12.07.2020, 20:54



Antwort auf Beitrag von Tonic2108

.....

von Marielue am 12.07.2020, 22:04



Antwort auf Beitrag von Frida.wa

Hey, das ist eine sehr schwierige Entscheidung, die schlussendlich jeder selbst abwägen muss ob er es leisten kann. Ich kann nur sagen - es ist hart. Wir haben in der Familie sowohl meinen Opa als auch meine Oma bis zum Tod Zuhause gepflegt. Das war meiner Mutter sehr wichtig. Bei meinem Opa war ich 15 und nur am Rande in die Pflege involviert, das heißt mobilisieren, Essen bereiten, füttern. Zum Waschen kam ein Pflegedienst. Meine Mutter ist Vollzeit arbeiten gegangen, sodass viele der alltäglichen Aufgaben an mir, meiner kleinen Schwester und meiner Oma hängen blieben. Allerdings war mein Opa auch schwerst dement, das führte dazu, dass er uns nicht mehr erkannte, wild und mit viel Kraft um sich schlug und auch den Pflegedienst abwies. Der durfte dann nichts mehr machen (damals sagte man uns, dass wenn ein Patient nein sagt, sie keine Behandlungen durchführen durften, ich weiß nicht wie das heute bei Demenzkranken ist). Wir hatten regelmäßig blaue Flecke und er zehrt an den Kräften wenn man seinen Opa so zerfallen sieht (ich hatte eine sehr enge Bindung zu meinem Opa). Er kam dann plötzlich wegen einer unerklärlichen Flüssigkeitansammlung ins KH, Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Zu diesem Zeitpunkt war er kaum noch ansprechbar. Meine Mutter entschied, dass er zu Hause sterben sollte, nicht im Krankenhaus. Er lebte noch wenige Tage. Den Moment seines Todes kann ich nicht mehr ganz rekonstruieren, ich bin im Türrahmen zusammengebrochen. Ich spreche da auch nicht gerne drüber, in der Familie sagte meine Mutter mir später nur, dass ich mich schämen sollte, weil das letzte was er von mir gehört hätte nicht etwas liebevolles war (stimmt, ich habe gar nichts mehr gesagt und mich auch nicht verabschiedet, weil ich weggetreten war...) Meine Oma hatte sich einige Jahre danach gut gemacht, sie wurde wieder fitter (auch weil meine Mutter noch ein Kind bekommen hat, die beiden haben sich gegenseitig gut getan). In einem Sommer erlitt sie einen Schwächeanfall, weil es einfach zu warm war, dadurch wurde bei einer Routineuntersuchung eine "Kleinigkeit" entdeckt (die Sauerstoffsättigung in ihrem Blut war knapp zu schlecht, das Problem war unserem alten Hausarzt, der bereits in Rente war, schon lange bekannt, sie hatte das schon ewig, es hat auch nie Probleme gemacht, ihr Körper war darauf eingestellt.) Ein junger Arzt beschloss das ganze unbedingt behandeln zu lassen, auch wenn alle sagten, dass das bei ihr normal sei. Ihr Körper wurde so mit Sauerstoff vollgepumpt, ohne das sich die Sättigung deutlich und langfristig verbesserte, dass sie das Atmen einstellte. Dabei ist viel kaputt gegangen. Sie war monatelang im Krankenhaus, baute rapide ab, konnte nicht mehr selber laufen, essen etc. Sie musste ständig eine "Atemmaske" tragen (diese "drückt" die Luft mit Gewalt in die Lunge), sie hatte dabei extreme Schmerzen, hat gestöhnt und geschrien. Meine Mutter hatte kurz vorher noch ein weiteres Kind bekommen (2 Monate alt) und war mitten in der Umschulung neben einer Vollzeitstelle, von der sie nicht fern bleiben konnte. Sie sagte trotzdem, dass wir das Zuhause als Familie schaffen. Diese Familie war ich, mitten im Studium (Veterinärmedizin). Meine Schwester schrieb gerade ihr Abitur und war also nicht greifbar, mein Vater arbeitete ebenfalls Vollzeit. Wir hatten einen Pflegedienst der morgens und abends das waschen übernahm, alles andere machte ich. Ich habe also ab 7 Uhr morgens meine 2 Monate alte Schwester übernommen, diese gefüttert und versorgt, meinem 4 Jahre altem Bruder Frühstück gemacht, habe meine kleine Schwester mit zu meiner Oma genommen und diese gefüttert, dann meinen Bruder Kindergarten fertig gemacht, ihn mit meiner Schwester zusammen zum Kindergarten gebracht. Danach habe ich meiner Oma Gesellschaft geleistet, dafür gesorgt, dass sie nochmal etwas isst (Zwischendurch natürlich immer die Kleinkindpflege), dann Mittagessen kochen für die ganze Familie (jeder hat dann gegessen wenn er nach Hause kam), meinen Bruder wieder abgeholt, mit ihm zusammen gegessen. Dann Nachmittagsbespaßung der Kinder und meiner Oma, ihr nochmal was zu essen angeboten (sie hat sehr wenig und manchmal auch gar nichts gegessen, also immer öfter anbieten). Meiner Abiturschwester bei Fragen geholfen und ihre spät pubertären Launen ertragen. Gegen 17/18 Uhr kam mein Vater nach Hause und hat mir die Kinder abgenommen. Dann erst meiner Oma Abendessen machen, dann saß Familienabendbrot vorbereiten. Meist kam dann auch meine Mutter heim. Nach dem Abendbrot konnte ich Luft holen. Das ging so jeden Tag, für viele Monate, nur an den Wochenenden war es teils einfacher. Mein Studium musste ich deshalb unterbrechen, fand den Einstieg nicht mehr und habe es schlussendlich abgebrochen. Freizeitbeschäftigung? Gab es nicht. Als meine Oma starb war ich traurig, aber auch irgendwo etwas selig.. Ich hatte gemerkt, dass sie nicht mehr leben wollte, ständig schrie sie mich an das wir sie endlich sterben lassen sollen, das war echt hart. Und auch ich hatte ein Gefühl der Erlösung. Auch wenn ich es gerne gemacht habe meine Großeltern zu pflegen, so würde ich glaube ich das ganze nicht nochmal durchstehen. Ich weiß, dass meine Mutter gerne möchte, dass wir auch sie später in ihrem Elternhaus pflegen und sie dort sterben kann, sie meinte das wären wir ihr schuldig. Ich weiß jetzt schon, dass ich das nicht kann und nach vielen vielen Vorfällen in den letzten Jahren haben wir heute auch nur noch wenig Kontakt und ich bin deutlich weggezogen. Ich habe größten Respekt vor jedem der seine Angehörigen zu Hause pflegt und kann so mitfühlen wenn jemand sagte: ich kann nicht mehr!

von Feely am 13.07.2020, 21:13



Antwort auf Beitrag von Feely

"Ich weiß, dass meine Mutter gerne möchte, dass wir auch sie später in ihrem Elternhaus pflegen und sie dort sterben kann, sie meinte das wären wir ihr schuldig." Ach Feely, mir ist beim Lesen deines Beitrages unverständlich, wie Eltern ihren Kindern sowas zumuten können. Also ich meine in Deinem Fall, dass nicht nur ein Großteil der Pflege von Opa und Oma, sondern obendrein auch noch die Verantwortung für zwei viel jüngere Geschwister an dich delegiert wurde. Und deine eigene Lebnesplanung dabei anscheinend völlig irrelevant waren bzw. einfach ignoriert wurden. Und woraus dann deine Mutter ein Recht auf den oben zitierten Anspruch ableiten will, kann ich erst recht nicht nachvollziehen. Sie ist trotz pflegedürftiger Eltern, die unbedingt zuhause gepflegt werden mussten und zweier Kleinkinder weiter arbeiten gegangen, um im Alter eine gute Rente zu haben. Das Recht darauf hättest du aber auch gehabt! Statt dessen wurde dir zugemutet, woran viele Erwachsene verzweifelt wären... Ich jedenfalls bin der Meinung, dass du mehr als genug für deine Großeltern, Geschwister und Eltern getan hast und dir auf gar keinen Fall jetzt ein schlechtes Gewissen einreden lassen musst. Es ist dein gutes Recht, jetzt dein eigenes Leben zu leben. Allerdings lehne ich auch schon mein Leben lang das Ansinnen ab, dass man seinen Eltern grundsätzlich dankbar sein muss. Ich bin der Meinung, wer ein Kind bekommt, hat es sich entweder gewünscht oder die Verhütung hat versagt. Keiner der Gründe rechtfertigt jedenfalls das Anspruchsdenken an ein Kind, denn es wurde ja nicht gefragt, ob es in die Welt gesetzt werden wollte. Ich jedenfalls hatte eine schreckliche Kindheit und hätte mir das gern erspart... Mein Vater starb mit gerade 43 im Delirium tremens. Meine Mutter ist jetzt 84. Ich tu für sie das, was ich auch für eine gute Nachbarin tun würde. Aber ich habe ihr ganz klar gesagt, dass sie nicht darauf hoffen kann, dass ich sie jemals pflegen werde. Meine Meinung ist: Das Leben eines Pflegebedürftigen ist sowieso ruiniert. Das rechtfertigt aber doch nicht, dass Angehörige ihr eigenes Leben (Beruf, Hobby) praktisch aufgeben (und da sollte sich keiner sozialromatisch was vormachen, Pflege ist Knochenarbeit in jeder Hinsicht) und sich physisch und psychisch verausgaben, um als Lohn dann in die Altersarmut fallen, weil ihnen vielleicht Jahre der Berufstätigkeit fehlen. Menschen, die eine liebevolle Kindheit erlebt haben, sind da wahrscheinlich anderer Meinung. Ich habe meiner Mutter aber gesagt, sie kann nicht ernten, was sie nicht gesät hat. Mein Mann und ich sind uns einig, dass wir im Leben nicht von Sohn, Schwiegertochter geschweige denn Enkelkindern gepflegt werden wollen. Der Gedanke, so krass in ihr Leben einzugreifen, ist uns unerträglich. Respekt, wenn du gesund an Leib und Seele aus deiner Geschichte hervorgegangen bist. Ich wünsche dir für die Zukunft ein schönes, selbstbestimmtes Leben und ganz viel Glück!

von oma am 14.07.2020, 15:54



Antwort auf Beitrag von oma

Vielen vielen Dank für deine Worte :) Eine typische schlechte Kindheit hatte ich jetzt nicht, aber es war halt doch sehr auf Karriere ausgerichtet. Meine Mutter hatte sich von meinem Erzeuger getrennt und ist dann selbst in ein Loch gefallen. Dadurch sind wir Schwester ein wenig hinten runter gerutscht. Sie hatte aber auch vorher schon die ganze Zeit Vollzeit gearbeitet. Zur Schule sind meine Schwester und ich selbstständig aufgestanden und das seit der ersten Klasse. Meine Mutter hat da meist noch geschlafen, weil ihre Arbeit später anfängt. Die Schule war im gleichen Dorf, wir sind also zu Fuß zur Schule hin und auch mittags wieder zurück. Meine Oma und mein Opa haben uns dann betreut, meine Mutter kam erst abends heim, oder wir haben uns mit Freunden zum spielen getroffen. Hausaufgaben haben wir grundsätzlich alleine erledigt. Die Wochenenden waren spätestens ab dem Moment als meine Mutter ihren neuen Partner (oben mit Vater bezeichnet) kennengelernt hat auch nicht mehr "Familytime" (sonst sind wir auch mal Fahrradfahren gewesen), sondern meine Eltern haben dann ausgeschlafen und ihre Partnerschaft gelebt (und auch das sei jedem gegönnt). Ich habe sehr viel Zeit mit meinem Opa im Garten verbracht, meine Schwester war viel mit meiner Oma in der Küche und hat das ganze Wochenende gebacken. Uns hat es materiell an nichts gemangelt, wir waren viel im Auslandsurlaub etc., aber ich glaube etwas mehr liebevolle Familienzeit hätte ich mir gewünscht. Ich glaube darauf bezieht sich meine Mutter auch wenn sie sagt wir wären ihr das schuldig, weil sie die ganze Zeit arbeitet um uns alles Materielle zu geben. Ich leg überhaupt kein Wert auf materielle Dinge, es gibt so viel wichtigeres! Ob ich ganz unbeschadet aus der Sache rausgekommen bin ist schwer zu sagen. Ich leide schon sehr lange unter Depressionen, die tatsächlich mit dem Tod meines Opas immer schlimmer geworden sind. Kommunizieren durfte ich das nicht, ich hätte ja keinen Grund mich zu beschweren, ich hab doch alles und überhaupt meiner Mutter würde es viel schlechter gehen. Das wurde mir von Anfang an eingetrichtert: wenn du Probleme hast, behalte sie für dich und belaste nicht dein Umfeld damit. Es sind noch so viele andere Dinge passiert, die ich hier gar nicht alle nennen will, damit könnte ich Bücher füllen. Erst in der Beziehung mit meinem Mann habe ich mich getraut offener zu reden, habe mir Hilfe bei einem Therapeuten gesucht, das hat geholfen, und ich habe mich von meiner Mutter räumlich und auch emotional distanziert. Als sie jetzt von meiner zweiten Schwangerschaft erfahren hat haben wir vorsichtig neuen Kontakt aufgenommen, allerdings nur so viel ich zulasse. Wird sie mir wieder zu übergriffig distanziere ich mich wieder :) Auswirkungen hatte das ganze auf jeden Fall auf mein Arbeitsleben, denn dort musste ich mich nun mühselig wieder neu ordnen und bin auch noch nicht ganz durch damit, mal schauen. Bei meinem Sohn/bald Söhnen machen mein Mann und ich das ganze jetzt ganz anders. Wir legen viel Wert auf Familienzeit, kochen alle gemeinsam (auch wenn der kleine noch nur im Hochstuhl daneben sitzen kann), gehen alle zusammen einkaufen, mit dem Hund spazieren, machen kleine Ausflüge, und so weiter. Klar kann ich mir nicht jedes Jahr die riesen Auslandsurlaube leisten, weil wir zur Zeit nur ein Hauptverdiener sind, aber meinem Kind und uns mangelt es trotzdem an nichts, es gibt jeden Tag was frisches gekochtes, wir haben genug Klamotten, Spielzeug, Technik, alles was das Herz begehrt, und vor allem trotzdem ein liebevolles Miteinander :)

von Feely am 14.07.2020, 21:47



Antwort auf Beitrag von Feely

Es freut mich sehr, dass du Hilfe gesucht und jetzt ein wunderbares Familienleben hast! Du scheinst eine sehr starke Frau zu sein. Ich wünsche dir sehr, dass deine Depressionen im Laufe der Zeit immer weniger Platz in deinem Leben einnehmen. Eltern sind immer Vorbilder. Notfalls eben schlechte. Ich habe ebenso wie du beschlossen, ein anderes Leben zu führen als meine Eltern und vor allem eine liebevolle Mutter zu sein. Unser Sohn hatte eine sehr glückliche Kindheit und ist jetzt ein privat sehr glücklicher Mann, Vater und Pflegevater und beruflich sehr erfolgreich selbständig. Und das macht auch uns glücklich. Alles Gute für dich und deine Familie!

von oma am 15.07.2020, 00:07



Antwort auf Beitrag von Frida.wa

Es ist mega hart! Aber ich persönlich finde, man sollte alles versuchen, was man geben kann. Wir wünschen es uns schließlich auch von unseren Kindern, dass sie uns nicht abschieben. Allerdings kann irgendwann der Punkt kommen, wo eine Einrichtung besser geeignet ist! Es macht immer Sinn, alle Aspekte und Möglichkeiten frühzeitig zu überdenken und mit den Eltern zu besprechen, das würde ich dir wirklich gerne ans Herz legen! Unsere kranke Mutter haben wir Geschwister (teilweise mit Pflegedienst) bis zum Tod zu Hause gepflegt. Später, als ich in einem Hospiz Praktikum gemacht habe, wurde mir bewusst, dass es für sie dort zuletzt vermutlich wirklich schöner gehabt hätte. Dann kamen die Schwiegereltern dran und hier wurde viel zu lange mit einer Entscheidung (ebenerdige Wohnung / Seniorenwohnung o. ä.) gewartet. Nun ist z. B. kein Geld mehr für einen Pflegeheimplatz oder einen Umbau da, die Kinder müssten zahlen, sie streiten sich seit Jahren usw. Für mich bedeutet das, ich bin quasi zur Alleinerziehenden geworden.

von hollerfee am 12.08.2020, 12:40