Anna Lo
ein Gefühl, dass mich wohl schon länger begleitet, welches ich bisher aber so konkret nicht benennen konnte. Ich wäre gerne krank oder verletzt. Das hört sich im ersten Moment echt bescheuert an und ich bin, als es mir klar wurde, vor diesem Wunsch selbst erschrocken. Aber je mehr ich mich in den letzten Tagen damit auseinandergesetzt habe, umso klarer ist es mir geworden. Wenn ich körperlich krank oder verletzt wäre, wäre es das normalste auf der Welt, dass ich mich ausruhe, nicht so leistungsfähig bin, vieles einfach gerade nicht machen kann… Ich bin momentan nicht sehr leistungsfähig, es kostet mich sehr viel Kraft das Alltägliche zu schaffen, aber das sieht eben keiner. Wenn eine körperliche Krankheit da wäre, wäre es sichtbar und eindeutig. Auch für mich selbst. Denn ich selbst stehe mir und meiner Depression eben auch sehr kritisch gegenüber und sage mir immer wieder, dass ich mich nicht so anstellen soll, dass ich einfach nur faul bin und dass andere das doch auch alles schaffen. Ich glaube mit einer körperlichen Erkrankung wäre es auch für mich einfacher zu akzeptieren, dass halt gerade nicht alles geht. Könnt Ihr mich verstehen?
Huhu,
ich versuche mal ein bisschen Küchenpsychologie. Die basiert auf Lebenserfahrung und gesundem Menschenverstand und funktioniert daher oft sehr gut. Also: Dein Wunsch ist nachvollziehbar, natürlich. Du hättest dann einen Grund, Dich zu erholen, die Umwelt würde Dich (vielleicht) schonen, alle würden (vielleicht) verstehen, dass Du nicht voll leistungsfähig bist. Das stimmt.
Die Sache hat aber zwei große Haken. Der erste ist: Wenn Du Dir unbewusst lange genug wünschst, dass Du krank bist, dann wirst Du es früher oder später auch werden. Denn Gedanken haben starke Auswirkungen auf den Körper. Und zwar nicht unbedingt so, wie Du es gern hättest. Sondern unter Umständen schlimmer, anders, schmerzhafter und viel unschöner als Du es Dir ausmalst. Es könnte Dir richtig dreckig gehen, Du könntest in der Klinik landen, eine OP brauchen oder dauerhaft chronisch krank bleiben. Willst Du das wirklich? Ich glaube nicht. Deshalb würde ich diesen Gedanken verwerfen, bevor er zur Selffulfilling Prophecy wird.
Der zweite, fast noch größere Haken ist aber: Ebenso wie eine Depression laut kluger Fachleute eine sehr passive Reaktion ist, ist auch der Wunsch nach Krankheit wieder etwas sehr Passives. Bei beidem bist Du in der Opferrolle. Du gestaltest also nicht Dein Leben hin zu etwas Besserem, sondern ziehst Dich in die (körperliche oder seelische) Krankheit zurück. Und hoffst, dass das Leben oder andere Leute oder wer auch immer dafür sorgen, dass es Dir besser geht. Das aber funktioniert nicht. Denn es gibt dann null Selbstwirksamkeit, null Initiative, null Ideen, keine Kreativität und nichts Eigenes. Du delegierst die Verantwortung für Dein Glück dann an andere. Es ist aber nicht der Job der anderen, Dich glücklich zu machen, wenn Du das selbst nicht kannst. Sie sind damit überfordert.
Stattdessen will Dein Leben von Dir gestaltet werden, es möchte von Dir so gelenkt werden, dass es schön wird. Es will nicht, dass Du Dich passiv rausziehst und sagst: Da kann man nichts machen. Oder: Die anderen sollten mich retten. Oder: Wenn die anderen mich endlich anerkennen würden, ginge es mir bestimmt gut.
Nein, es wird Dir erst gut gehen, wenn Du Dein Leben in Deine eigenen Hände nimmst. Wer sollte besser für Dich sorgen können als Du selbst? Wer weiß besser, was Du brauchst, als Du selbst? Wer hat die Verantwortung dafür, dass es Dir gut geht? Andere, oder Du selbst?
Ich weiß, wenn man in einer Depri hockt, kann man das nicht von jetzt auf gleich umsetzen. Muss man auch nicht. Es reicht fürs erste schon zu verstehen, dass keine Krankheit und keine Depression einem helfen wird, wenn man selbst nicht gut für sich sorgt. Im Gegenteil, man bleibt dann passiv. Und noch dazu ist man deprimiert UND körperlich krank. Das ist kein Weg. Es kann Dir aber - mithilfe eines Therapeuten - gelingen, für immer aus der Depression rauszukommen. Weil Du sie nämlich einfach nicht mehr brauchst. Fang an, Dich für Dich selbst zuständig zu fühlen. DAS ist der Weg, den Du gerade so sehr suchst.
LG
Hallo Lillimax, vielen Dank für Deine klaren und ehrlichen Worte. Die Seite mit der Passivität habe ich so bisher noch nie gesehen, aber ich gebe Dir damit absolut recht. Ich bin glaube ich momentan in einer Phase, in der ich noch nicht oder vielleicht auch nicht mehr die Kraft habe zu kämpfen. Das hört sich vielleicht komisch an, aber leider habe ich zur Zeit das Gefühl, dass alles ein Kampf ist. Ich versuche mein Leben so normal wie möglich zu leben. Kümmere mich um die Kinder, gehe zur Arbeit, mache den Haushalt. Aber all das was sonst so normal ist, kostet mich immens viel Kraft. Meine Nerven liegen oft blank, kleine Stolpersteine entpuppen sich als schier unüberwindbare Hürden. Ich weiß gerade wirklich nicht, woher ich die Kraft nehmen soll um mich aktiv für mich selbst einzusetzen. Ich bin dabei eine Mutter-Kind-Kur zu beantragen und hoffe, dass ich dort vielleicht die nötige Hilfe bekomme um mich wieder mehr um mich selbst zu kümmern.
Huhu,
wenn sich alles nach Kampf anfühlt, dann wird Deine Depression vielleicht noch nicht ausreichend behandelt, oder? Am besten und schnellsten funktioniert oft die Kombination aus Gesprächstherapie plus Antidepressivum (zumindest vorübergehend).
LG und alles Gute
Hallo, Es gibt Menschen, die sind mehr belastbar und welche die eben weniger belastbar sind. Nur weil jemand z. B. mit 3 Kindern, Vollzeitjob und Haushalt klarkommt muss das nicht auf dich zutreffen. Akzeptiere, dass du eben mehr Ruhe, Pausen oder Zeit für dich brauchst als andere.
"Deiner Depression"? D.h. du hast eine diagnostizierte Depression? Das ist doch eine Erkrankung. Bist Du auch in Therapie? Medikamentös/Psychologisch? Lass Dir helfen und akzeptiere die Depression als Erkrankung. Nachvollziehen kann ich das, insofern ich in den letzten Monaten dachte, so eine Quarantäne (ohne Erkrankung bitte) wäre jetzt irgendwie geschickt. Ohne schlechtes Gewissen mal 14 Tage : nichts tun. Wobei das mit HO und Kindern und Haus/Garten... sicher nichts werden würde. Vermutlich würden wir die Zeit zum Keller ausrümpeln nutzen und würden uns alle auf den Keks gehn. Auch wenn Du keine Depression in dem Sinne hast, sondern nur ein "Tief", sprich es beim Arzt an, lass mal Blut abnehmen. Vielleicht steckt ein Mangel dahinter (Eisen? Hast du stark Deine Tage?) oder ein Problem mit der Schilddrüse. Jetzt auf den Winter hin hilft mir auch etwas B12 und Vitamin D um wieder in Schwung zu kommen sowie konsequent jeden Tag 1 h Bewegung an der frischen Luft. Aber erst mal checken lassen, ob der Körper Schwachpunkte hat!
Ich verstehe dich (leider) nur zu gut. Gerade das "stell dich nicht so an" habe ich heute schon 100 mal gedacht und bekomme es von meiner Umgebung auch immer wieder unterschwellig mitgeteilt...