Elternforum Mehrsprachig aufwachsen

„Doppelte Dreiviertelsprachigkeit“

„Doppelte Dreiviertelsprachigkeit“

magistra

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Hallo zusammen, ich bin’s mal wieder, die berufliche Mitleserin. Ich gebe in der Schule neben meinem eigentlichen Unterricht Kurse zur Sprachbegleitung, unterstütze also Kinder mit mehr als einer Mutter- oder Zweit-/Drittsprache im Schleifen des schriftlichen Deutsch fürs Gymnasium. Meistens kann ich aus der Praxis bestätigen, dass Probleme bei echter Zweisprachigkeit nur auftreten, wenn die Elternsprache oder die Nichtdeutsche Sprache zu wenig geübt wird und die Eltern meinen, lieber mit ihrem Kind schlecht Deutsch zu sprechen. Nun habe ich aber mal wieder einen anderen Fall. Kind ist Deutsch/Chinesisch (Mutter Chinesin) in D aufgewachsen, kluges Kind, ohne Probleme aufs Gymnasium gekommen, hier allerdings mit starken Problemen im Fach Deutsch. Sie macht auch mündlich ab und an Kasusfehler (natürlich spricht sie komplett akzentfrei) und im Schriftlichen ist es noch viel schlimmer. Vergangenheitsformen sind kaum bekannt, Präpositionen... Der Vater meint, Deutsch sei jedoch die stärkere Sprache... Meine Frage: Ich soll nun Nachhilfe für das Kind organisieren (die normale Sprachbegleitung reicht nicht). Wo soll der Schwerpunkt liegen? Auswendiglernen starker Verben und Präpositionen? Sollte ich nach Studierenden im Bereich DaZ suchen (wobei es ja eigentlich kein DaZ-Fall ist)? Oder einfach wieder und wieder Texte überarbeiten? Sollte es vielleicht eine pensionierte Grundschullehrkraft sein? Das Kind tut mir leid, da sie sich recht und schlecht bemüht, aber sprachlich keinen Fuß auf den Boden bekommt. Dennoch sieht sie auch irgendwie das Problem nicht ein, weil sie ja eigentlich schon immer deutsch spricht und deutsch denkt. Vielleicht habt ihr ja Erfahrung, wie man das schriftliche Deutsch stärken kann. Danke


reblaus

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Die Frage wäre meiner Meinung nach am besten einer Logopädin gestellt. Unsere Tochter ist ja auch so ein ähnlicher Fall . Und trotz guten drei Jahren Logo 3-6 , kann sie es nicht . Wir sprechen ein gehobenes deutsch. In der Schule kann ich die Zweitsprache nicht beurteilen. Da ist sie meist im oberen Mittelfeld in den Klassen.


DK-Ursel

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Hej Magistra! Wie spannend. Ich habe als erstes gedacht: Das kommt ja darauf an, was sie für die Schule braucht. Denn anscheinend kommt sie ja zunächst mal im Alltag zurecht. Aber wenn im Deutschunterricht (den ich ja vor viel zu langer Zeit in Dtld. genossen habe, auf sehr gutem Niveau, nur weiß ich eben nicht, wie das heute läuft.) Worauf liegt in der nächsten zeit der Fokus bei Arbeiten .- sind das Interpretationen, die frei und gut geschrieben werden müssen - Thema nicht nur Zeiten, sondern auch Wortschatz? Sind das Grammatikarbeiten, wo man analysiert? Und eine andere Frage ist ja auch: Wieviel Deutsch hört sie tatsächlich ,wenn sie aus der Schule nach Hause kommt? hat sie deutsche Freunde, die sie regelmäßig trifft? Ist sie gut integriert? -Denn logischerweise bekommt sie die Sprache nicht zuhause, Und: Was für ein Lerntyp ist sie? Ist sie jemand, der gerne versteht, wieso etwas so ist, wie es ist? Oder hört sie sich in Dinge hinein (offensichtlich eher nicht, es sei denn ,sie hat wirklich genügend Umgebungssprache um sich und es geht nicht rein, buchstäblich). ist sie jemand, der eher durch Bilder oder Laute lernt? Ist sie jemand, der gut und gern auswendig einbleut? Oder noch ganz anders?` Also, das ist schwer zu beantworten. Das würde ich zuerst klären und dann versuchen, mich anzupassen in der Methodik., Erzählst Du uns ,wie es weitergeht? Ich finde das sehr interessant!!! Gruß Ursel, DK


Korya

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Ja, spannend :-) Ich hätte auch spontan Logopädin vorgeschlagen, einfach weil es organisatorisch die schnellste und einfachste Lösung ist. Parallel dazu mehr Vereinssport oder Chor oder Pfadfinder - halt irgendetwas, damit sie regelmäßig und möglichst täglich oder wenigstens mehrfach die Woche mit anderen Kindern zusammen etwas tut. Meine haben ähnliche Schwächen (fließend und akzentfrei Deutsch, aber dann hauen sie dir manchmal die Kasi durcheinander, dass dir Angst und bange wird) - normalerweise reichen aber 2 Wochen im Heimatland und ein paar Auslacher durch die Cousins, und schwupps achten sie auf einmal wieder auf eine korrekte Sprache.


Astrid18

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Meine Kinder waren einmal Deutsch/Chinesich zweisprachig auf muttersprachlichem Niveau. Dabei sind mir im Deutschen Grammatikfehler aufgefallen (Übernahme chinesischer Grammatik ins Deutsche), die der Kinderarzt damals im Kindergartenalter als unerheblich betrachtet hat (Bsp: "bei hier" statt "hier"). Vielleicht hilft Dir die Einschätzung, wenn ich Dir die Besonderheiten der chinesischen Grammatik etwas erläutere: 1. Im Chinesischen gibt es drei Möglichkeiten, die Vergangenheit auszudrücken: Mit einer Zeitangabe der Vergangenheit (gestern, letztes Jahr), mit dem einfachen Anhängen von le oder guo. 2. Dazu muss man wissen, dass es keine Konjugation gibt. Man verwendet immer den Infinitiv, ggfs. mit le oder guo für die Vergangenheit, wenn nicht eine Zeitangabe der Vergangenheit verwendet wird. 3. Dekliniert wird auch nicht, und Singular und Plural nur bei Personen. Du erkennst also den Fall rein an der sehr strengen Satzstellung. Beispiele wären: Heute ich gehen Stadt. Gestern er essen wenig. Ich kaufen zwei Apfel. Er trinken zwei Glas Bier. 4. Dann benutzt man im Chinesischen gerne eine Verbverdoppelung mit gehen, wie etwa: Ich gehen einkaufen Gemüse. Ich gehen waschen Wäsche. Wenn der Vater nicht viel zuhause ist, wird die Mutter mit der Tochter vermutlich nur Chinesisch sprechen oder ein schlechtes Deutsch. Chinesische Eltern haben sehr hohe Anforderungen an die eigene Muttersprache. Wenn also der Vater sagt, dass Deutsch die bessere Sprache ist, heißt das nicht viel. Das würde für mich nur zählen, wenn der Vater selbst fließend Chinesisch spricht. Sonst kann er das meiner Meinung nach nicht wirklich beurteilen. Interessant wäre noch, wie es dem Mädchen mit Englisch geht. Als wir noch in China waren, waren die zweisprachigen Kinder in Englisch überdurchschnittlich gut. Wenn Englisch gut läuft, kann man irgendwelche Therapien meiner Meinung nach ausschließen, zumal sie für Chinesisch ein sehr gutes Gehört braucht, um die Töne herauszuhören. Insofern würde ich es mit einem Studenten, der auf DAZ spezialisiert ist, versuchen. Nach längerer Zeit im englischen Schulsystem habe ich jetzt das Problem, dass gerne englische Wörter eingestreut und auch mal gerne englische Präpositionen verwendet werden....


magistra

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Antwort auf Beitrag von Astrid18

Das hat mir sehr geholfen, danke dir! In Englisch ist sie unauffällig, das heißt zwischen 2 und 3. Danke auch an alle anderen für eure Gedanken! Ich schau mal, wen ich für sie finde. Die ist in der 6. Klasse, da geht es noch viel um spannende Geschichten und so, noch wenig um Analyse und Interpretation. Viele Grüße Magistra