Liebes Stillberatungsteam,
vielen Dank für Ihr tolles Forum, in dem ich seit einigen Wochen gerne mitlese!
Vielleicht haben Sie ja auch einen Rat für uns. Frau Dr. Bentz aus dem Schreibaby-Forum hatte die Idee, sich bei Ihnen Rat zu holen.
Unser Sohn (6 Monate) ist ein neugieriges, aktives und fröhliches Kerlchen und hat fast ein halbes Jahr viel geschrien und wenig geschlafen. Mittlerweile hat sich das aber deutlich gebessert.
Leider ist das Stillen aber irgendwie schwierig geblieben. Er bekommt tagsüber mittags und abends Brei (ich biete ihm das Essen an und er entscheidet, ob und wie viel er möchte) und wird ansonsten bei Bedarf gestillt. Am Tag möchte er aber oft nicht wirklich an die Brust (teilweise trinkt er dann bis zu 5 Stunden nicht), schreit dann und macht sich steif bzw. trinkt nur kurz (2-3 Minuten). Wenn ich ihn im Halbdunkel stille klappt es manchmal etwas besser.
Dafür will er seit seit etwa 2 Monaten in der Nacht alle 1,5 bis 2 Stunden gestillt werden und trinkt dann meist zwischen 10 und 15 Minuten (auch wenn er mal am Tag gut gegessen hat). Das ist auf Dauer für meinen Mann und mich sehr anstrengend. Ich weiß natürlich, dass unser Spatz die Welt gerade entdeckt und vieles verarbeiten muss und mich als Sicherheit braucht. Ich möchte auch das nächtliche Stillen gar nicht abstellen, aber ich würde auch gerne mal wieder 3-4 Stunden am Stück schlafen.
Haben Sie eine Idee, wie ich das anstellen könnte? Ich habe in einem anderen Beitrag gelesen, wie Sie die Methode von Elizabeth Pantley empfehlen. Wäre das auch für uns möglich oder ist unser Sohn dafür noch zu jung?
Vielen Dank für Ihre Mühe! Ich freue mich schon auf Ihre Antwort!
Viele Grüße
Audi85
von
Audi85
am 05.10.2015, 22:58
Antwort auf:
Wie kann ich das häufige nächtliche Stillen etwas reduzieren?
Liebe Audi85,
Du kannst jetzt mit vielen Tricks versuchen, die Situation zu verändern, aber es wird nur Stress und Tränen geben, denn dein Kind IST einfach in der Phase, in der es dich so viel braucht.
Die unruhigen Tage und vor allem Nächte sind furchtbar anstrengend, daran kann ich mich auch noch gut erinnern. Trotzdem: Sie sind normal und werden garantiert irgendwann vorbei sein. Wann, kann ich leider nicht sagen. Aber sie gehen wirklich vorbei! Bis dahin kannst du probieren, dir den Alltag so einfach wie möglich zu machen, so dass auch du tagsüber mal ein kurzes Nickerchen machen kannst.
In dieser Zeit verarbeiten Kinder vieles in der Nacht, und brauchen die Bestätigung, dass Mama ganz nah ist, und die beruhigende Milch, noch ziemlich. Es ist kein Rückschritt, wie es scheint, sondern zeigt, dass sich dein Kleines weiter entwickelt!
Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben.
Leider geht der Trend zu immer früherer Anwendung sogenannter Schlaftrainingsprogramme und Eltern von Babys, die sich nicht dieser „Norm" anpassen, wird mehr oder weniger direkt vermittelt, dass sie selbst schuld sind, ja manchmal kommt unterschwellig sogar dazu, dass dies Eltern sich als Versager fühlen sollten.
Ein Baby schläft ohne Brust ein, sobald es reif genug dazu ist. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass Du noch die nächsten Jahre damit verbringen musst, dein Baby in den Schlaf zu stillen, wahrscheinlich wird es sogar schneller vorbei sein, als Du es dir jetzt vorstellen kannst.
Ich möchte dir zu diesem Thema das Buch „Schlafen und Wachen ein Elternbuch für
Kindernächte“ von Dr. William Sears empfehlen. Dr. Sears (Professor für Kinderheilkunde) hat
zusammen mit seiner Frau Martha einige Bücher zum Thema Schlaf und Kindererziehung
geschrieben, in die nicht nur sein Wissen als Kinderarzt sondern auch die reichhaltige eigene
Erfahrung als achtfache Eltern eingeflossen sind. In „Schlafen und Wachen“ beschreibt er nicht
nur, warum Kinder so schlafen, wie sie es nun einmal tun und wo sie am besten schlafen, er gibt
auch Tipps wie Eltern und Kinder zu ruhigeren Nächten kommen können. Das Buch ist im
Buchhandel, bei der La Leche Liga und bei jeder LLL Stillberaterin erhältlich.
Sehr empfehlenswert ist auch von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder." Von ihr ist auch die Broschüre "Kinder brauchen uns auch nachts", in der 20 namhafte Experten wie Dr. William Sears, Prof. Dr. Gerald Hüther und Prof. Dr. Remo Largo gute Argumente liefern , weshalb von der Anwendung eines Schlaftrainings, wie zum Beispiel der Ferber-Methode, abzuraten ist.
http://www.fuerkinder.org/files/broschre_kinder_brauchen_uns_auch_nachts_de.pdf
Statt nun zu versuchen, Euer Kind zu längeren Abständen zu bringen, kannst Du es ja vielleicht mit einem anderen Ansatz versuchen:
• nimm ALLE Hilfe an, die Du bekommen kannst. Erkundige dich mal, ob Du nicht eine Haushaltshilfe bekommen kannst (wegen absoluter und chronischer Erschöpfung). Möglicherweise kann dir auch deine Mutter, Schwiegermutter, Schwester oder eine Freundin (selbstverständlich auch das männliche Pendant dazu) etwas unter die Arme greifen. Das können ganz simple Dinge sein z.B. einmal alle Fenster putzen, deinen Bügelkorb leerbügeln, einige vorgekochte Mahlzeiten für deine Tiefkühltruhe, ein Nachmittag Babysitten während Du in die Sauna gehst oder sonst etwas für dich tust ...
• Vielleicht findest einen verantwortungsbewussten Teenager, der gegen geringes Entgelt bereit ist, mit deinem Kind spazieren zu gehen. In dieser Zeit solltest Du dann aber wirklich entweder schlafen (bzw. ruhen) oder DIR etwas Gutes tun.
• Lass den Haushalt auf Sparflamme laufen. Nicht alles muss gebügelt werden. Wenn Handtücher nach dem Baden und Duschen wieder aufgehängt werden, statt auf dem Fußboden zu landen, können sie mehrmals benutzt werden, das spart Wäsche. Es ist nicht wesentlich mehr Arbeit die doppelte Menge Spaghettisoße zu kochen, aber Du hast dann eine fast fertige Mahlzeit für die Tiefkühltruhe. Es schadet nicht der Gesundheit der Familie, wenn Du die Fenster erst wieder im nächsten Jahr putzt. Du wirst sicher einiges finden, was im Haushalt nicht so perfekt gemacht werden muss.
• Achte darauf, dass Du genügend isst und trinkst. Du musst keine perfekten Menüs kochen und essen, einigermaßen ausgewogen reicht und es darf auch Tiefkühlgemüse statt frischem Gemüse sein (dann sparst Du dir auch das Schälen und Putzen). Eine hungrige Mutter ist nicht so belastbar.
• Eine Möglichkeit für die Nacht ist es, dass statt dir dein Partner die Nachtschicht bzw. das zu Bett bringen zum Teil übernimmt. Also nicht Du wendest dich jedes Mal dem Kind zu, sondern ihr wechselt euch ab und da ein Mann keine Brust zum Stillen hat, wird er euer Kind auf andere Weise beruhigen müssen. Das Verändern von Ritualen kann helfen.
• Schau nach vorne. Die anstrengende Zeit wird vorübergehen. Auch dein Kind wird älter und reifer werden und nicht mehr soooo viel Aufmerksamkeit brauchen.
Kurz: beschränke viel Dinge auf das absolut Notwendige, so dass Du auf diese Weise mehr Zeit für dich bekommst. Diese „gewonnene" Zeit kannst Du dann dazu nutzen, dich wieder zu erholen, neue Energie zu tanken und auch zu einem ruhigen Gespräch und Nähe mit deinem Mann.
Vergiss dich selbst nicht: Gönne dir etwas Gutes, dann lassen sich so anstrengende Phasen leichter überstehen.
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 06.10.2015