Liebe Frau Welter,
mein Sohn (11 Monate) ist ein Stillbaby durch und durch und wir genießen dies beide. Abstillen ist für uns beide daher noch kein Thema (ich würde gerne der WHO-Empfehlung folgen und ihn mind. 2 Jahre stillen). Allerdings ist er nachts sehr häufig an der Brust und ich mache mir Gedanken um seine Zähnchen, da die Muttermilch ja auch zuckerhaltig ist. Bisher hat er nur die beiden unteren Schneidezähne, aber das wird sich in den nächsten Monaten ja ändern. Unsere Zahnärztin empfahl, nachts nach dem Stillen mit dem Fingerling über die Zähne zu gehen. Wirklich praktikabel ist dies für uns jedoch nicht - wegen der Häufigkeit des Stillens und der Tatsache, dass wir im Liegen und - beide - "im Halbschlaf" stillen... Daher frage ich mich nun, wie ich umgehen soll mit der Situation? Sprich: Was kann ich tun, damit mein Sohn nachts weniger häufig an die Brust will (wir bieten ihm abends seinen Milchbrei an, von dem er mal, mal weniger viel isst, und Fingerfood)? Oder gibt es da nicht wirklich eine Lösung - außer doch, mit zunehmender Anzahl der Zähnchen, in Richtung Abstillen zu denken?
Ganz herzlichen Dank schon im Voraus für Ihre Hilfe.
Beste Grüße
awg
von
awg
am 04.05.2023, 14:25
Antwort auf:
Wie die Häufigkeit des nächtlichen Stillens reduzieren?
Liebe awg,
weder Langzeitstillen noch nächtliche Stillen leistet entgegen der immer wieder geäußerten Meinung dem Karies Vorschub. Lange gestillte Kinder, die auch zum Einschlafen und während der Nacht gestillt werden haben nicht mehr Karies als andere Kinder, eher im Gegenteil. Beim Stillen werden die Zähne nicht ständig mit Milch umspült, schon gar nicht die Schneidezähne (!), da im Gegensatz zu einem mit der Flasche gefütterten Kind die Milch erst weit hinter den Zahnleisten in den Mund gelangt und von dort direkt geschluckt wird. Die Milch läuft ja aus der Brust nicht einfach aus (wie das bei der Flasche der Fall ist), das Kind muss aktiv arbeiten und schluckt dann auch.
Gestillte Kinder und auch langzeitgestillte Kinder bzw. noch lange während der Nacht gestillte Kinder haben nicht mehr Karies als nicht gestillte Kinder und wenn es zu Karies kommt, dann nicht wegen, sondern trotz des Stillens.
Karies wird durch ein Bakterium verursacht (streptococcus mutans), das die meisten Erwachsenen in ihrem Mund haben. Wenn ein Baby auf die Welt kommt, ist sein Mund in aller Regel noch frei von diesem Bakterium und meist bleibt dies zumindest so lange so, bis der erste Zahn da ist, bei manchen Kindern kommt es auch erst deutlich nach dem ersten Zahn zu einer Besiedelung mit Streptococcus mutans. Ein ganz wesentlicher Übertragungsweg ist übrigens das Ablecken eines runtergefallenen Schnullers durch die Mutter (oder sonst einen Erwachsenen) und das gemeinsame Benutzen eines Löffels oder das Vorkosten des Breis mit dem gleichen Löffel, wie er zum Füttern benutzt wird.
Ob ein Mensch (vermehrt) Karies bekommt oder nicht, hängt auch noch von weiteren Faktoren ab: wie gut oder schlecht hat sich die Mutter in der Schwangerschaft ernährt; waren in der Schwangerschaft Antibiotika notwendig; hatte die Mutter in der Schwangerschaft Erkrankungen, die mit hohem Fieber einhergingen; kommen in der Familie genetisch bedingt gehäuft Schmelzdefekte vor; ist das Kind zu früh geboren ...
Hier kannst du ein sehr informatives, fundiertes Video dazu anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=sbhR1gmUms4
Harry Torney, ein britischer Zahnarzt hat in Nottingham auf einer LLL Europakonferenz einen Vortrag zum Thema "Breastfeeding and Dental Health" gehalten und in seinem Vortrag aufgezeigt, dass es keinen Zusammenhang mit vermehrtem Auftreten von Karies und Langzeitstillen gibt.
Er hat auch eine Arbeit darüber veröffentlicht: "Prolonged, on demand breastfeeding and dental caries an investigation, Torney PH, M Dent Sc thesis, Trinity College, Dublin 1992
Du kannst natürlich das nächtliche Stillen trotzdem reduzieren.
Wenn du nicht mehr ständig stillen möchtest, wird es am besten sein, wenn du schrittweise vorgehst, z.B. in dem du zunächst eine gewisse stillfreie Zeit in der Nacht einführst.
Dein Kleiner wird sicherlich schimpfen und toben, aber in diesem Alter kann er langsam lernen, dass er nicht immer an die Brust darf.
Bleibe liebevoll, aber konsequent, dann schafft ihr das!
Ganz liebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 04.05.2023