Meine Tochter ist heute 16 Tage alt. Nach einer langen Geburt mit anschließender Kürettage konnte ich sie direkt anlegen und sie hat von Anfang an immer gut gesaugt und einen großen Teil der Brust mit weit geöffnetem Mund gefasst. Anfangs hatte ich etwas rissige Brustwarzen, nach leichter Korrektur der Anlagetechnik ist dies vergangen und nur noch ein kurzer Moment nach dem Anlegen bisweilen leicht schmerzhaft, die Gewichtszunahme läuft hervorragend, die Windeln sind regelmäßig voll.
Grund für die Kontaktaufnahme mit Ihnen ist nun dass es immer wieder, beinahe täglich, zu Phasen kommt in denen die kleine Maus über viele Stunden (manchmal bis zu 8h, mal tagsüber mal nachts) nach der Brust verlangt. Oft nuckelt sie dann auch nur kurz, "rutscht ab" und schreit direkt wieder ganz verzweifelt. Auf anderem Wege beruhigen als durch erneutes Anlegen lässt sie sich dann nicht. Allenfalls meinem Mann gelingt es sie für eine begrenzte Zeit abzulenken.
Zwischendrin trinkt sie in diesen Phasen dann auch mal normal, manchmal will sie jedoch auch angelegt werden ohne dann auch nur ein einziges mal zu saugen. Mir ist bewusst, dass dies sicherlich auch Ausdruck eines Bedürfnisse nach Nähe ist. Aber die Situation ist für mich zwischenzeitlich doch recht anstrengend und die Kleine hat auch durch das Familienbett und tagsüber extrem viel Körperkontakt mit uns. Tatsächlich kommen wir kaum vor die Tür, weil wir ja nicht alle 2 Meter zum Stillen anhalten können (sowohl in der Trage als auch im Kinderwagen fängt die Kleine nach einer begrenzten Zeit an zu schreien). Essen und Trinken muss ich oft einhändig während des Stillens. Ich frage mich, wie ich demnächst Termine z.B. beim Kinderarzt wahrnehmen soll. Zudem kann auch eine normale Stillmahlzeit bei uns bis 2h dauern. Zwischenzeitlich macht die Kleine dazwischen auch manchmal Pausen bis zu 4h. Am liebsten stillen wir im Liegen.
Abgesehen davon ist unsere Tochter bisher eher unproblematisch. Jedes Schreien scheint grundsätzlich mit dem Bedürfnis nach gestillt werden zusammenzuhängen, mit allen dazugehörigen Gesten (Hände zum Mund, Saugen an Fingern) und lässt sich übers Anlegen auch entsprechend beruhigen.
Meine Nachsorgehebamme kann mir leider nicht viel dazu sagen, ist aber auch keine Stillberaterin.
Kann es sein, dass ich etwas falsch mache?
von
Nakar
am 02.07.2018, 17:31
Antwort auf:
Verbesserung möglich? Dauerstillen.
Liebe Nakar,
das„Marathonstillen“ ist in diesem Alter so weit verbreitet, dass es als „normal“
angesehen werden sollte. Der Fachausdruck dafür lautet „Cluster Feeding“. So kleine Babys
wollen häufig, aber vor allem in unregelmäßigen Abständen gestillt werden und fast alle Babys
haben eine Tageszeit, zu der sie fast ununterbrochen an der Brust trinken (oder auch nur nuckeln) wollen.
Das Marathonstillen kann für Sie sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen
Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die
Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, dass die Milchbildung angeregt wird und
genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht.
Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einig, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte und Ihr Baby ist im klassischen Alter dafür.
Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das „Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch.
Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt.
So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Altersstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen.
Babys in diesem Alter haben jedoch auch oft eine geradezu „klassische“ Unruhephase am Abend. Nicht
immer ist Stillen dann die Lösung.
Diese unruhige Zeit ist so verbreitet, dass es im englischen Sprachraum sogar einen Ausdruck
dafür gibt: Omastunde , d.h. dass jetzt eine liebevolle Großmutter gebraucht wird, die nichts
Dringenderes vorhat, als das Baby zu wiegen und im Arm zu halten, bis seine Unruhe vorbei
ist.
Leider ist so eine Großmutter nicht immer verfügbar und der Vater des Babys ist auch nicht
unbedingt zu diesen Zeiten zuhause. Doch es kann für Sie und das Baby eine große
Erleichterung bedeuten, wenn jemand anderes dann einspringt. Der Wechsel in andere
liebevolle Arme und eine andere liebevolle Stimme bewirken oft, dass sich ein aufgebrachtes
Baby beruhigt. Vielleicht können Sie dann in Ruhe unter die Dusche gehen, einen kleinen
Spaziergang an der frischen Luft machen oder sonst etwas für sich tun. Bei den meisten
Babys legt sich dieses Verhalten Gott sei Dank, wenn sie etwa drei Monate alt sind.
So schwer es auch fällt, es ist wichtig, in dieser Situation nicht in Hektik und Aufregung zu
verfallen. Je mehr Sie versuchen um das Kind zu beruhigen und je hektischer Sie werden, um so
aufgedrehter kann auch das Baby werden und dann ist man schnell in einem Kreislauf, der
nur mehr schwer zu durchbrechen ist. Weniger ist hier oft mehr.
Der Punkt ist, dass der Fokus vom Kind genommen wird, dass sich nicht mehr alle Anspannung
auf das Kind konzentriert und es so die Gelegenheit bekommt, sich wieder zu entspannen und
zu beruhigen. Der Teufelskreis der Anspannung, die sich auch bei den Eltern aufbaut und so das
Kind immer unruhiger werden lässt, muss durchbrochen werden. Das kann manchmal auch
dadurch erfolgen, dass das Baby auf eine Decke gelegt wird und die Mutter oder der Vater es
durch unaufgeregtes, leises Sprechen und sanftes Streicheln beruhigt. Manche Eltern setzen sich
in dieser Situation sogar mit ihrem Kind ins Auto und fahren ein paar Kilometer :-).
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Kind saugen möchte, aber keine Milch mehr mag, können Sie entweder über einen längeren Zeitraum immer die gleiche Brust anbieten (aus der die Milch
dann nicht so stark fließen wird) oder aber Sie bieten ihm einen Finger (das muss nicht
unbedingt dein Finger sein, Väter haben auch Finger und können Babys tragen) zum Saugen an.
Den Schnuller würde ich in diesem Alter nicht geben, da er zu Saugverwirrung führen kann.
Sollten Sie Zeit zum Lesen haben, so möchte ich Ihnen das Buch „Das 24-Stunden-Baby“ von
Dr. William Sears empfehlen. Dr. Sears gibt viele Anregungen wie Eltern mit ihrem
besonders anstrengenden Baby (er nennt sie Babys mit erhöhten Bedürfnissen ) umgehen
können.
Die Abstände können mit der Zeit durchaus länger werden, eine Garantie gibt es leider nicht.
Ich kann Ihnen gerne empfehlen, einmal ein Stillgruppentreffen zu besuchen. Viele Unsicherheiten lassen sich im direkten Gespräch sehr viel besser ausräumen und der Austausch mit anderen stillenden Müttern kann sehr ermutigend sein und vor allem werden Sie sehen und erleben, dass sich andere Babys genau so verhalten wie Ihr kleines Menschlein.
Adressen von Stillberaterinnen finden Sie im Internet unter:
http://wwwlalecheliga.de (Stillberaterinnen der La Leche Liga), http://www.afs-stillen.de (Stillberaterinnen der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen) oder http://www.bdl-stillen.de (Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC).
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 02.07.2018