Sehr geehrter Herr Professor Costa,
leider gehört der Bauernhof, von dem wir in Niedersachsen unsere Eier beziehen, ebenfalls zu den Verbrauchern des mit Dioxin verseuchten Futtermittels. Gerade über die Feiertage hatten wir einen hohen Pro-Kopf-Verbrauch an Eiern (ca 2-3 pro Tag über einen Zeitraum von 10 Tagen).
Ich bin in der 16. SSW und mache mir Sorgen um eine mögliche Schädigung des Embryos.
Ist ein erhöhter Dioxinwert im Blut nachweisbar? Wenn ja, wie lange? Welche Schäden sind zu befürchten?
Über eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.
hannah
Mitglied inaktiv - 06.01.2011, 17:58
Antwort auf:
Dioxin verseuchte Eier gegessen, 16 SSW
Es ist absolut verständlich, dass Sie diese Frage stellen, nachdem wir seit Dezember von den Medien mit immer verrückteren Nachrichten konfrontiert werden. Ich hoffe nur, dass die Firmen, die wissentlich die hohe Dioxinbelastung vertuscht und die Futtermittel weiter verkauft haben, solche Strafen bekommen, dass sie von der Erdoberfläche verschwinden.
Die Messung von Dioxinwerten im Blut ist sehr aufwändig und teuer, sie gehört nicht zu den gängigen (Routine-) Bestimmungen in der Medizin.
Es gibt nur wenige Vergleiche in der Geschichte der Medizin, die man heranziehen kann. Vor vielen Jahren gab es eine "Dioxin-Katastrophe" in Seveso/Italien, und im Jahre 2004 gab es wohl einen Anschlag mit Dioxin auf den damaligen Präsidenten des Landes, Juschtschenko. Wenn Sie bedenken, dass Juschtschenko eine 50 000 fach höhere Blutkonzentration hatte als jene, die man als normal bezeichnet, und das überlebt hat, dann müssen wir davon ausgehen, dass der Mensch wesentlich mehr Dioxin-Gift verträgt als bisher angenommen.
Den Zeitungsartikel aus der Neuen Zürcher Zeitung füge ich hier bei, weil er doch ganz interessant und, wie ich meine, in der heutigen Situation etwas beruhigend wirken kann.
Wenn man bei Ihnen eine Blutuntersuchung durchführen würde, ist es leider so, dass das ohne Konsequenzen bliebe - eine echte Behandlung gibt es nicht, man würde lediglich abwarten, bis Sie das Dioxin aus dem Körper ausscheiden. Aussagen über etwaige Probleme beim Kind kann man nicht mit Sicherheit treffen.
Trotzdem meine ich, dass Sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Auch wenn die von der EU zugelassenen Grenzwerte überschritten sein sollten, kann der Verzehr von einigen Eiern nicht zu einer schwerwiegenden Vergiftung geführt haben. Zumal Sie offenbar keinerlei Krankheitszeichen haben.
Selbstverständlich sollten Sie in den nächsten Wochen keine Eier und eihaltige Produkte essen und auch kein Geflügelfleisch. Außer der regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen beim Frauenarzt brauchen Sie sonst nichts machen.
NZZ 5. August 2009
Fünf Jahre nach der Dioxinvergiftung des heutigen Präsidenten der Ukraine, Viktor Juschtschenko, haben Schweizer Forscher erstmals medizinische Daten des Falles in einem Fachmagazin präsentiert. Juschtschenko schied das Gift demnach rascher aus als erwartet.
(sda) Der Körper Juschtschenkos habe innert nicht einmal 16 Monaten das Dioxin zur Hälfte abgebaut, teilte die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa, die an den Untersuchungen beteiligt war, am Mittwoch mit. Bisher sei man von einer Halbwertszeit von fünf bis zehn Jahren ausgegangen. Die hohe Dosis habe den Körper offenbar veranlasst, die Produktion von Enzymen zu erhöhen, welche für den Dioxinabbau verantwortlich sind.
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Abbauprodukte identifiziert
Die Dioxinkonzentration, die Ende 2004 in Juschtschenkos Blut gefunden worden war, war 50 000 Mal höher als jene in der normalen Bevölkerung. Unter der Leitung von Jean-Hilaire Saurat vom Universitätsspital Genf, der den ukrainischen Präsidenten behandelte, untersuchten die Forscher auch, wie das Dioxin ausgeschieden wurde. Insgesamt liess sich Juschtschenko dafür über einen Zeitraum von drei Jahren über 100 Proben von Blut, Urin, Stuhl, Schweiss, Haut, Hautzysten und Fettgewebe nehmen.
Der grösste Teil des Giftes verliess den Körper über den Verdauungstrakt, wie die Forscher im Fachmagazin «The Lancet» berichten. Dem Team gelang es zudem, erstmals zwei Abbauprodukte des Dioxins im Stuhl, Blut und Urin zu identifizieren und zu quantifizieren. Von dem in den drei Untersuchungsjahren abgebauten Dioxin verliessen rund 60 Prozent den Körper Juschtschenkos in seiner ursprünglichen Form. Die restlichen 40 Prozent wandelten sich zu Abbauprodukten um. Bei Dioxinvergiftungen müssten deshalb auch Abbauprodukte im Auge behalten werden, schliessen die Forscher daraus.
Dioxine sind Gifte, die als Nebenprodukt bei Verbrennungsprozessen beispielsweise in der Kehrichtverbrennung entstehen. Das im Körper Juschtschenkos nachgewiesene TCDD ist das giftigste der über 2000 bekannten Dioxine. Laut dem Empa-Communiqué muss, weil lediglich reines TCDD gefunden wurde, von einer absichtlichen Vergiftung ausgegangen werden.
Entstelltes Gesicht
Der damalige Oppositionsführer Viktor Juschtschenko erkrankte im Wahlkampf 2004 plötzlich schwer. Erst nach drei Monaten fanden Ärzte heraus, dass es sich um eine Dioxinvergiftung handelte. Auf die richtige Spur führte die Mediziner dabei die auffälligen Geschwulste und Zysten im Gesicht des Politikers, die Chlorakne genannt werden und ein Symptom der Dioxinvergiftung sind.
Juschtschenko musste sich am Universitätsspital Genf und in anderen Kliniken auch rund 25 hautchirurgischen Eingriffen unterziehen. Wer für die Vergiftung verantwortlich ist, konnte bisher nicht geklärt werden. In der Ukraine wird oft Russland verantwortlich gemacht, weil Juschtschenko bei den Wahlen 2004 gegen einen von Moskau unterstützten Bewerber antrat.
von
Prof. Dr. med. Serban-Dan Costa
am 09.01.2011