Wie lange kann ich mein Kind ausschließlich stillen?

 Kristina Wrede Frage an Kristina Wrede Stillberaterin

Frage: Wie lange kann ich mein Kind ausschließlich stillen?

Guten Tag! ich brauche einen Rat, der mich beruhigt. Meine kleine ist nun 9 Monate und wird noch ausschliesslich gestillt, da sie keine Beikost verträgt. Nach dem Verzehr von Beikost treten nachts starke Bauchschmerzen bei ihr auf, die sie nicht schlafen lassen. Ich habe es mit Brei, Fingerfood vorher und nachher stillen und beides probiert. Es war immer dasselbe Resultat. Ansonsten isst sie sehr gerne und verlangt sehr danach. Sie zeigt auch alle Beikistreifezeichen. Ich habe kein Problem sie weiter zu stillen und zunehmen tut sie auch gut. Allerdings sind andere wie unser Kinderarzt und unsere Familienangehörigen deswegen sehr besorgt. Bitte um Rückmeldung, ob dies tatsächlich noch ein Fall der Darmunreife sein kann. herzlichen Dank und viele Grüße

von Diana993 am 21.12.2018, 09:32



Antwort auf: Wie lange kann ich mein Kind ausschließlich stillen?

Liebe Diana993, ich bin kein Arzt, doch ich weiß, dass Darmreife dazu führt, dass Beikost (besser) vertragen wird. Und dass in der Regel ein gesundes, voll ausgetragenes Kind genau weiß, wann es sie verträgt und entsprechend auswählt, was es essen mag. Bei deiner Maus scheint das anders zu sein. Sie möchte essen, verträgt es aber nicht. Die Frage wäre, ob ihr mal in Ruhe ein Lebensmittel nach dem anderen ausprobiert habt, z.B. eine Woche nur Kartoffel. Auf diese Weise ist es einfacher auszuschließen, was ihr Probleme macht. Wenn das nämlich gut geht, dann aber, wenn zur Kartoffel noch Möhre kommt, das Bauchweh los geht, weißt du, die Karotten sind noch nix für sie. Was wäre denn die Alternative? Der Arzt kann ein Blutbild machen lassen, wenn er Angst hat, dass deine Maus eine Mangelernährung hat.Muttermilch IST nahrhaft, auch jetzt noch. Mangelerscheinungen wären in der Regel sichtbar, z.B. Eisenmangel, der u.a. zu Antriebslosigkeit und Blässe führt, und der mit Vitaminen supplementiert werden könnte. Der spanische Kinderarzt Carlos González hat ein sehr kluges Buch zu dem Thema geschrieben: Mi niño no me come (Mein Kind will nicht essen). Das wäre sicher interessant für dich - und lehrreich auch für die Fachleute. :-) Dr. Gonzalez hat eine Aufstellung gemacht, wie viel Muttermilch (MM) ein Baby im Alter zwischen neun und zwölf Monaten benötigt, um den empfohlenen Bedarf an verschiedenen Nährstoffen zu decken: Energie: 830 kcal = 1185 ml MM Eiweiß: 9,6 g = 910 ml MM Vitamin A: 350 µg = 700 ml MM Vitamin B: 0,4 µg = 412 ml MM Vitamin C: 25 mg = 625 ml MM Diese Angaben zeigen, dass Muttermilch den Bedarf des Kindes an vielen Nährstoffen lange zu decken vermag und nicht unbedingt Eile geboten ist, das Kind zum Essen zu zwingen. Und: Wenn du vergleichst, wie viele Kalorien die verschiedenen Nahrungsmittel haben, wird schnell klar, dass Stillen weiterhin ganz wichtig ist! Auf jeden Fall so wichtig, dass es nicht durch Beikost ERSETZT werden sollte!!! So haben z.B. Karotten gerade mal 22 kcal pro 100 g, im Gegensatz zu Muttermilch mit gut 68 kcal pro 100g. Die Beikost bekäme nur durch die Zugabe von Fett deutlich mehr Kalorien! Auf einer Konferenz in Birmingham hat er mal einen Vortrag zum Thema Beikost gehalten. Unten füge ich dir einen Auszug daraus an. Er spricht zwar nicht exakt euer Problem an, ist aber vielleicht trotzdem interessant. Lieben Gruß, Kristina Mein Kind will nicht essen Vortrag von Dr. Carlos Gonzales auf der LLL Europa Konferenz 2000 in Nottingham, zusammengefasst von Denise Both, IBCLC Dr. Carlos Gonzales ist Kinderarzt in Barcelona. In den letzten zwölf Jahren hat er Vorträge bei zahlreichen La Leche Liga Konferenzen gehalten. Er gründete ACPAM (eine katalanische Stillorganisation), organisiert Stillkurse für medizinisches Fachpersonal in ganz Spanien, übersetzte Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins spanische und ist Mitglied des Medizinischen Beirates von LLL International. Dr. Gonzales ist Vater von drei gestillten Kindern. 1999 hat Dr. Gonzales sein Buch "Mi niño no me come" (auf Deutsch bei La Leche Liga erschienen unter dem Titel "Mein Kind will nicht essen") veröffentlicht und mit diesem Thema beschäftigte sich auch sein Vortrag in Nottingham. "Mein Kind isst nicht(s)" das ist einer der Sätze, mit denen Kinderärzte fast täglich in ihrer Praxis konfrontiert werden. Besorgte Mütter berichten entsetzt, wie wenig ihre Kinder essen und schildern mit welchen Tricks sie versuchen, Nahrung in ihr Baby oder Kleinkind hineinzuzwingen. Der Kampf ums Essen spielt sich täglich ab und letztlich gibt es nur Verlierer. Dr. Gonzales erklärte in seinem Vortrag, dass er nun nicht ein Patentrezept liefern mag, mit dem erreicht wird, dass das Kind isst, sondern er will erklären, warum das Kind nicht isst. Zunächst einmal gibt es drei Gründe, warum ein Kind nicht isst: es gibt nichts zu essen, das Kind hat keinen Hunger oder das Kind ist krank. Der erste Grund ist in unserer Gesellschaft meist auszuschließen. Ein gesundes Kind isst in der Regel wenn es hungrig ist, allerdings nicht immer das, was die Mutter möchte und schon gar nicht so viel wie es nach den Vorstellungen der Mutter essen müsste. Verwunderlich ist dabei, dass die Kinder noch nicht verhungert sind, obwohl sie laut Aussage der Mütter "nichts" essen. Gestillte Babys lehnen oft feste Nahrung über einen langen Zeitraum ab, nicht selten bis zum Alter von acht Monaten oder gar einem Jahr. Die Mutter verzweifelt und das Kind leidet, weil ständig versucht wird, es zum Essen zu überreden oder gar zu zwingen. Wie kommt es nun dazu, dass (anscheinend) immer mehr Kinder die Nahrungsaufnahme verweigern? Und ist es notwendig ein Kind zum Essen zu zwingen? Dr. Gonzales vergleicht, wie sich die Empfehlungen, wann das Baby feste Nahrung erhalten beziehungsweise wie lange es ausschließlich gestillt werden sollte, im Verlaufe der letzten 100 Jahre verändert haben. Dann hat er das "Phänomen" der nicht essenden Kinder sowie die Sorge der Mütter, dass Ihre Kinder nicht essen, anhand der diesbezüglich in Kinderpflegebüchern auftretenden Ratschläge beleuchtet und einen erstaunlichen (oder vielleicht doch nicht erstaunlichen) Zusammenhang gefunden: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in spanischen Büchern zur Säuglingspflege eine Zeit von zwölf Monaten mit ausschließlicher Muttermilchernährung empfohlen. Gleichzeitig findet sich nirgends ein Hinweis in diesen Büchern, wie mit einem Kind zu verfahren sei, das nicht essen will. Je weiter das Jahrhundert fortschreitet, um so jünger sollen die Kinder laut den Empfehlungen der diesbezüglichen Bücher sein und: um so mehr Ratschlage gibt es, was mit einem Kind zu tun sei, das nicht essen will. Wird zu Beginn der dreißiger Jahre noch nur ganz kurz auf dieses Thema eingegangen, so sind 30 Jahre später schon seitenweise Abhandlungen zu finden, was mit einem die Beikost (im Alter von drei bis sechs Monaten) verweigernden Kind zu tun sei und die Seitenzahlen zu diesem Thema werden von Jahr zu Jahr mehr. Wie viel Nahrung braucht ein Kind? Der Nahrungsbedarf eines Kindes hängt ab von seiner Körpergröße, seiner Aktivität und vom Wachstum des Kindes. Allerdings ist es nicht so, dass das Kind wächst, wenn es isst, sondern umgekehrt, das Kind isst, wenn es wächst. Der Nahrungsbedarf des Kindes lässt sich daher nicht pauschal bestimmen. Am ehesten gelingt dies, wenn das Kind sich in einer Wachstumsphase befindet, dann lässt sich eine Relation zwischen Gewicht des Kindes und erforderlicher Nahrungsmenge herstellen. Ein Kind im Alter zwischen einem und vier Jahren benötigt etwa 1000 bis 1100 kcal pro Tag (das entspricht etwa 102 kcal pro Tag und kg Körpergewicht). Nun gibt Dr. Gonzales an, was ein "nicht essendes Kind" täglich nebenbei zu sich nimmt: 1/2 l Milch (335 kcal), einen Becher Joghurt mit Früchten (141 kcal), einen Schokoriegel (275 kcal) und 150 ml Apfelsaft (85 kcal). Zusammen ergibt das bereits eine Kalorienaufnahme von 836 kcal. Wie soll das Kind dann noch zwei komplette weitere Mahlzeiten essen können, wenn es seinen Kalorienbedarf bereits zu gut 80 Prozent quasi "nebenbei" gedeckt hat? Wie lange kann ein Baby ausschliesslich mit Muttermilch ernährt werden? Die derzeit verbreitetste Empfehlung lautet, dass ein Baby mit sechs Monaten zusätzliche Beikost ergänzend zur Muttermilch benötigt. Nun gibt es aber bekanntermaßen viele gestillte Kinder, die zu diesem Zeitpunkt noch keine Beikost akzeptieren. Dr. Gonzales hat deshalb eine Aufstellung gemacht, wie viel Muttermilch (MM) ein Baby im Alter zwischen neun und zwölf Monaten benötigt, um den empfohlenen Bedarf an verschiedenen Nährstoffen zu decken: Energie: 830 kcal = 1185 ml MM Eiweiss: 9,6 g = 910 ml MM Vitamin A: 350 µg = 700 ml MM Vitamin B: 0,4 µg = 412 ml MM Vitamin C: 25 mg = 625 ml MM Diese Angaben zeigen, dass Muttermilch den Bedarf des Kindes an vielen Nährstoffen lange zu decken vermag und nicht unbedingt Eile geboten ist, das Kind zum Essen zu zwingen. Ohnehin sind die Empfehlungen dazu, wie viel ein Baby benötigt meist zu hoch. Die Empfehlungen beruhen beispielsweise darauf, dass untersucht wird, welche Mengen gesunde, reif geborene Babys im Durchschnitt essen. Daraus werden Richtwerte berechnet, die sich immer an den Höchstmengen orientieren und zusätzlich noch Sicherheitszuschläge enthalten. Babys benötigen auch weniger Eisen, als meist angegeben wird. Dabei lässt sich beobachten, dass die meisten Kinder instinktiv das essen, was bei einem Mehrbedarf an Eisen sinnvoll ist. Babys sind Skeptiker, wenn sie neue Lebensmittel essen sollen. Dieses Misstrauen ist ein Schutzmechanismus, der das Kind davor bewahren soll, etwas zu essen, was ihm nicht bekommt. Bevorzugt isst ein Baby das, was auch seine Mutter isst, denn dieser Geschmack ist ihm durch die Muttermilch vertraut. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass ein Baby gekochte Karotten ablehnt, wenn die Mutter nie gekochte Karotten isst. Die meisten Babys mögen kein Gemüse, aber sie essen gerne Bananen, Nudeln und Süßigkeiten. Ein Vergleich der Kaloriendichte ergibt, dass Babys Nahrungsmittel mit einer größeren Kaloriendichte bevorzugen und Muttermilch liefert mehr Kalorien als Gemüse und die meisten Nahrungsmittel, aus denen Mahlzeiten für Babys hergestellt werden. Um die gleiche Menge an Kalorien, wie sie in 100 ml Muttermilch enthalten sind, durch den Verzehr von Karotten aufzunehmen, müsste das Kind fast 400 g gekochte Karotten essen! Daraus lässt sich ein Zusammenhang zwischen Unterernährung und Nicht Stillen erklären: da der Magen des Babys klein ist, benötigt es hochkalorische Kost. Gemüse kann nicht in so großen Mengen gegessen werden, wie es notwendig wäre, um das Kind mit genügend Kalorien zu versorgen. Laut Dr. Gonzales weiß das Kind ganz genau, was und wann es essen muss. Deshalb lautete sein Schlusssatz, den er den Zuhörern mit nach Hause gab: Zwingen Sie ein Kind niemals zum Essen. NIEMALS!

von Kristina Wrede am 21.12.2018