Baby schläft nachts nur durch stillen wieder ein

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Baby schläft nachts nur durch stillen wieder ein

Hallo, mein Sohn hatte seit der Geburt große Probleme beim Ein- und Weiterschlafen. Er wirkte immer sehr hektisch und konnte sich (auch bis heute) nicht entspannt in den Schlaf gleiten lassen. Im Kinderwagen schreit er sich in Rage - im Tragetuch schläft er nach 2 Minuten entspannt ein. Nun ist er schon 7 Monate und er wacht nachts immer noch alle 2 Std auf und schafft es dann nur durch Stillen wieder einzuschlafen. Auch tagsüber fordert er mich sehr und will nur auf den Arm. Ich gebe ihm viel Körperkontakt, aber ein bisschen Schlaf brauche ich auch. Nun frage ich mich, ob ich ihm das nächtliche Stillen entwöhnen soll oder nur noch jedes 2 mal durch Stillen beruhigen sollte o. Ä. Oder mache ich es dadurch nur noch schlimmer? Ich habe das Gefühl er hat sich dran gewöhnt und fordert die für ihn bequeme Art vehement ein. Soll ich seinen Bedürfnissen jedes mal nachgehen? Meine Kinderärztin meinte, in seinem Alter sollte er 6 Std am Stück schlafen können. Er hat in seinen ganzen 7 Monaten aber noch NIE länger als 3 Std am Stück geschlafen. Er lässt sich auch nur von mir ins Bett bringen und Flasche etc lehnt er vehement ab und schreit. Ich mache das alles wirklich gerne, fühle mich aber im Moment sehr ans Haus gefesselt. Andere Mütter verabreden sich abends und lassen ihre Kinder beim Vater. Ich muss bei sowas immer absagen oder mein Mann und Kind "leiden lassen". Nach dem Motto"Da muss er dann halt mal durch", habe ich bis jetzt noch nicht erzogen. Sollte ich ein bisschen härter werden? Ich habe irgendwie Sorge nicht richtig zu handeln. Würden Sie mir einen Rat geben? Herzliche Grüße

von Biene86 am 04.09.2018, 13:57



Antwort auf: Baby schläft nachts nur durch stillen wieder ein

Liebe Biene86, wenn es für Dich nicht sooooooo wichtig ist, alleine wegzugehen, dann schenke Deinem Kind die Zeit und die Nähe, die es wohl noch sehr sehr braucht. Ja, Dein Kind WIRD von ganz alleine länger schlafen und auch irgendwann durchschlafen, wenn Du ihm die Zeit schenkst. Auch ich war damals verunsichert und wurde als Glucke und sonstwas bezeichnet ;-). Heute sind meine Kinder meine größten Stützen und ich weiß, dass Achtsamkeit nichts mit Verwöhnen zu tun hat. Ist dir schon einmal aufgefallen, dass niemand fragt „Wann muss das Kind selbstständig atmen lernen" oder „Wann muss das Kind frei laufen können"? Beim ersteren geht jeder davon aus, dass dies eine Fähigkeit ist, die ein gesundes Kind selbstverständlich beherrscht und bei zweiten wird eine große Zeitspanne von vorne herein als normal angenommen. Nur beim Stillen, da wird dem Kind nicht die Kompetenz zugestanden, dass es auch diese Fähigkeit selbst und in dem für es passenden Tempo entwickeln wird. Da wird immer wieder behauptet, dass die Eltern das Kind entsprechend „trainieren" müssen. Wenn es DICH also nicht stört, dann schenke deinem Kind diese Zeit. Wie traurig ist es doch, dass wir unseren Menschenkindern kaum noch die natürliche Zeit gönnen, die sie zum gesunden Gedeihen brauchen. Es gibt keinen Grund, dass Du etwas daran ändern musst, dass Du dein Baby nach Bedarf stillst und auch in den Schlaf stillst, es sei denn DICH persönlich stört etwas daran. Auch die immer wieder geäußerten Argumente, das Baby würde auf diese Weise verwöhnt oder es würde so nie lernen alleine einzuschlafen bzw. nie wieder aus dem Elternbett ausziehen, sind nicht stichhaltig. Babys in diesem Alter können noch nicht verwöhnt werden und Kinder, die sich den Platz im Elternbett nicht erkämpfen oder ertrotzen mussten, ziehen von selbst aus dem Elternbett aus, sobald sie reif genug dafür sind. Im Gegensatz dazu wollen viele Kinder, die als Babys alleine schlafen mussten noch lange ins Elternbett, weil ihr Bedürfnis (noch) nicht gestillt wurde. Sobald ein Baby die nötige Reife hat, lernt es alleine (ein)zuschlafen und wird auch längere Schlafphasen haben. Genauso wie Du es beschreibst, machen es Mütter seit Urzeiten mit ihren Babys und es hat noch nie einem Baby geschadet. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!! Sehr empfehlenswert ist von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder." Von ihr ist auch die Broschüre "Kinder brauchen uns auch nachts", in der 20 namhafte Experten wie Dr. William Sears, Prof. Dr. Gerald Hüther und Prof. Dr. Remo Largo gute Argumente liefern , weshalb von der Anwendung eines Schlaftrainings, wie zum Beispiel der Ferber-Methode, abzuraten ist. http://www.fuerkinder.org/files/broschre_kinder_brauchen_uns_auch_nachts_de.pdf Dein Kind kann nicht "verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere: "Das Kind wird verwöhnt und verzogen. "Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit der herumziehst". So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird. Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird? Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, läßt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!" Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt? Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen: Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen. Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden. Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen. Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste. Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: „Tragen") Also, ganz klar: Du hast nichts falsch gemacht, und es liegt auch nicht an dir, dass dein Kleiner sich verhält, wie er sich verhält! (wäre es anders, warum glaubst du gibt es soooo viele Ratgeber zum Thema??) Ganz liebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 04.09.2018



Antwort auf: Baby schläft nachts nur durch stillen wieder ein

Hallo, ich bin doch immer wieder sehr verwundert, welche Meinung Kinderärzte zum Schlafverhalten von Babys haben. Solche Aussagen machen enormen Druck für die Mütter. Man fragt sich ständig, ob man was falsch macht. Aber du machst alles richtig. Es ist nunmal jetzt so wie es ist. Es wird nicht für immer sein. Wann dann Kind länger schläft, kannst du nicht beeinflussen. Mein Baby 8 Monate nimmt auch weder Schnuller, noch Flasche. Nur ich kann ihn ins Bett bringen. Er wacht auch noch sehr oft auf. Ich weiß, dass es hart ist. Aber irgendwann wird es sich ändern. Versuche wirklich die Zeit mit dem Baby zu genießen. Liebe Grüße Verena

von Verenchen123 am 04.09.2018, 20:27



Antwort auf: Baby schläft nachts nur durch stillen wieder ein

Vielen Dank für die liebe und ausgiebige Antwort. Ich werde weiter auf mein Bauchgefühl hören und nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Es verunsichert einen nur, wenn mann von Ärzten (auch hier im forum) solche Ratschläge bekommt.

von Biene86 am 04.09.2018, 21:13



Antwort auf: Baby schläft nachts nur durch stillen wieder ein

Deshalb stelle ich grundsätzlich nur Fragen an die Stillberaterinnen oder die Hebamme :-)

von Verenchen123 am 05.09.2018, 09:15



Antwort auf: Baby schläft nachts nur durch stillen wieder ein

Hallo, Ich finde du machst alles genau richtig und es sollte mehr Mamas wie dich geben! Meine Tochter ist 1 Jahr alt geworden und würde auch nie im Leben beim Papa bleiben,obwohl mein Mann natürlich sehr liebevoll ist. Aber Papa ist übertags natürlich arbeiten und sie ist 80%des Tages mit mir zusammen,da finde ich es ganz natürlich. Diese ganzen blöden Ratschläge kannst du besser direkt vergessen! Ich als Sozialpädagogin finde eher Kinder irritierend,die zu jedem hin gehen in dem Alter und sich nicht vergewissern wo Mama ist. LG

Mitglied inaktiv - 05.09.2018, 15:48



Antwort auf: Baby schläft nachts nur durch stillen wieder ein

Danke, das tut gut mal sowas zu hören...

von Biene86 am 06.09.2018, 12:59



Antwort auf: Baby schläft nachts nur durch stillen wieder ein

Meine Tochter war auch so (jetzt fast 3). Mit dem Schlafen wird es besser. Ich habe gelernt, auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Alles andere und gute Ratschläge bringen nix und nerven nur. Hör auf Deinen Bauch und Dein Kind! Ich gehe abends auch nicht viel weg. Nach dem Arbeitstag will ich zu ihr. Mit Freunden kann man auch am Wochenende was machen. Wie hat's eine Freundin von mir mal so treffend gesagt: "Sie werden so schnell groß. Bald brauchen sie uns nicht mehr und dann können wir immer noch auf den Putz hauen."

von Newyorkdoll am 06.09.2018, 15:04



Antwort auf: Baby schläft nachts nur durch stillen wieder ein

Hallo, Mein Sohn ist 5 Monate jung und schläft von Geburt an eigentlich immer bei bzw auf mir :) Ich dachte auch immer, dass ich irgendetwas falsch mache und dass er doch mittlerweile 5h durchschlafen müsste... Müsste, sollte, hin oder her. So langsam höre ich nur noch auf meinen Mutterinstinktund nicht mehr so sehr auf das Gerede der anderen. Ich muss meinen Kleinen in den Schlaf wiegen und nur durch mich lässt er sich nachts beruhigen, wenn er aufwacht. Wenn mich jmd fragt was Mutter sein heißt, sage ich mittlerweile "Aufopferung". Hört sich vllt negativ an. Aber ich denke es wird sich eines Tages lohnen, dass wir unsere Kinder "verwöhnt" haben. Solange sie gesund und glücklich sind, kommt mit Gottes Segen alles andere von selbst :)

von Newly88 am 10.11.2018, 20:21