Sehr geehrter Herr Dr. Bluni,
ich bin ungeplant schwanger geworden und wir würden aber in 3 Wochen unsere 2 wöchige Badereise nach Thailand antreten. Ich wäre beim Abflug in der 11. SSW,
Ich lese leider total unterschiedliche Meinungen bezüglich Langstreckenflüge und FSS. Bezüglich medizinischer Versorgung vorort, ist bereits alles abgeklärt - wir würden nach Koh Samui fliegen, wo es ein neues Krankenhaus nach westlichen Standard gibt!
Danke für Ihre Antwort!
Liebe Grüße aus Wien!
Jeanette
von
superjanet
am 18.06.2011, 11:19
Antwort auf:
Fernreise in der 11. SSW
Liebe Jeannette,
1. in der Schwangerschaft sollten die Reiseziele nicht nur wegen möglicher Durchfallerkrankungen schon gut ausgewählt werden, wenn es um Fernreisen geht. Darüber hinaus sollte sich die Schwangere darüber im Klaren sein, dass die medizinische Versorgungslage in ferneren Ländern nicht unbedingt deutschen Standards entspricht.
Wie das im Detail ist, sollte die Frau am besten vorher in Erfahrung bringen. Bei Durchfallerkrankungen sind die üblichen Behandlungen mit Flüssigkeitsersatz und ggf. mit Antibiotika angezeigt.
Zur Frage, welche Maßnahmen/Verhaltensregeln zur Vermeidung von Durchfallerkrankungen angesagt sind, kann man folgendes empfehlen:
Trinkwasser sollte nur aus verschlossenen Flaschen angeboten und getrunken werden
Ost immer selbst schälen (möglichst nicht vom Buffet nehmen)
Fleisch und Fisch sollten gut gekocht oder gebraten sein, (Muscheln meiden)
Wegen der Gefahr von Toxinen in manchen Fischen sollte man bei einer „Algenblüte“ im Wasser besonders kritisch die Fische auswählen
Zubereitete Speisen dürfen nicht bei Zimmertemperatur gelagert werden
Eiswürfel in Drinks, Speiseeis und offene Getränke meiden
Die Reisapotheke für Durchfallerkrankungen in der Schwangerschaft sollte die Wirkstoffe Ethacridinlactat und Tannalbumin enthalten.
Zu konkreten Medikamenten sollte der behandelnde Arzt wegen der strengen Indikationsstellung beraten.
In der Fachliteratur wird immer wieder eingehend darauf verwiesen, dass eine Schwangere möglichst nicht in Malaria-Endemiegebiete reisen sollte.
Reist die Schwangere dennoch, weil es sich nicht umgehen lässt, sollten durch Expositionsprophylaxe Stiche der dämmerungs-und nachtaktiven Anopheles-Mücken vermieden werden. Dazu dienen ab Einbruch der Dunkelheit lange Hemden, lange Hosen, Strümpfe und Schuhe, Repellentien für Hände und Gesicht und Moskitonetze.
Jede Tropenreisende sollte geimpft sein gegen Tetanus, Diphterie, Poliomyelitis, Masern, Mumps, Röteln,Varizellen und Hepatitis A. Entsprechend der endemischen Situation des Reiselandes werden Prophylaxe bzw. Impfungen gegen Malaria, GelbfieberTyphus, Hepatitis B, Meningokokkenmeningitis Japan-B-Enzephalitis,Tollwut und Cholera empfohlen.
Nach Möglichkeit sollten die Impfungen schon vor der Schwangerschaft verabreicht werden. Während der Schwangerschaft sind BCG, Masern, Mumps, Röteln und Varizellenimpfung kontraindiziert. Bei Auftreten von Fieber oder anderer Symptome bis zu 6 Monate nach der Rückkehr aus einem Malaria-Endemiegebiet muss unverzüglich eine Malaria ausgeschlossen werden.
2. die besten und tagesaktuellsten Informationen zu notwendigen Prophylaxen und Impfungen erhalten Sie beim Centrum für Reisemedizin unter
http://crm.de (zuletzt abgerufen am 15.12.2010) und bei der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin unter http://www.dtg.org (zuletzt abgerufen am 15.12.2010)
Auf beiden Seiten werden praktisch tagesaktuelle Empfehlungen
herausgegeben, auf die Sie sich verlassen können und es ist Ihnen möglich, praktisch nach jedem Reiseziel zu suchen.
3. fehlende Beschwerden und Risikofaktoren vorausgesetzt ist das Fliegen auch in der Schwangerschaft erlaubt. Dieses gilt auch für die Frühschwangerschaft, wobei das zweite Schwangerschaftsdrittel sicher am unbedenklichsten ist. Immer wieder geäußerte Hinweise auf mögliche negative Auswirkungen haben sich in keiner der großen Studien bestätigen können. Dieses bezieht auch Langstreckenflüge mit ein.
Wenn es aus frauenärztlicher Sicht auf Grund etwaiger Risiken oder Ereignisse in der Schwangerschaft Einwände gibt, sollte vom Fliegen selbstverständlich abgeraten werden.
Bei Langstreckenflügen bitte an die ausreichende Flüssigkeitsaufnahme, Magnesium, viel Bewegung und evt. Kompressionsstrümpfe denken.
Patientinnen in Terminnähe - laut Reglement der Lufthansa ab der abgeschlossenen 35.SSW, - und solche mit einer Risikoschwangerschaft, sollten nicht mehr fliegen bzw. bedürfen eines ärztlichen Attestes.
Zu den wenigen absoluten Kontraindikationen für das Fliegen zählt z. B. die Placenta praevia
Relative Kontraindikationen für das Fliegen wären z.B.
-Flug in Terminnähe
-Neigung zu Fehl- oder Frühgeburten in der Vorgeschichte
-Starker Nikotinabusus
-ausgeprägte Anämie
-Herzkreislauferkrankungen
-Angst beim Fliegen
-mehr als 120.000 Flugkilometer pro Jahr
Wie ist es mit der Strahlenbelastung durch die Höhenstrahlung?
Die Strahlenexposition bei Flugreisen ist deutlich abhängig von Flugroute, Flughöhe
und Fluglänge. Nach Datenlage scheint das teratogene Risiko aber als gering zu sein, denn bei einer Flugdauer von z.B. zwölf Stunden ergibt sich bei konservativer Berechnung eine Risikorate von 1:1,25-2,5 Millionen für das Auftreten von Fehlbildungen.
Was ist mit der Sauerstoffversorgung in der Höhe des Flugzeuges?
Durch die dem Feten über die Mutter zur Verfügung gestellte Sauerstoffmenge kann im Zusammenhang mit dem Fliegen in der zivilen Luftfahrt eine höhenbedingte Gefährdung des Feten durch Hypoxie in der gesamten Schwangerschaft ausgeschlossen werden.
Bei Reisen in das außereuropäische Ausland und in die USA bitte daran denken rechtzeitig eine zusätzliche Auslands-Krankenversicherung abzuschließen, da die Gesetzliche Krankenversicherung hier keine Kosten übernimmt und die meisten Privaten Kassen auch nur den in Deutschland üblichen Satz.
VB
Quellen
Seminar «Schwangerschaft und Reisen» (Vorsitz: Prof. R. Huch, Prof. B. Langer) anlässlich der Jubiläumstagung der Oberrheinischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 29. April 2005 in Zürich
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von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 18.06.2011