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Sammeln fuer Veteranen/Poppy Appeal

Thema: Sammeln fuer Veteranen/Poppy Appeal

Meine Tochter hat mir heute erzaehlt, dass die Kinder aus der Abschlussklasse bei den Kleinen (1. Klasse 5 Jahre) Werbung fuer den sogenannten Poppy -Appeal machen, da geht es einerseits um das Gedenken an Gefallene und Verwundete (egal aus welchem Krieg - auch dem heutigen Irak-Krieg), andererseits wird fuer verwundete Veteranen und deren angehoerige gesammelt. Dazu kann man stehen, wie man will, ich finde nur nicht, dass bei den Kleinen gesammmelt werden sollte, die so etwas moralisch komplexes wie Krieg noch nicht verstehen koennen (meine Tochter denkt auch, es ginge um Kranke und Behinderte). Wie seht ihr das - bin ich zu empfindlich? Ach ja - wir wohnen in Grossbritannien.

Mitglied inaktiv - 31.10.2008, 13:20



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Ich bin Engländerin (wohne jetzt in München) und kenne das Poppy-Appeal aus meiner Kindheit. Ich fande und finde das nicht sonderlich problematisch. Es wurde uns erklärt, dass das Geld an Soldaten ging, die im Krieg verletzt wurden (erblindet, Bein verloren usw.) und die deswegen nicht oder wenig arbeiten konnten. Schien mir als kleines Kind absolut gerecht. Beim Sternsingen sammeln Kinder auch Geldspenden, oder? Und das Geld wird auch an Leute verteilt, die aus verschiedenen Grunden (Armut, Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit usw.) in Not sind. Die Kinder verstehen auch in diesem Fall nicht immer was drogenabhängig heißt oder wie man arbeitslos wird, aber die müssen nur mitnehmen, dass andere Leute Hilfe brauchen und verdienen. Das mit dem Krieg kam später - als 10, 11-jährige vielleicht, da habe ich verstanden, welcher Krieg gemeint wurde und wer diese alte Männer waren. Zu meiner Zeit (vor 20 Jahren) waren es hauptsächlich Veterane des 1. Weltkrieges, unseren "Great War", dass immer noch für GB ein größeres Trauma ist, als der 2. Weltkrieg. Heutzutage nehme ich an, dass die Kriegsveterane eher 1939-1945 oder später (Gulf War) im Dienst waren. Es gibt eine Kritik an Poppy Day, dass ich für redenswert halte, nämlich dass diese ganzen Zeremonien, Kranzlegungen und auch die Poppies den Krieg an sich veredele (ist das das richtige Wort?). Ich finde, dass das nicht der Fall ist - ich habe, auch als Kind von 10 Jahren, immer verstanden, dass Krieg was schlimmes ist. Und die 2 Minuten Schweigen, die wir in der Schule und früher sogar auch in Geschäften und auf der Straße eingehalten haben (am 11.11 um 11 Uhr - Faschingsanfang in DE aber für uns der Moment, als im ersten Weltkrieg Frieden erklärt wurde) hat mich immer beeindruckt - man sollte ja an diejenigen denken, die im Krieg gestorben sind (those who will never grow old). Für mich war es immer ein traurige Gedanke, der nichts mit "Helden" oder Nationalstolz zu tun hatte. Aber diese Kritik verstehe ich irgendwie auch. Man kann auch manchmal weiße Mohnblümchen kaufen, als Anzeichen, dass man gegen jeden Krieg ist, auch wenn man die Toten des letzten Jahrhunderts noch ehren will. Vielleicht bin ich aber nur sentimental geworden, weil ich diese Tradition aus meiner Kindheit kenne...es ist schwierig, so etwas ganz neutral zu sehen. Liebe Grüße in die Heimat! Untamed mit Georg (11 Mon.)

Mitglied inaktiv - 31.10.2008, 16:16



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Ich muss sagen, ich habe es auch immer so verstanden, wie von untamed beschrieben (wir wohnen auch in GB). Schweigeminuten kenne ich von hier (Bucks) zwar nicht, aber der Poppy Appeal wird immer sehr ernst genommen und auch bewusst immer zur Erinnerung an Versehrte ALLER Kriege, das versteht glaub ich auch - wenn vielleicht nicht in all der Komplexität - ein kleines Kind. Man kann ja auch begleitend erklären, worum es geht, sie sehen doch die Bilder in den Nachrichten und haben so eine Ahnung, was es mit Krieg, Tod, Trauer, Verwundung... auf sich hat. LG Katia

Mitglied inaktiv - 31.10.2008, 16:58



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Auch in Kanada sind die Poppies eine Tradition, die um Remberence Day (11/11) herum UEBERALL zu sehen ist. Es ist daher ganz normal, dass ALLE einschliesslich der Kinder mitmachen. In den ersten Jahren fuehlte sich das fuer mich auch sehr komisch und fremd an, aber inzwischen ist es Teil des Lebens geworden. So komplex ein Krieg sein kann, die Tatsache, dass jeder drunter leidet und jeder Krieg Tote verursacht, ist leider unumstoesslich und "leicht" zu verstehen. Und darum geht es in diesem Fall: egal aus welchem Grund Krieg gefuehrt wird, egal wer dran beteiligt ist/war, egal was ich persoenlich ueber einen bestimmten Krieg denke - JEDER Gefallene bekommt mein Mitgefuehl. Und das Poppy ist mein Ausdruck dieses Mitgefuehls. Das ist einfach und muss auch so einfach bleiben. *************** Mein Problem ist inzwischen ein anderes: der 11.11. ist ja auch gleichzeitig St Martin. Und ich organisiere seit jahren fuer den Abend einen Laternenlauf in unserer Stadt fuer die deutsche Gemeinde. Allerdings sind immer ausdruecklich auch kanadische Freunde und Familie eingeladen, es gehen immer Pressmitteilungen raus, die den Hintergrund des Festes beschreiben. Und TV, Zeitung etc berichten auch fast jedes mal begeistert. Dennoch gibt es ein paar Stimmen, die meinen es seie nicht angebracht, wenn ausgerechnet Deutsche an diesem Tag feiern. Na ja, ich sehe es nicht so, da alle Feierlichkeiten fuer Remberence Day tagsueber und vor allem morgens stattfinden und keinerlei Ueberschneidungen entstehen. Mal abgesehen davon, dass es wohl kaum ein FRIEDLICHERES Fest wie St Martin gibt, wenn man sich wirklich den Hintergrund dazu anschaut. Und der wird bei uns IMMER sehr deutlich gemacht, weil es fuer die meisten doch recht unbekannt ist. Gruss aus Calgary, Canada Beatrix

Mitglied inaktiv - 01.11.2008, 17:54



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Ich bin in Belgien/Flandern aufgewachsen unweit von Ypern. In Belgien ist der 11.11. auch ein Feiertag zum Ende des 1. Weltkrieges. Als ich anfangs in D wohnte war ich doch sehr geschockt, daß dieses Datum in D der Anfang des Karnevals bedeutet und St. Martin. Wenn man ausserhalb D aufwächst wird einem der Krieg komplett anders vermittelt als hier in D. Nicht besser aber anders. In der 4. Klasse haben wir eine Fahrt nach Ypern gemacht - die Grabstätten gesehen und die Stadt mit den vielen Gedenkstätten. Es hat uns sehr beeindruckt und vor allem die vielen vielen Gräber haben uns doch vor Augen geführt wie zerstörerisch ein Krieg ist. Vor 2 Jahren war ich dort wieder mit meinem (D) Mann. Der staunte nur und hatte noch nie etwas von dieser Geschichte um Ypern gehört (? !) Wir besuchten die Grabstätten und sahen Belgische, Englische und Niederländische Schulklassen die diese Grabstätten besuchten und zum Teil Kränze hingelegt haben. Deutsche Schüler/Kränze waren nicht zu sehen. Da ich selber eine D Mutter habe also damals auch D Großeltern war dieses Thema für mich immer sehr schwer denn ich hatte immer das Gefühl ich wäre z.T. dafür auch verantwortlich oder wenigstens die eine Hälfte meiner Vorfahren. Übrigens - lagen auch Englische Kränze auf dem deutschen Friedhof, ich fand das eine schöne Geste - darauf stand ein Friedensgruß es hat mich sehr bewegt.

Mitglied inaktiv - 01.11.2008, 18:21



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Mein Uropa hat in Ypern gekämpft - er hat es überlebt aber die meisten seiner Kameraden nicht. Ich war mit meinen Eltern dort und habe die Grabstätten besucht, mit meiner Schulklasse nicht, in der Schule haben uns wir allerdings Bilder angeschaut. Ypres ist durchaus ein Begriff in England, ebenso The Somme und Galipolli und Flanders, wo eben die meisten Männer in kürzester Zeit umgekommen sind. Es ist irgendwie klar, dass der Krieg anders vermittelt wird in Ländern, die "Sieg" feiern konnten als in Ländern, die "Niederlage" erlitten (auch wenn der Kriegsverlauf in vielen Ländern ähnlich war und das Leiden auch - in Deutschland, England, Frankreich, Belgien usw. ist eine ganze Generation zur Hälfte umgekommen). Ich denke aber auch, dass die Gedanken und Erinnerungen an den ersten Weltkrieg in Deutschland doch sehr von den Ereignissen der Hitlerzeit und des zweiten Weltkrieges überschattet sind. Ich denke, dass die deutsche Schulklassen KZ-Besuch machen, anstatt die Grabstätten von Flanders anzuschauen. Mein halb-deutscher, halb-englischer Sohn wird keine Wahl haben, als sich mit den Vergangenheiten seiner beiden Länder zu versöhnen! Komisch, dass seine Großeltern mit großer Angst vor und Hass auf dem jeweiligen anderen Land aufgewachsen sind. Hoffentlich wird nie wieder so ein Krieg kommen: Das ist hoffentlich die Botschaft der Poppies. LG Untamed

Mitglied inaktiv - 01.11.2008, 18:56



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Bitte nicht falsch verstehen - natuerlich ist jeder im Krieg verwundete oder Getoetete ein tragisches Opfer. - Mein Problem ist genau das, was von untamed angesprochen wurde - wir wohnen (fast) in einer Garnisonsstadt und viele Kinder haben army oder navy eltern. Da hat der Rememberance Day schon so was von Heldenverehrung. Und am Poppyday wird halt hauptsaechlich der Leute gedacht, die im Irak sind. Ich habe aber mal mit irakischen Kindern gearbeitet, die im Krieg verletzt wurden. Das ist fuer mich schon ein Problem. Ausserdem wird auf die Kinder viel Druck ausgeuebt, so eine Poppy zu kaufen - und das ist etwas, was mich richtig stoert.

Mitglied inaktiv - 01.11.2008, 22:07



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Finde diese Diskussion sehr differenziert und gut. Ein Grund, warum ich mich in diesem Forum so wohl fuehle :)). lg

Mitglied inaktiv - 01.11.2008, 22:23



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Das kann ich mir vorstellen - ich hatte als Kind kaum Kontakt zum Militär, das ändert wahrscheinlich schon der Ton der Feier bei euch. Da würde ich mir auch eher unwohl fühlen. Das mit dem Poppy kaufen - bei uns wurde auch (under Kinder) ein bisschen Druck ausgeübt, ich fande es noch ok, weil damals immer nur eine "Spende" verlangt wurde. Man mußte nicht (wie später bei Red Nose Day) einen bestimmten Geldbetrag parat haben, um Teilzunehmen. Aber vielleicht ist das inzwischen anders? Vielleicht kannst du ein White Poppy auftreiben? Ich weiß nicht mehr, wie die pazifistische Organisation heißt, die sie verkauft: Ich weiß allerdings auch nicht, wie gern so etwas in einem militärmilieu gesehen wird! Liebe Grüße, Untamed

Mitglied inaktiv - 01.11.2008, 23:15



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War gleich fündig! http://www.ppu.org.uk/whitepoppy/index.html Es geht genau darum, die Trauerfeier von der Militärkultur (Heldenverehrung) abzukoppeln. Ich würde auch eine Weiße Poppy tragen! LG Untamed

Mitglied inaktiv - 01.11.2008, 23:23



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Vielen Dank, wir haben zwei weisse Poppies aufgetrieben, die unsere Tochter tragen kann, wenn sie will. Aber du hast recht - in unserer Umgebung macht es sie vielleicht zur Aussenseiterin. Hier traegt NIEMAND eine white poppy. Vielleicht werden wir einfach der Lehrerin einen freundlichen Brief schreiben. Liebe Gruesse

Mitglied inaktiv - 03.11.2008, 13:12



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wir leben auch in England, bei uns wird nicht bei de Kinder um eine spende gebeten. Wenn wir wollen koennen wir sie in jedem Supermarkt oder einkaufzentum kaufen. Wie waere es wenn deine Tochter beide Poppies traegt den Roten um die Gefallenen zu ehren und den Weissen als Friedens Zeichen. Ich hab bei uns leider noch keine weissen finden koennen.

Mitglied inaktiv - 06.11.2008, 15:16