Wutausbruch - ein Kompliment für die Eltern

Trotziges Kind

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„Du bist blöde, ganz blöde“, schreit Mia wütend, stampft mit ihren kleinen Beinchen auf und brüllt mit ganzer Kraft: „Nein, nein, nein!“ Die Vierjährige hat offensichtlich keine Lust, jetzt ins Bett zu gehen.

Mama Caro kennt das schon – doch für ihre Schwiegermama ist der Auftritt ihres einzigen Enkels mit viel lautem Geschrei und Getöse neu und ihre Meinung steht schnell fest: „Das darfst du dir nicht bieten lassen! Das Mädchen braucht ein wenig Erziehung!“ Doch mit fehlender Erziehung hat der Wutanfall der kleinen Mia nichts zu tun und Zweifel an den Erziehungsmethoden sind ebenfalls gar nicht nötig.

Keine Angst vor den Eltern - das ist kostbar!

Stattdessen sollte Caro den temperamentvollen Ausbruch ihres Schatzes als Kompliment verstehen. Dies sei ein Zeichen dafür, dass ihr Kind keine Angst vor seiner Mama hat. „Und das ist unglaublich kostbar “, betont Nora Imlau, Journalistin und Expertin für Familienthemen, in ihrem Buch „Mein Familienkompass“. Angst wird in manchen Familien ausgelöst mit drohenden Strafen, mit Liebensentzug, gemäß dem Credo: Härte zeigen, Strenge walten lassen und verhindern, dass die lieben Kleinen ihren Eltern auf der Nase herumtanzen. Für das Kind ist so eine extrem autoritäre Erziehung laut Experten eher negativ, die Auswirkungen werden aber erst spät sichtbar.

Dies bedeute keinesfalls, dass man nur freundlich zu den Kindern sein soll, ohne ihnen Grenzen aufzuzeigen, ordnet Imlau ein. „Problematisch wird Freundlichkeit erst, wenn wir darunter verstehen, dass wir unsere eigenen Grenzen nicht wahren dürfen. Also glauben, die freundliche Antwort sei immer ein Ja, und die unfreundliche ein Nein“, erklärt die Buchautorin. „Das ist ein Irrtum: Wir können freundlich sein, und trotzdem klar in der Kommunikation unserer Bedürfnisse und Grenzen.“

Kinder dürfen unangepasst und fordernd sein

Frech, willensstark, nicht regelkonform – das sind vielleicht positive Attribute für Pipi Langstrumpf, aber im echten Leben klingt das für viele Mamas und Papas nach einem anstrengenden Familienleben. Denn Eltern von stark fordernden Kindern wird schnell das Gefühl vermittelt, sie seien nicht strikt genug, zu weich, zu nachgiebig. Wer möchte schon einen kleinen Tyrann oder Giftzwerg zu Hause haben und bei anderen den Eindruck erwecken, man hätte in der Erziehung versagt?

Eltern müssten sich nicht verhärten und unnachgiebig auf Regeln beharren, die man genauso gut flexibler handhaben könnte, ist sich Nora Imlau sicher. Die Angst vor aufmüpfigen Kindern ist unbegründet, laut der Expertin, denn Kinder wollen gar nicht die Führungsrolle übernehmen. „Dass sie in manchen Entwicklungsphasen gefühlt alles bestimmen wollen, lautstark auf ihren Forderungen beharren und wenig kompromissbereit sind, hat nichts damit zu tun, dass sie unseren Job machen wollen – sie entdecken auf diese Weise einfach nur ihr eigenes Ich, ihren eigenen Willen, ihren Platz in der Welt “, erklärt Imlau.

Schimpfen, schreien, toben – alles Zeichen für Bindungssicherheit

Eltern, die ihrem Nachwuchs bei seinem Selbstfindungsprozess zur Seite stehen, haben eine große Bedeutung. „Dass unsere Kinder sich dabei manchmal regelrecht an uns abarbeiten, indem sie schimpfen und schreien und toben und wüten – all das sind keine Versuche, unsere Macht an sich zu reißen, sondern im Gegenteil: Zeichen großer Verletzlichkeit und Bindungssicherheit “, legt die Expertin dar.

Fürchten Kinder um die Liebe ihrer Eltern, würden sie Mama und Papa niemals anschreien. Wut, Verzweiflung und Traurigkeit zu zeigen, das würden nur Kinder wagen, die sich absolut sicher fühlen. „So absurd es klingen mag: Beschimpft uns ein Kind als die blödesten Eltern der Welt, die am besten tot sein sollen, ist das eins der größten Komplimente, die es gibt“, sagt Nora Imlau. Daran sollte Mama Caro sich also schnell erinnern, wenn Mia wieder von einer Wutattacke gepiesackt wird: Das Verhalten ist ein Zeichen für Vertrauen, sichere Bindung und die Liebe ihres Kindes.


Quelle:
Frankfurter Rundschau: Eltern sollten es als Kompliment sehen, wenn ihr Kind sie anschreit – laut Expertin
Fokus: Familien-Expertin: Es ist gut, wenn Ihr Kind Sie anschreit!
Nora Imlau: Mein Familienkompass. Was brauch ich und was brauchst du?

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