Aggressives Verhalten: Mein Kind
schlägt andere Kinder

Trotziges Kind

© Adobe Stock, Westend61

Kleinkinder können auch grob werden und andere Kinder schlagen, wenn sie sich nicht mehr anders zu helfen wissen. Warum ist das so und wie können Eltern damit umgehen?

Eine typische Situation unter Kleinkindern im zweiten Lebensjahr: Lennart hat Besuch von zwei gleichaltrigen Kindern. Die kleinen Gäste stürzen sich begeistert auf das fremde Spielzeug, reißen sich gegenseitig die Sachen aus den Händen. Lennart schaut ernst, beginnt dann zu weinen und fängt schließlich an, seine Gäste gewaltsam aus seinem Zimmer zu vertreiben. Lennarts Mutter ist das Verhalten ihres Sohnes peinlich. Sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll.

Aggression ist ein Entwicklungsmotor

Der kleine Zwischenfall ist typisch für dieses Alter und kein Grund zur Sorg: Das aggressive Verhalten, das Kleinkinder an den Tag legen, sagt nichts über die spätere Persönlichkeit des Kindes aus. So anstrengend diese Phase auch ist - die kindliche Aggression ist ein Entwicklungsmotor! Das aggressive Verhalten des eigenen Kindes ist um einiges leichter zu verstehen, wenn man sich den Entwicklungsstand vor Augen führt: Selbst ein Kind von drei Jahren kann den Schmerz, den es anderen Kindern zufügt, noch nicht nachvollziehen. Es ist noch stark in seiner egozentrischen Weltsicht verhaftet, in der es zunächst einmal darum geht, sein Ich und seine Besitztümer zu verteidigen. Wenn es in eine ausweglose Konfliktsituation gerät, dann wehrt es sich meist physisch. Dieses Schlagen oder Beißen steht dann für ein "Nein". Lennart schlägt, weil er verhindern will, dass die anderen Kinder ihm sein Spielzeug wegnehmen. Wenn seine Mutter ihm nun sagt, dass sich das nicht gehört, wird Lennart das nicht verstehen. Einsicht zu fordern wird bei Kindern dieses Alters wenig erfolgreich sein. Die Verhaltensforschung geht heute davon aus, dass Kinder erst einmal lernen müssen, sich in ihr Gegenüber hineinzufühlen und hineinzudenken, um zu verstehen, dass man anderen nicht weh tut. Und erst wenn ein Kind versteht, dass es auch mit Worten etwas erreichen kann, wird es von seinem aggressiven Verhalten ablassen. Diese Entwicklungsstufe erreichen Kinder aber erst mit etwa vier Jahren.

Verständnis nicht mit Akzeptanz verwechseln

Was heißt das für Eltern, deren Kleinkinder die Krallen ausfahren? Wichtig ist, Verständnis nicht mit Akzeptanz zu verwechseln. Und: dem Alter entsprechend zu reagieren. Ein 18 Monate altes Kind, das anderen Kindern gegenüber zu Beißattacken neigt, wird das meist aus einem Reflex heraus tun. Der Familienberater Jan-Uwe Rogge empfiehlt in seinem Ratgeber "Wut tut gut" an dieser Stelle eine einfache, aber pragmatische Lösung. Man solle dem Kind etwas geben, auf das es stattdessen beißen kann und es auch konkret dazu auffordern: "Wenn du wütend bist, dann beiß in dein Tuch." Damit werden nicht nur die anderen Kinder vor Beißattacken geschützt, sondern dem eigenen Kind wird auch vermittelt: "Du darfst Aggressionen haben. Du darfst sie ausleben, aber so, dass sie keinem weh tun."

Konsequenzen vereinbaren

Bei etwas älteren Kindern sollte man mit Vereinbarungen und Konsequenzen, aber nicht mit Strafen arbeiten. Schlägt ein Dreijähriger zum Beispiel häufig auf dem Spielplatz andere Kinder, sollten die Eltern mit ihm eine Vereinbarung treffen: Beim nächsten Mal wenn es schlägt, ist das Spielen beendet und wir gehen alle nach Hause. Auf dem Weg zum Spielplatz erinnern die Eltern noch einmal an die Vereinbarung. Wahrscheinlich wird es noch zwei oder drei Mal zu Übergriffen kommen. Aber nach einiger Zeit wird das Kind die Regel einhalten. Wichtige Voraussetzung für dieses Prinzip: Das Kind geht gerne auf den Spielplatz und die Konsequenz ist für das Kind unangenehm.

Regeln machen noch keine Moral

Eltern sollten aber auch bedenken, dass Regeln noch kein Moralempfinden hervorrufen. Wenn ein Kind mit drei Jahren lernt, dass es etwas nicht machen darf, weil Mama und Papa das verboten haben, dann wird es sich wahrscheinlich auch daran halten. Aber damit hat es noch nicht verstanden, warum diese Handlung im moralischen Sinne falsch ist. Damit kommen wir zu dem wichtigen Entwicklungsschritt, der um den vierten Geburtstag herum eintritt: Erst wenn das Kind im Laufe der Zeit gelernt hat, dass Menschen unterschiedliche Gefühle und Gedanken haben und dass Handlungen unterschiedlich wahrgenommen werden, kann es Mitgefühl und ein Wertesystem entwickeln. Vorbilder spielen bei der Entwicklung der Empathie eine wichtige Rolle, denn Empathie wird nur begrenzt anerzogen, sie wird eher vorgelebt. Das Gehirn des Kindes zieht Regeln aus den Erfahrungen, die es selber macht. Eine gelungene Bindung und ein gut entwickeltes Selbstbewusstsein sind dabei sehr hilfreich.

Verabredungen auf neutralem Terrain

Und was sollten die Eltern von Lennart nun machen? Ein erster Schritt könnte sein, Verabredungen mit anderen Kindern auf ein neutrales Terrain zu verlegen. So kann verhindert werden, dass Lennart angesichts der Invasion seines Kinderzimmers schier "rot sieht". Entspannend wirkt auch eine Absprache unter den Mütter (oder Vätern), dass aggressive Übergriffe nicht aus moralischer Perspektive, sondern aus dem Entwicklungsstand der Kinder heraus betrachtet werden. Häufig sind es nämlich weniger die Streitereien zwischen den Kindern, als die Blicke der anderen Erwachsenen, die in Eltern Stress, Scham und Zorn auslösen.

Zuletzt überarbeitet: März 2019

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