Mein Kind will nicht allein schlafen

Kind schläft mit Teddy im Arm

© Adobe Stock, Africa Studio

Auch wenn das Eltern nicht gerne hören: Es ist ganz normal, wenn Kinder nicht alleine einschlafen wollen.

Aus evolutionsbiologischer Sicht ist das logisch, denn Jahrtausende galt: Sicher ist es nur, wenn Mama oder Papa oder am besten die ganze Sippe zusammen sind.

Die Urangst bleibt

Sicher, heute wohnen wir in wärmeisolierten Häusern, wir verfügen über Zentralheizungen und die einzigen Raubtiere, die um unser Heim schleichen, sind Hauskatzen. Es gibt also keinen objektiven Grund mehr, warum ein Kind Angst haben müsste, in seinem eigenen Bettchen Gefahren ausgesetzt zu sein. Nur leider weiß es das nicht. Ein Kind kommt auch noch heute mit dem Bedürfnis auf die Welt, beschützt zu werden. Von der Wärme der Mutter oder der des Vaters, ihren Berührungen und ihrer Stimme. Da hilft auch kein temperaturregulierender Schlafsack, kein Kuscheltier oder Babyphone: In Mamas Armen geht das mit dem Einschlafen viel besser.

Zusammen Einschlafen = Verwöhnung?

Nun kann man aus dieser evolutionsbiologischen Erkenntnis unterschiedliche Schlüsse ziehen: Entweder man nimmt das so an, legt sich beim Einschlafen zum Kind oder funktioniert gleich das Ehebett zum Familienbett um. Oder man versucht dem Kind zu "lernen" alleine einzuschlafen. In diesem Fall liegt die Betonung auf dem Wort "lernen", denn angeboren ist diese Eigenschaft nicht.

Wer sich mit der ersten Antwort wohler fühlt, muss sich wiederum auf viele Gegenworte einstellen. Die häufigsten Bedenken gegen das gemeinsame Schlafen oder Einschlafen zielen auf das Thema Verwöhnung ab: Wer dem Bedürfnis des Kindes nach der Anwesenheit der Eltern beim Einschlafen langfristig nachgibt, der lässt sich vom Kind erziehen und muss sich nicht wundern, wenn aus diesem ein kleiner Egomane wird. Beim zweiten Gegenargument geht es um die abendliche Zweisamkeit der Eltern: Wer mit dem Kind zusammen schlafe, der gebe sich als Liebespaar doch völlig auf. Aber es muss nicht nur um das Thema Sexualität gehen. Viele Eltern wollen den Abend lieber ohne ihr Kind verbringen und machen daher den (absolut berechtigten) Wunsch nach Ruhe quasi zur Disziplin: Das Erlernen des selbstständigen Schlafens wird dann zu einem wichtigen Meilenstein in der Entwicklung des Kindes erhoben. Der Kinderarzt und Buchautor Herbert Renz-Polster stellt in seinem Ratgeber "Kinder verstehen" hingegen klar: Wenn das Einschlafen bei den Eltern die Entwicklung von Selbstständigkeit verhindern würde, "wären wir Menschen schon vor vielen, vielen Generationen ausgestorben." Studien, die sich mit dem Thema Kinderschlaf beschäftigt haben, widerlegen ebenfalls die Mär von den unselbständigen Schläfern. Eine Studie der Universität von Kalifornien aus dem Jahr 2004 hat gezeigt, dass Kinder, die mit ihren Eltern schlafen, sogar besser während des Tages allein sein können und offener gegenüber neuen Situationen sind, als Kinder, die nachts alleine schlafen.

Gemeinsamer Schlaf muss freiwillig sein

Andererseits: Das gemeinsame Schlafen oder Einschlafen kann schließlich nur dann förderlich sein, wenn beide Seiten damit auch zufrieden sind. Das Kind wird dies in 99 Prozent der Fälle sein. Wenn die Eltern aber nur widerwillig oder gegen ihre eigenen Bedürfnisse in dieser Sache handeln, ist ihnen besser damit geholfen, ihrem Kind das selbstständige Einschlafen beizubringen.

Wie lernt das Kind, alleine zu schlafen?

Welche Methode aber ist dafür die beste, mit welchem Monat sollte man mit dem Einschlaftraining anfangen? Und welche Vor- und Nachteile gilt es abzuwägen? Fragen, über die man wunderbar streiten kann: Da gibt es die Verfechter der These, dass "jedes Kind schlafen lernen kann" und zwar mit der nach dem amerikanischen Kinderarzt Richard Ferber benannten Methode des kontrollierten Schreienlassens. Es geht darum, Kinder stufenweise daran zu gewöhnen, allein einzuschlafen, indem sie in zunächst kurzen, dann immer längeren Abständen allein gelassen werden und auch auf das Schreien nur mit kurzen, zeitlich terminierten Tröstungen reagiert wird. Allen Eltern, die sich über das Thema Schlafproblematik schon einmal unterhalten haben, wird diese Methode bereits begegnet sein. "Lass ihn einfach mal schreien", lautet da häufig der Tipp an übernächtigte und verzweifelte Eltern. An dieser Methode gibt es einige Kritikpunkte:

  • Jedes Kind ist anders - das gilt auch beim Thema Einschlafen. Das eine Kind hat ein besonders großes Sicherheitsbedürfnis, das andere ist in dieser Hinsicht robuster. Wie stark Ihrem Kind das Schreienlassen beziehungsweise das angstbesetzte Alleinsein zugemutet werden kann, sollte Ihnen kein Lehrbuch, sondern Ihr eigenes Gefühl sagen.
  • Durch die Ferber-Methode zeigen die Eltern ihrem Kind unterschiedliche Signale: Abends, wenn es einschlafen soll, reagieren Mama und Papa auf seine Bedürfnisse und (durch das Schreien) geäußerten Sorgen nicht. Tagsüber hingegen werden die Kinder sehr wohl ernst genommen und auch umsorgt. Geborgenheit am Tag, Konsequenz in der Nacht - kann das funktionieren? Gerade hier sollte man sich vergegenwärtigen, wie alt das Kind eigentlich ist. Ein sicher gebundenes Kind kann die Fähigkeit entwickeln, sich nachts so geborgen zu fühlen, dass es wieder einschlafen kann. Aber das ist frühestens mit drei Jahren der Fall.
  • Kinder, die nach der Ferber-Methode gelernt haben - viele Kritiker sprechen lieber von "konditioniert wurden" - alleine einzuschlafen, haben damit keine entwicklungsgemäße Kompetenz erlangt, sondern schlafen letztlich verzweifelt und gestresst ein. Und haben ein wesentliches Stück Vertrauen in ihre wichtigste Bindungspersonen verloren.
  • Bevor Eltern mit der Ferber-Methode beginnen, sollten sie sich fragen, ob sie zu diesen Maßnahmen auch wirklich in letzter Konsequenz bereit sind. Wer weiß, dass er sein Kind nicht lange schreien lassen kann, sollte diesen Weg erst gar nicht antreten. Es gibt genügend Eltern, die zu "ferbern" begonnen haben und es im Nachhinein bereuen.

Geborgenheit und Verständnis für das Kind

Die Ferber-Methode setzt letztlich das aufs Spiel, was Kinder dringend brauchen, um einen Weg in den Schlaf zu finden: Geborgenheit. Wenn Eltern ihren Kindern hingegen immer und überzeugend vermitteln, dass sie "da" sind, dann wird dieser Übergang in vielen Fällen leichter sein. Rituale und eine entspannte Atmosphäre vor dem Schlafengehen sind dabei besonders wichtig. Geborgenheit signalisieren heißt nicht unbedingt, dass Eltern sich neben ihr Kind ins Bett legen müssen - aber es soll unbedingt deren Anwesenheit und Schutz spüren. Wann Kinder den Übergang zum selbstständigen Schlafen schaffen, hängt neben dem Verhalten der Eltern aber auch von ihrer Persönlichkeit und ihrem Entwicklungsstand ab. Eltern sollten sich bewusst sein, dass die verschiedenen Entwicklungsschritte ihres Kindes auch immer Einfluss auf deren Schlafverhalten haben.

"Ich will nicht allein schlafen"

Kinder zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr suchen nachts besonders häufig das Elternbett auf. Sie sind wach geworden und finden allein nicht wieder in den Schlaf, sie suchen die Wärme und Nähe von Mama und Papa. Gerade kleine Trotzköpfe, die tagsüber mit ihrem eigensinnigen Verhalten noch die Nerven der Eltern strapaziert haben, sind jetzt plötzlich ganz anschmiegsam. Das ist kein Widerspruch: Wer sein eigenes Selbst kennenlernt, der ahnt auch zunehmend, dass es so etwas wie Alleinsein und Verlassenheit gibt. Gleichzeitig entwickeln Kinder in diesem Alter aber auch eine besondere Liebe und Anhänglichkeit zu einem Objekt: einem Kuscheltier oder einem Tüchlein, ohne das sie nicht sein wollen. Liegen diese auch in der Nacht und beim Einschlafen immer bereit, können sie über so manche Angst in der Nacht hinweghelfen.

Angst vorm Dunkeln und vor Gespenstern

Der Hase auf dem Boden wird zum furchterregenden Monster und das Knacken der Äste am Obstbaum rührt von einem Gespenst her. Wenn es dunkel wird, dann können Schattenspiele und gewohnte Geräusche plötzlich zu echten Angstattacken im Kinderzimmer führen. Auch nicht verarbeitete Erfahrungen vom Tage kommen häufig am Abend wieder "hoch" und verhindern das Einschlafen des Kindes. Klar, dass Mama und Papa im Raum bleiben und aufpassen sollen. Ein Nachtlicht kann in dieser Situation helfen - es sollte aber nicht die ganze Nacht brennen, da es sonst die so Ausschüttung des Hormons Melatonin mindern kann, das unseren Tag-Nacht-Rhythmus steuert.

Zuletzt überarbeitet: März 2019

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